03. Die große Versuchung

 

03. Die große Versuchung

Sie stehen auf dem Kai und schauen sich gespannt um. Der Hafen ist U förmig gebaut und macht, mit den direkt dahinter steil aufragenden bunten, alten Häusern, einen gemütlichen Eindruck. Ungefähr fünfzig Schiffe in allen Größenordnungen liegen am Kai, Segeljollen, Motorboote bis hin zum großen Kajütkreuzer, wie man sie aus Zeitschriften, im Hafen von Monte Carlo, Nizza oder St. Tropez vermutet. Drei Fischerboote, voll bepackt mit leeren Netzen und Reusen dümpeln direkt vor ihnen im Wasser. Weiter rechts liegen mindestens zwanzig Segelboote und einige Katamarane. Auf der linken Seite sind drei gewichtige Motoryachten und eine Ketsch, also eine Segelyacht mit zwei Masten zu sehen. Dahinter liegt ein großer Segler, in dem Giorgio von weitem einen Baltimore Klipper vermutet.

Segeln, Schiffe in allen Größen und alles, was mit dem Meer zu tun hatte ist Giorgios große Leidenschaft. Schon als Kind durfte er mit seinem Vater und dessen Freund auf dem Wannsee in Berlin segeln. Da infizierte er sich bereits und diese Sucht ließ ihn seit dem nicht mehr los. Auch mit Charlotte segelte er oft auf der Alster, der Elbe und der Ostsee. Später, als die Kinder größer waren, durften sie mit segeln. Er hat sich bisher nie zu einem eigenen Schiff durchringen können, weil ihn immer die hohen Kosten für Instandhaltung und Liegegebühren abschrecken. Durch Freunde und Geschäftspartner hatte er reichlich Möglichkeiten, ein Schiff zu bekommen oder mit zu segeln. Selbst eine Atlantiküberquerung konnte er vor Jahren auf der Yacht eines Schulfreundes mit segeln.

Seine Segelkünste und große Erfahrung sind oft gefragt, da er auch in kritischen Situationen stets die Ruhe behält. „Welches Boot ist es denn nun“ fragt Max und späht über die Reihe der Segelboote auf der rechten Seite. Palmiotta amüsiert sich und meint „Junge Mann, sie schauen in falsche Richtung. Das Boot dahinten, hinter diese schöne Motorkreuzer ist die Catalina“. Er geht grinsend in Richtung des großen Klippers. “Ich werde verrückt, das Riesenteil ist das Schiff, was wir geerbt haben“? staunt Flo ungläubig. „Ja, das sein die Catalina, Boot von Vittorio Lindner“, freut sich der Notar. Sie gehen, langsamer werdend, auf das Schiff zu, was sich immer größer vor ihnen aufbaut.

                           Original Pride of Baltiomore ist bei einem Sturm1986 gesunken

Das gibt’s doch gar nicht“ murmelt Giorgio und schaut ergriffen auf den Klipper, der nun in seiner ganzen Schönheit, mit seiner traditionellen Takelage, vor ihnen liegt. Signore Palmiotta, sie haben immer von einem Boot gesprochen, da habe ich mir ein normales Segelboot von vielleicht zehn oder zwölf Metern Länge vorgestellt, aber doch nicht so einen Ozeankreuzer“ ruft Pia völlig verwirrt. Palmiotta antwortet lachend: „Ich mich haben gefreut, ganze Zeit auf Ihre Gesichter, wenn sehen sie ihre Schiff. Jetzt, ich werde belohnt!“ lacht er. Max, der praktisch veranlagt ist, fragt in die Runde. „Für ein Schiff dieser Größe braucht man doch Besatzung. Das können wir doch nicht alleine!“ „Das seien nur richtig, zu eine Teil. Vittorio nur hatte eine Mann, Luigi als Seemann und manchmal eine Helfer, Alberto und dann wir haben mit angefasst. Das immer haben gereicht. Schiff ist technisch auf neueste Stand und sehr gut ausgestattet. Bitte nicht vergessen, Vittorio hatte Firma für Ausrüstung von Schiffe und viel davon verstehen“.

Der Notar setzt sich erschöpft auf einen Stapel Kisten, die dort lagerten und schaut versonnen auf das Schiff. Giorgio nimmt benommen neben dem Notar Platz und fragt: „ Wie groß ist denn diese prachtvolle Lady?“ „Ich haben hier Papiere von Schiff für sie übersetzen lassen, auch Technik, alles steht da drin“. Palmiotta drückte Giorgio eine dicke dunkelblaue, in Leder gebundene Mappe in die Hand auf der in goldenen Buchstaben „CATALINA“ steht.

„Diese Schiff ist 45 Meter lang, Acht Meter achtzig breit und hat drei Meter unter Wasser. Die Höhe von Masten ist ungefähr achtundzwanzig Meter und haben über fünfhundert Meter Segelfläche in Quadrat. Dann, Sie haben zwei sehr gutes Motore mit zweimal dreihundertachtzig PS und zwei verschiedene Strom… wie man sagt dazu“? fragt er unsicher. „Stromaggregate“ hilft Max aus.Ja, richtig, also zwei davon und sie haben Tank für frisches Wasser von 5500 Liter, 3500 Liter Diesel Tank und sie haben alle wichtige Technik an Bord um Schiff über große Ozean zu fahren“. Auch Solartechnik sein an Bord für machen Licht, Kühlung und Pantry. Palmiotta holt Luft und blickt verträumt auf das Meer. Giorgio schaut wie verzaubert auf das herrliche Schiff und genießt den schnittigen, weißen Rumpf mit dem schwarzblauen Unterwasserteil, die edlen Mahagoni Aufbauten, die einen wunderbaren Kontrast zu den weißen Segeln abgeben, die majestätische Masten mit der Takelage und blank polierten Messingteilen, die überall zu sehen sind. Selbst eine gold- und dunkelblau farbene Galionsfigur fehlt nicht am Bug und gibt der Catalina ein majestätisches Aussehen.

Dieses Schiff wurde, das hat er in der Mappe bereits entdeckt, im Jahre 1925 auf einer Werft in Bremerhaven schon mit Stahlrumpf gebaut und als schneller Frachten Segelklipper überwiegend in Holland und England eingesetzt. Während des Krieges lag sie als „Emily“ in dem Englischen Hafen Harwich an der Ostküste fest und wurde nach dem Krieg als Ausbildungsschiff nach Portugal verkauft. Dort entdeckte Vittorio sie 1969 und lies sie nach Genua schleppen. Sie war sehr heruntergekommen und hatte nur noch den Großmast. Die Restaurierung dauerte über 4 Jahre, weil Vittorio sich um fast alles selbst kümmern wollte. Im Juli 1974 hat er sie dann „Catalina“ getauft und ist mit ihr zunächst zur Insel Elba gesegelt. 1998 wurde die Catalina schließlich ein weiteres mal gründlich restauriert und vor allem, die neueste und modernste Technik eingebaut.

Flo drängelt „Wollen wir jetzt nicht endlich mal an Bord gehen. Ich bin schon gespannt, wie die Wohnräume und die Küche aussehen!“ „Salon und Kombüse heißt das, Du Leichtmatrose und gleich vorbeugend, die Schlafzimmer heißen Kajüten und die Betten Kojen“! ruft Max entrüstet. „Auch gut, Hauptsache, man kann da kochen“, entgegnet Flo ungerührt.

Dann gehen sie die Gangway hinauf und stehen auf einem, auf Hochglanz polierten Mahagoni Deck. Sie sind kaum vollzählig auf dem Deck versammelt, als hinter dem mittleren Aufbau ein circa sechzig Jahre alter Mann mit braungebranntem, Wetter gegerbtem Gesicht, schneeweißen Haaren und einem ebensolchen Vollbart auftaucht. Der stand in lebhaften Kontrast zu seiner dunklen Haut, die auf einen Süditaliener schließen ließ. „Ah, buon giorno, Luigi“ ruft der Notar. „Signore Lindner, das seien Luigi, gute Seele von die Catalina. Er kümmern sich um alles und Ihnen kann auch zeigen Technik!“ Luigi drückt zunächst Giorgio und dann den Kindern herzlich die Hand und meint feierlich in gutem Deutsch. „Ich seien sehr erfreut, das Schiff hat endlich wieder einen neuen Besitzer. Ich hoffe, sie werden haben viele Freude mit die Catalina. Ich habe die Ehre, Ihnen alles zeigen dürfen!“ sprach´s und strahlt übers ganze Gesicht. „Woher sprechen sie denn so gut Deutsch“? will Flo wissen. „Ach, ich zwölf Jahre in Stuttgart bei Mercedes gearbeitet und viel gelernt. War schön in Deutschland damals“ fügt er hinzu. Nun bewundern Sie zunächst das große Sonnendeck. Mittschiffs, unter einem riesigen Sonnensegel lassen sich aber auch schattige Plätze finden. Sowohl in der Sonne, wie auch unter dem Sonnensegel sind Mahagoni Deckchairs und kleine Tische verteilt. Zwischen den Masten ist Platz für zwei große Hängematten. Flo stellt sich schon vor, darin im Wind zu schaukeln, ein Sonnenbad zu nehmen oder auch Nachts dort zu schlafen. Im Heck, etwas erhöht, hat der Skipper seinen Platz in einem wunderbar geräumigen, Mahagoni vertäfeltem Steuersand, mit großem Ruder, Kompass, gleich daneben eine

So ungefähr sieht es im Ruderhaus aus.

moderne Sateliten Navigationsanlage, Radar, Echolot, Seefunk, eine vollautomatische Segelanlage, GPS und vieles mehr. Tief beeindruckt klettern sie nun den Niedergang hinunter unter Deck und stehen in einem großen und eleganten Salon. Giorgio fällt sofort ein imposantes, eingebautes Bücherregal auf, das mit Büchern in italienisch, deutsch und englisch voll gestopft ist. Ein bequemes, dunkelgrünes Ledersofa mit drei ebenso bequemen Sesseln stehen auf der einen Seite des Salons um einen runden Tisch. Auf der Anderen entdecken sie einen Esstisch mit sechs gemütlichen Rattanstühlen und einer Anrichte. Dicke Teppiche machen den Raum urgemütlich. Auch hier herrscht eine gediegene Mahagoni Täfelung vor. Die Kanten der Tische und Schränke haben nach alter Seefahrttradition Messingbeschläge. In einer Ecke ist ein großer, ausklappbarer Globus untergebracht, der als Bar dient. In einer anderen Ecke befindet sich ein geräumiger Kartentisch mit etlichen Seekarten, einem Satellitentelefon und Funkgerät. In der Mitte des Raumes, Richtung Vorschiff erspähte Max eine Tür, die einen Mahagoni vertäfelten Gang versteckt, der zu vier geräumigen Kabinen führt. Rechts davon hängt ein Portrait. „Das ist eine Portrait von Vittorio, Ist vor zwei Jahren gemacht worden, von eine gute Maler aus Dolcedo“, erklärt Palmiotta. „Onkel Victor habe ich mir ganz anders vorgestellt, irgendwie älter und verhärmter. Aber er sieht irgendwie noch so jung aus, höchstens wie sechzig und gar nicht verbittert sondern eher fröhlich“. meint Pia nachdenklich. Weiter geht es zu den Kabinen. Jede Kabine ist mit einem großen gepolsterten Doppelbett, einem viertürigen eingebauten Schrank, einem kleinen Schreibtisch und einem Sofa ausgestattet. Auch hier herrscht wieder Mahagoni vor, wobei die Füllungen jedoch mit Stoffen in warmen Farben ausgekleidet sind. Diese Farbe finden sich jeweils auch in den flauschigen Teppichböden und dem Bettüberwurf wieder. Jede Kabine ist in einer anderen Farbe gestaltet und verströmt den eleganten Stil der zwanziger Jahre. Es gibt sowohl auf der Steuerbord, wie auch auf der Backbordseite zwei Kabinen die nur jeweils durch ein luxuriöses Bad, mit Wanne, Dusche und separater Toilette, getrennt sind. Hier herrschten Carrara Marmor auf den Böden und Wänden, sowie schwarzer Marmor bei Wanne und Waschbecken vor. Die vergoldeten Armaturen sind in Form von Vogelköpfen ausgebildet. Auf der rückwärtigen Seite des Salons, direkt neben dem Niedergang, befindet sich rechts noch eine Pendeltür, die zur geräumigen Pantry führt und links eine Tür, hinter der sich ein kleiner Gang mit einem weiteren Bad, sowie daneben zwei kleineren Kajüten mit je zwei Kojen für die eventuelle Besatzung oder Gäste versteckt. Flo eilt voraus, um sich ihr Reich anzusehen, denn für sie ist es sonnenklar, das sie in der Pantry das Regiment führen wird, wenn sie tatsächlich auf große Fahrt gehen. Ihrer Meinung nach, taugen die Anderen höchstens für niedere Dienste, wie Abwaschen oder Kartoffel schälen. Aber das traut sie sich dann doch nicht, laut zu sagen. Die “Küche“ ist eine Wucht und mit allem bestückt, was zu einer guten Pantry gehört. Mikrowelle, Geschirrspüler und einen extra großen Kühlraum gibt es hier. Was Flo jedoch am meisten begeistert, ist ein Regal mit einer gut gefüllten Rezeptsammlung. Hauptsächlich handelt es sich um italienische Rezepte, was sie besonders beeindruckt.

Sie ist fasziniert und hätte am liebsten gleich losgelegt, ein Begrüßungsmenü zu zubereiten. Auch Giorgio, Pia und Max sind hingerissen von diesem tollen Schiff. Die fast perfekte Symbiose zwischen traditioneller Seefahrer Romantik und modernster Technik begeistert Giorgio ungemein. Er wirft sich in einen der weichen Sessel im Salon und muss das ganze erst mal auf sich wirken lassen. „Jetzt, es ist wohl Zeit, eine gute Glas Wein zu trinken, auf Vittorio und diese schöne Schiff“, schlägt der Notar vor, geht schnurstracks zur Anrichte, zaubert sechs Gläser und einen guten Piemonteser Rotwein hervor. Er baut alles auf dem runden Couchtisch auf, schenkt den Wein ein und prostet den vier Lindners und Luigi zu. „Salute, ich danke Dir, Vittorio für schöne Zeit mit Dir und gute Freundschaft alle die Jahre. Möge es Dir, wo Du immer jetzt seien, genau gehen so gut, wie hier in bella Italia. Familia Lindner, Ihnen wünsche ich zu treffen, richtige Entscheidung wegen ihre Erbe!“ Palmiotta hebt feierlich sein Glas. Alle stoßen auf diesen stimmungsvollen Augenblick an. Luigi wischt sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln und meint treuherzig zu Giorgio: „Bis Sie sich haben entschieden, werde ich pflegen die Catalina wie meine eigene Frau und wenn Sie sich haben entschieden für die Catalina, ich werde Ihnen alles beibringen mit den Segeln, mit die Technik und die Maschine!“

Flo flüsterte Pia zu: „Meinst Du, das er seine Frau gut behandelt. Ist er überhaupt verheiratet?“ „Halt die Klappe“ zischt Pia grinsend zurück. „Wo ist denn eigentlich die Maschine“? fragt Max in die Runde. „Ist direkt neben Ruderhaus eine kleine Niedergang zu Lagerraume von Vorräte und zu Maschinenraum. Ist eine starke Maschine von Volvo mit 380 PS und noch eine etwas kleinere Hilfsmaschine mit 320 PS. Auch die Stromaggregate und Kompressor ist in diese Raum. Auf andere Seite sind die Tanks für Diesel und Wasser. Darunter sind zwei starke Pumpen. Außerdem werden da auch Flaschen und Anzüge für Tauchen aufbewahrt, für den, der möchte tauchen!“ fachsimpelt Luigi weiter. Nach einer ganzen Weile und einer zweiten Flasche „Piemonteser“ meint Palmiotta: „Wenn einverstanden Familia Lindner, wir fahren jetzt langsam zurück nach Genova, ich bringen sie ins Hotel und denken in Ruhe über diese Schiff und Ihre Erbe nach“. Giorgio erhebt sich schweren Herzens, denn ihm ist die Catalina schon ein bisschen ans Herz gewachsen und raunzt: „Bueno, Notairo verabschieden wir uns von dieser schönen Lady. Wir werden in Ruhe und ganz ausführlich über das Ganze nachdenken. Es gibt dabei vieles zu bedenken, zu klären und zu regeln, aber ich glaube, das wir Ihnen in zwei Wochen unsere Entscheidung mitteilen können!“ Sie verabschieden sich mit einer innigen Umarmung herzlich von Luigi, als wären sie bereits alte Freunde. „Ich mich würde sehr freuen, wenn sie behalten, diese alte Lady!“ meint er mit breitem Lächeln, als würde er Ihnen eine Ware schmackhaft machen. Dann klettern sie in den Range Rover und Palmiotta kurvt diesmal über die Autostrada, zurück in Richtung Genua. Giorgio und die Kinder sind auf der Rückfahrt sehr still und nachdenklich. Sie denken über das Erbe nach und wie gut ihnen die Catalina gefällt. Einerseits sind alle in Hamburg fest verwurzelt, im Beruf, in ihrem Freundeskreis und mit ihrer bevorstehenden Ausbildung, oder dem Studium. Andererseits liegt hier an der Riviera ein faszinierendes Schiff, was ihnen gehören kann, wenn sie ihr Leben für eine gewisse Zeit umstellen. Der Notar hat ihnen zum Abschied noch einen guten Tipp gegeben, wo sie heute Abend sehr gut und typisch Ligurisch essen können und empfiehlt ihnen ein kleines, versteckt liegendes Ristorante mit Namen „Tantalus“, in der Carre Colombo, in der Altstadt. Er läßt es sich nicht nehmen, mit seinem Telefonino, einen Tisch für Sie zu reservieren und empfiehlt, dorthin unbedingt ein Taxi zu nehmen.

Im Hotel angekommen, verabschieden sie sich freundlich von Signore Palmiotta. Giorgio bedankt sich noch einmal ausführlich für die schöne Fahrt und die vielen interessanten Informationen und verspricht, sich bis spätestens übernächster Woche zu melden um definitiv eine Zu oder Absage zu geben. „Ich mich haben auch sehr gefreut, Familia, von Vittorio kennen zu lernen und hoffe, sie nehmen Erbe an. Ich meine, sie seien sympathisch und würdig, Vittorios Lebenstraum führen fort. Aber, ich nicht können und wollen Ihre Entscheidung abnehmen!“. Der Notar schwingt sich in seinen Wagen und fegt, winkend und laut hupend die Hotelauffahrt hoch und verschwindet im Genueser Verkehrs Chaos. „Das der neunundsechzig ist, merkt man ihm auch nicht an. Ich kann mir gut vorstellen, wie er und Onkel Victor hier die Küste unsicher gemacht haben. Die Beiden haben doch bestimmt nichts anbrennen lassen“! vermutet Max etwas flapsig. „Na, na, sprich nicht so respektlos von deinem Erbonkel. Außerdem sahen Onkel Victor und auch der Signore Palmiotta wirklich gut aus. Ich kann mir ihre Wirkung auf die Frauen schon gut vorstellen“ seufzt Pia.

„Nun lasst uns schnell schwimmen gehen. Wir müssen das Meer ausnutzen, so lange wir noch hier sind“ drängelt Flo. „Ja und anschließend schmeißen wir uns in Schale und gehen in diesem Ristorante schick essen“ freut sich Pia. „Aber nur, wenn ihr mir versprecht, das Thema Catalina heute Abend nicht mehr anzuschneiden. Wenn wir zurück in Hamburg sind, werden wir mit dem nötigen Abstand, den Familienrat einberufen und das Ganze ausführlich diskutieren. Schließlich betrifft diese Entscheidung nicht nur uns, sondern auch noch ein paar mehr Menschen, wenn ich an unsere Freunde, an Frau Herzig, an Hubertus und auch an meine Mitarbeiter denke!“ Giorgio reckt sich und geht entschlos-senen Schrittes auf sein Zimmer um die Badesachen zu holen.

Das ausgezeichnete Abendessen, besteht aus hausgemachten Tagliatelle al la Zafferano“, mit Steinpilzen und Safransoße. Als Hauptgang die Spezialität des Hauses, „Orata con Vermouth“, eine leckere, in verdünntem Wermut gekochte, Goldbrasse, die mit einer Salz Kräuterkruste versehen-, anschließend im Ofen mit einem speziellen Fischfond, Semmel-bröseln und Parmesan überbacken wird. Dazu Zucchini und Erbsen. Als Nachspeise „Bavarese al Limone“, ein mit Mandelöl verfeinerter Limonenpudding.

Bei einem abschließenden Espresso schlägt Flo plötzlich vor: „Eigentlich hätte ich Lust, jetzt das Genueser Nachtleben kennen zu lernen. Hier gibt´s doch bestimmt angesagte Diskos, oder etwa nicht?“Giorgio ist davon nicht begeistert und meint: „Alleine gehst Du auf keinen Fall. Du kannst nicht ein Wort italienisch und wie die Kerle hier drauf sind, hast Du heute Vormittag schon gemerkt!“.„Wir werden unseren alten Herrn jetzt ins Bett schicken und ich mach Euren Anstands Wauwau. Spätestens um Drei sind wir dann zurück“, fällt Max seinem Vater ins Wort.„Ja, Giorgio, der Vorschlag von Max ist doch gut, Er kann uns die aufdring-lichsten Kerle vom Leib halten und unsere Ehre verteidigen“, begeistert sich jetzt auch Pia. „Na gut, ich bin tatsächlich etwas müde und werde mir jetzt ein Taxi ins Hotel genehmigen,“ resigniert Giorgio und war sich sicher, dass sein Sohn mit seinen 1,90 Metern und seiner athletischen, breitschultrigen Figur, im Notfall schon Furcht einflößend wirkt. „Aber, macht nichts, was ich nicht auch tun würde und pass auch wirklich auf, Max und lass Dich nicht selbst von den heißblütigen Signorinas ablenken!“ gibt er ihnen mit auf den Weg.

Als die Drei schließlich aufgekratzt und heiter gegen zwei Uhr Nachts ins Hotel kommen, finden sie Giorgio fröhlich plaudernd an der Bar vor. Sein gegenüber entpuppt sich als die Besitzerin der Villa Pagoda, Signora De Cinova, eine attraktive Dame mit tadelloser Figur und teuer gekleidet. Sie ist um die Vierzig, hat ein tief ausgeschnittenes, gut bestücktes Dekolletee, was durch eine schlichte schwarze Perlenkette noch besser zur Geltung kommt und spricht recht gut Deutsch. Sie plauderte mit Giorgio über Gott und die Welt. „Ach nee,“ frotzelt Pia: „Du hast bestimmt aus Sorge, wir könnten in die Genueser Abgründe geraten, kein Auge zugemacht und Deinen Kummer an der Bar ertränkt.“ „Genau“ bestätigt Giorgio, stellt seine Kinder kurz vor, scheucht sie dann aber ins Bett und verabschiedet sich ein paar Minuten später auch, zur Enttäuschung seiner reizenden Gesprächspartnerin. Giorgio hat schon bemerkt, das Signora De Cinova ein Auge auf ihn geworfen hat, was ihm durchaus auch schmeichelt. Er ist einem kleinen Flirt, um den Marktwert zu testen, durchaus nicht abgeneigt, aber eben auch nicht mehr. Für einen schnellen one night stand war er noch nie zu haben gewesen, denn für ihn müssen auch Gefühle im Spiel sein. Er denkt auch noch viel zu oft an Charlotte und es würde ihm fast wie Verrat vorgekommen, sie wegen einer schnellen Affäre zu betrügen. Seine Kinder versuchen zwar immer wieder, ihn mit weiblichen Wesen in näheren Kontakt zu bringen, weil sie meinen, vier Jahre Trauer sind genug und ihre Mutter bestimmt auch nicht gewollt hätte, das Giorgio für den Rest seiner Tage wie ein Mönch lebt. Aber er ist einfach noch nicht so weit.

Das Hauptproblem an diesem Abend besteht jedoch darin, das er den Kopf für amouröse Abenteuer nicht frei hat, sondern in Gedanken ständig bei der Catalina ist, die es ihm, wo er doch so gern segelt, mehr angetan hat, als er wahr haben will. Einerseits ist er durchaus bereit, mit diesem Traumschiff und seinen Kindern auf große Fahrt zu gehen, aber andererseits kann er doch nicht einfach seine Firma so lange im Stich lassen und sich über mehrere Jahre aus dem heimatlichen Geschehen ausklinken. Dazu ist er zu sehr in seinem Beruf und seinem Umfeld verwurzelt. Außerdem wollen alle drei Kinder gerade mit ihrer Ausbildung beginnen. Er hat nicht das Recht, ihnen derartige Knüppel in ihren Berufsweg zu werfen. Eine Weltumsegelung ist ihm auch nicht ganz geheuer. Er hat zwar gute Segel Erfahrung und schon oft auf der Nord- und Ostsee und sogar über den Atlantik gesegelt, hat auch viele mehrwöchige Törns durchgezogen, aber es waren, verglichen mit einer Weltumseglung, alles nur kurze Fahrten gewesen.

Während er so darüber nachdenkt, stellt er fest, in welchen Zwängen und Fesseln man sich im Laufe seines Lebens verfängt. Eine so weit reichende spontane Entscheidung ist daher kaum noch möglich. Was hatten er und Charlotte sich in jungen Jahren nicht alles vorgenommen. Sie wollten sich immer ihre Unabhängigkeit und Freiheit bewahren. Was ist nun davon übrig geblieben? Leichte Verbitterung kommt in ihm hoch, während er sich leise in sein Zimmer schleicht, in dem Max schon selig, wahrscheinlich weinselig, schläft. Am Sonntagmorgen scheint die Sonne bereits von einem tiefblauen Himmel, wie ihn nur der Süden hervorbringen kann, trafen die vier sich erst um zehn Uhr zum Frühstück auf der blumengeschmückten Terrasse. „Na, habt Ihr neue Erkenntnisse bezüglich unseres Erbes?“ fragt Flo unbekümmert drauf los. „Mann, bist Du blond. Wir haben doch alle geschlafen und nicht gegrübelt!“ braust Max auf. „Ich glaube, blond trifft ja wohl bei Dir eher zu, wenn Du noch nicht mal Flo´s braune Haarfarbe erkennen kannst“, nimmt Pia den Ball auf und grinste. Giorgio macht dem Geplänkel ein Ende, in dem er knurrt: „Erstens, haben wir vereinbart, erst in Hamburg weiter darüber zu sprechen und zweitens wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr etwas leiser streiten könntet, da ich Kopfschmerzen habe. Ich vermute, das wohl ein Wetterumschwung kommt.“ „Das glaube ich weniger“ lästert Flo respektlos und schaut in den blauen, wolkenlosen Himmel, „Ich glaube eher, das eines von den vielen Weinchen, die Du gestern Abend getrunken hast, schlecht war!“. Sie grinst fröhlich ihren Vater an, der sie mit einem giftigen Blick bedenkt und zurück knurrt: „Sagt mir lieber, was wir mit diesem Sonntag anstellen wollen?“

Max lehnt sich zurück und macht einen Vorschlag. „Was haltet Ihr davon, wenn wir noch einmal zur Catalina fahren und uns das Schiff, ohne fremde Leute ganz in Ruhe ansehen. Vielleicht kommen wir dann ja eher zu einer Entscheidung? Anschließend können wir uns noch Porto Maurizio ansehen und von mir aus dort das Hinterland erobern. Der Notar sprach doch von dem Ort Dolcedo, der schön sein muss, denn sonst hätte Onkel Victor dort mit Sicherheit kein Haus gehabt. Flo, Pia und Giorgio sehen sich an und Giorgio merkt an den Gesichtern seiner Mädchen, dass die dem Vorschlag von Max durchaus etwas abgewinnen können. Er versuchte eine schwache, nicht sehr überzeugende Gegenwehr: „Wir haben doch gestern alles genau gesehen und die Entscheidung wollen wir doch erst in Hamburg treffen. Meint Ihr, dass uns eine zweite Besichtigung viel weiter bringt?“ „Meinen wir Giorgio, Du bist überstimmt“ grinst Pia fröhlich. Max steuert den Wagen, nach eineinhalbstündiger Fahrt sicher auf den Hafenkai in Porto Maurizio. Die Catalina strahlte

Imperia, Porto Maurizio Promenade

im Sonnenlicht in ihrer ganzen Schönheit und begeistert die Vier aufs Neue. Sie klettern wieder die Gangway hoch, setzen sich in die Deckchairs auf dem Sonnendeck und genießen das sanfte Schaukeln des Schiffes. Unter Deck können sie leider nicht, da alles ordentlich abgeschlossen ist. Das macht jedoch nicht viel, da sie auch auf dem Deck die Faszination und Romantik, die von diesem Schiff ausging, spüren können. Nach über einer Stunde auf `ihrem` Schiff brechen sie schließlich auf und schauen sich noch einmal wehmütig um. Keiner bringt ein Wort heraus. Die Gesichter sprechen jedoch dass aus, was sie alle in dem Moment denken. Werden wir das Erbe antreten können? Werden wir es schaffen, uns von unseren Alltagsfesseln zu lösen? Ist es nicht sinnvoller und vernünftiger, erst mal an Beruf und Ausbildung zu denken? Die Altstadt von Porto Maurizio zieht sich direkt hinter dem Hafen, malerisch einen kegel-förmigen Berg hinauf, mit schmalen Gassen, die, je höher man kommt, etwas breiter werden und den Blick auf einige alte, schöne Palazzi freigaben. Von hier oben hat man eine phantastische Aussicht auf das Mittelmeer und auf der anderen Seite auf ein grünes Tal, welches sich langsam in die Höhe schraubt. Am Ende können sie den Ort Dolcedo erkennen, den sie ja auch noch besuchen wollen. Aber nun sind sie erst mal hungrig und halten nach einer Pizzeria Ausschau.

Pia nimmt schließlich ihren Mut zusammen, lächelt einen vorbeikommenden jungen Mann an und fragt nach einer Pizzeria. „Die beste Pizza gibt es hier unten am Strand bei Antonia“ strahlt er sie in schönstem Schwäbisch an. Weil er nun schon mal dabei war, erzählt er ihr auch gleich, dass er jedes Jahr im Oktober für drei Wochen hier Ferien macht und alle guten Lokale dieser Gegend kennt. „Bestell Dir die Pizza „Diabolo“ oder „Quattro Stagioni“, das sind die Besten. Er zeigt ihr noch den kürzesten Weg und entschwindet. „Ausgerechnet ein Turi, dabei sah er doch so italienisch aus.“ seufzt sie, als sie zurückkam. „Aber immerhin weiß ich jetzt, wo es hier die beste Pizza gibt und wie wir dahin kommen.“ Am Nachmittag sehen sie sich noch das mittelalterliche Städtchen Dolcedo an, schlendern durch die engen Gassen und stehen plötzlich vor einem kleinen Laden, der Olivenöl, Seifen und Cremes verkauft und sogar geöffnet hat. „Hier muss ich Olivenöl kaufen, so ein Spitzenöl gibt es in Deutschland gar nicht!“ ruft Flo und ist schon im Laden verschwunden. Die anderen setzen sich solange auf die Balustrade einer alten Römerbrücke und genießen das Flair dieses Örtchens, mit seinen blumengeschmückten Balkonen und farbenfrohen Häusern. Nach einer ausgiebigen Tour durch das ligurische Hinterland, vorbei an winzig kleinen Dörfern, den so genannten Borgo´s und durch wildromantische Landschaften, bei der sie durchaus den Allradantrieb ihres Mietwagens gebrauchen konnten, kommen sie gegen acht Uhr Abends ins Hotel. Sie freuen sich noch auf ein letztes Bad im Meer und ziehen sich in Windeseile um. Am nächsten Morgen müssen sie zeitig aufbrechen, um ihren Flieger zu bekommen. Nach einem letzten, guten Frühstück verlassen sie das Hotel. Signora de Cinova steht höchstpersönlich an der Rezeption und macht ihre Rechnung fertig. Sie wünscht allen eine gute Heimreise und gönnt Giorgio zum Abschied einen leicht wehmütigen letzten Blick. Fortsetzung folgt jeden Freitag…

Kapitel 04 – Eine folgenschwere Entscheidung