Kapitel 09 und Kapitel 10
09. Korsika wir kommen
Wie schon bei der Reise nach Elba, erfasst sie auch diesmal nach etwa drei Meilen ein günstiger ablandiger Wind, bläht die Segel voll auf und führt die Catalina in einer leichten Schräglage genau auf den richtigen Kurs. Giorgio und Flo liegen entspannt in den Deckchairs auf dem Sonnendeck und schauen verträumt in die vollen Segel.
„Pap´s“, Giorgio ist schlagartig alarmiert, denn Pap´s sagt Florentine nur, wenn irgendetwas im Busch war. „Pap´s, was wäre das schön, wenn Mam dass miterleben könnte. Meinst Du sie hätte sich anders entschieden? „Das habe ich mich in den letzten Monaten oft gefragt, aber heute bin ich mir sicher, sie hätte genau die gleiche Entscheidung getroffen. Eure Mam war doch immer reiselustig und den bildungsmäßigen Wert solch einer Reise hätte sie bestimmt auch erkannt. Aber Du hast Recht, es wäre schön, wenn sie jetzt an unserer Seite sein könnte.“ Er spürt, dass solche Gedanken von Flo nicht aus einer traurigen Stimmung heraus kommen, sondern eher im Gegenteil. Flo ist so glücklich, das sie ihr Glück mit ihren Lieben teilen will und dazu gehört eben auch ihre Mutter, auch wenn sie nicht hier sein kann.
Pia steht am Ruder und genießt es, das dieses schöne Schiff ihr so willig gehorcht. Der Wind spielt mit ihren langen blonden Haaren. Giorgio hat das Gefühl, das auch Pia gerade ähnliche Glücksmomente, wie ihre Schwester durchlebt. Max ist mit den verschiedenen technischen Geräten im Ruderhaus beschäftigt, nimmt hin und wieder eine Peilung vor und stößt plötzlich aufgeregt hervor: „Das gibt’s doch gar nicht, Giorgio, komm mal schnell! Ich glaub unser Echolot ist kaputt. Die ganze Zeit hat es eine Tiefe zwischen fünfzig und hundertfünfzig Metern angezeigt und jetzt plötzlich innerhalb einer halben Minute sind es über dreitausend Meter. Was kann das sein?“ „Na dann schau doch mal in die Seekarte, da siehst Du, das wir eben den Festlandsockel verlassen haben und uns jetzt auf dem tiefen Teil des Meeres befinden. Übrigens hat mir Luigi erzählt, dass es an dieser Stelle des Öfteren auch zu Tsunamis kommt. Das Gestein ist an der Kante des Grabens sehr weich und das Geröll was aus den Flüssen heran geschwemmt wird, rutscht dann in größeren Mengen über den Abhang und reißt oft ganze Hänge mit in die Tiefe. Durch diese Wasserverdrängung können auch hier an der Riviera kleinere Tsunamis entstehen.“ Heute ist davon jedenfalls nichts zu spüren, sie genießen den warmen Frühlingswind und die Sonne.
„Wenn das so weitergeht, sind wir in zwei Stunden schon da, die Insel ist schon schwach im Dunst zu erkennen!“ ruft Max. Sie haben vor, den Korsischen Hafen Bastia anzusteuern und sich bereits vorher bei den Hafenbehörden einen Liegeplatz zuweisen lassen, da ihr fünfundvierzig Meter Schiff ja nicht überall anlegen kann. Bastia hat drei Häfen und man hat ihnen Vieux Port, den südlichsten zugewiesen, womit Giorgio äußerst zufrieden ist. Hat er doch im Reiseführer gelesen, dass dies der schönste der Häfen sein soll, da er mitten in der Altstadt liegt. Der Nachteil ist, dass sie keinen Liegeplatz am Kai bekommen, sondern einen Ankerplatz auf der Innenseite der Mole, also auf Reede liegen müssen und nur mit dem Beiboot an Land kommen.
Als Orientierungspunkt steuern sie zunächst auf das Cap Corse zu um es östlich zu umrunden. Diese, wie ein langer Finger Vorgelagerte Landzunge ist, wenn man von Italien kommt, ein prächtiges Erkennungsmerkmal und Schiffen eine gute Orientierungshilfe. Die Catalina hält unter vollen Segeln auf das Cap Corse zu und ist noch etwa eine halbe Seemeile davon entfernt, als Giorgio Segel reffen läßt, was kein großes Problem darstellt, da ihr Schiff über eine moderne Rollreffanlage verfügt. Die Catalina verliert langsam an Fahrt und auch die, bis dahin beibehaltene Schräglage. Giorgio steht selbst am Ruder und ändert den Kurs gemächlich um das Cap herum Richtung Süden. Durch diese Kursänderung müssen sie auf plötzlich auftretende Fallböen achten. Die Catalina rollt plötzlich unangenehm in der starken Dünung. Giorgio hat sich schon lange gefragt, ob wohl einer der Kinder mit Seekrankheit zu kämpfen haben wird, dabei aber an Max, Pia, Flo oder Theresa gedacht. Aber derjenige, dem es jetzt wirklich schlecht geht und an den er nicht gedacht hat, ist ihr treuer Kolumbus. Der lag regungslos an Deck, alle vier Pfoten von sich gestreckt, den Kopf fest auf die Planken gepresst. Er hat sich mehrfach übergeben und bietet ein Bild des Jammers. Theresa kümmert sich rührend um ihn und hat sogar eine Tablette gegen Seekrankheit in Wasser aufgelöst und versucht, sie ihm einzuflößen. „Armer Kolumbus, bald geht’s Dir wieder besser. Aber wenn Du ein richtiger Schiffshund werden willst, musst Du da einfach durch,“ versucht sie ihn zu trösten.
Aber auch sie selbst und genauso Flo haben leichte Übelkeitsgefühle und kämpfen tapfer gegen die Seekrankheit an. Giorgio sieht das und ruft ihnen ungerührt und leicht grinsend zu: „Besser am Anfang, da könnt Ihr Euch gleich richtig dran gewöhnen. Später habt Ihr dann keine Last mehr damit. Nehmt eine Tablette und in zehn Minuten ist alles vergessen!“ Kaum sind Sie um das Cap herum, beruhigt sich das Meer und das Rollen des Schiffes hört schlagartig auf. Sie fahren noch ungefähr zehn Meilen an der Ostküste entlang bis Bastia und haben einen herrlichen Blick auf die grün bewachsene Steilküste.
„Wie lange wollen wir eigentlich in Bastia bleiben?“ fragt Pia. „Solange es uns gefällt, schließlich wollen wir doch die Insel etwas erkunden, oder etwa nicht?“ Giorgio rückt seine Sonnenbrille zurecht und sieht auf die langsam in der Ferne auftauchende Stadt. „Ich habe in unserem Reiseführer gelesen, das Bastia ungefähr vierzigtausend Einwohner hat und sich den Berg hinaufzieht. Die mittelalterliche Altstadt ist jedoch unten um die Häfen angeordnet. Es gibt jede Menge Cafés, Restaurant´s und Boutiquen im Hafenviertel“ Die Shopping-verrückte Flo hört interessiert zu und überlegt schon, nach was sie wohl Ausschau halten soll. Max hat alle Segel eingeholt, Giorgio steuert langsam mit Motorkraft an den beiden ersten Häfen vorbei und hält Kurs auf die Einfahrt von Vieux Port. Auf der Backbordseite, hinter einem altertümlichen Fischerboot hat der Hafenmeister für die Catalina einen größeren Liegeplatz reserviert. Nach einer Ankerpeilung steuert Giorgio langsam darauf zu und gibt dann das Kommando „Werft Anker!“ Max läßt zunächst den Heckanker und Pia und Flo zusammen den Buganker zu Wasser.
Das Schiff fast Grund und liegt kurz darauf ruhig im Hafenbecken. Der Hafenmeister dümpelt mit einem knatternden Holzboot heran und will, nach kurzer Begrüßung, die Schiffspapiere, mit dem für Frankreich obligatorischen Zertifikat und die Pässe sehen. Außerdem das Impfzeugnis und den Nachweis eines Microchips von Kolumbus. Der hat bereits seine Seekrankheit vergessen und knurrt den Eindringling böse an. Er hat überhaupt keinen Respekt vor Amtspersonen. Dieser setzt eine amtliche Miene auf, drückt wichtige Stempel in die Schiffspapiere und läßt einen kurzen, bewundernden Blick über das Deck schweifen, klettert dann wieder in seine Nussschale und tuckert zurück. „Ich glaub, die Bürokratie in Frankreich ist auch nicht besser als bei uns,“ seufzt Theresa. „Ach, da hab ich schon ganz andere Typen erlebt,“ raunzt Giorgio und gibt gleich darauf die Kommandos: „Deck klarmachen und Beiboot zu Wasser lassen!“
„Ich hab gelesen, dass man auf Korsika besonders aufpassen muss, hier wird viel geklaut. Also Mädels, passt auf Eure Handtaschen auf. Auch Fahrräder sind eine beliebte Beute,“ gibt Max zum besten. „Am sinnvollsten ist, gar keine Taschen mitzunehmen!“ schlägt Pia vor.„Wenn wir an Land gehen, werden wir den Niedergang und das Ruderhaus gut abschließen und Kolumbus zur Sicherheit als Decks Wache hier lassen. Aber, da wir nicht am Kai liegen sonder sozusagen auf Reede, ist die Gefahr nicht ganz so groß,“ vermutet Giorgio.
„Können wir dann los?“ drängt Max und hört sofort einen dreistimmigen Protest von Theresa und seinen Schwestern. „Du spinnst doch!“ Flo ist entrüstet. „Du kannst doch von uns nicht erwarten, dass wir so an Land gehen. Wir müssen erst Duschen und die Haare waschen und was ich anziehen soll, weiß ich auch noch nicht!“ Giorgio grinst nur und verkneift sich jeden Kommentar. Sein Sohn ist nicht so ängstlich und lästert: „Na, das kann ja dauern. Mit Weibern kann man einfach nichts spontan machen. Es ist zum Weinen!“ Theresa reicht ihm wortlos ein Taschentuch. Als er sie fragend ansieht, meint sie nur spöttisch: „Du willst doch weinen.“ Schon verschwinden die drei Schönen zum aufbrezeln in ihren Kabinen.
Nach anderthalb Stunden schließlich könnenen sie endlich das Beiboot entern und an Land fahren. Kolumbus steht an der Reling und bellt missmutig hinter ihnen her. Kaum haben sie den Kai verlassen, befinden sie sich schon mitten im Trubel der Altstadt. „Giorgio.“ Flo sieht ihren Vater mit unschuldigem Blick an, „können wir nicht ein bisschen Shopping machen?“ „Also, ich schlage vor, wir machen erst einen kleinen Stadtbummel zur Orientierung. Max und ich setzen uns dann in irgendeine nette Bar und trinken einen Kaffee oder Pastis und Ihr könnt Euch auf die Boutiquen stürzen. Aber denkt dran, wenn Ihr das in jedem Hafen machen wollt, quillt unser Schiff bald über. Euer Geldbeutel hält das auch nicht lange aus!“ „Ach Giorgio, man merkt, dass Du schon lange keinen Einkaufsbummel mehr mit einer Frau gemacht hast. Wir wollen doch nicht immer gleich einkaufen, sondern haben am Geschäfte durchstöbern oder anprobieren unseren Spaß.“ klärt Pia ihn nachsichtig auf. „Na, dann ist es ja gut. Wenn uns das zu lange dauert, fahren wir zurück aufs Schiff, Ihr könnt uns ja dann anrufen, wenn das Wassertaxi gewünscht wird.“ brummt er leicht eingeschnappt.
Also bummeln sie langsam in Richtung Place du Marche an allerlei interessanten Gebäuden und Geschäften vorbei. Endlich erspähen sie ein kleines, typisch Französisch angehauchtes Bistro´. Giorgio steuert geradewegs darauf zu. „Jetzt haben wir uns gerade erst an italienisch gewöhnt und schon ist wieder französisch gefragt,“ mault Flo, die in der Schule zwischen Französisch und spanisch wählen konnte, sich dann aber für spanisch entschieden hatte. „Keine Angst Schwesterchen, Deine Stunde kommt auch noch. Spätestens an der Costa Blanca musst Du ran. Hier lass mal die Erwachsenen machen!“ „Max, Du bist ein echter Spinner. Als wenn Du noch großartig was von Deinem Schulfranzösisch behalten hättest.“ unterstützt Pia ihre Schwester.
Der Kellner, der mitbekommen hat, das sie Deutsch sprechen, fragt amüsiert in akzentfreiem Deutsch: „Guten Tag, was kann ich Ihnen bringen?“ „Mann, woher können sie so gut Deutsch?“ wundert sich Max. „Ich bin Deutscher. Ich studiere in Marseille Meeresbiologie und hab grade Semesterferien. Da helfe ich einem Freund hier im Café´ aus.“ erklärt er. „Siehst Du, jetzt kommst Du noch nicht mal in Verlegenheit!“ lästert Flo mit Blick auf Max und bestellt für alle Café.
„Ich schlage vor, wir ziehen jetzt los,“ schlägt Theresa nach einer Weile vor und die drei Schönen schreiten zielstrebig in Richtung der zahlreichen Boutiquen. Giorgio und Max sehen ihnen hinterher und Max stellt nüchtern fest: „Unsere drei Mädels sind schon ein schöner Anblick, auch wenn es manchmal ganz schöne Zicken sein können.“ Giorgio grinst und meint: „Die müssen wegen ihres Aussehens hier im Süden aufpassen, das sie nicht einen ganzen Rattenschwanz von Verehrern hinter sich herziehen. Vor allem Pia mit ihren langen, blonden Haaren, aber auch Flo, mit ihrer sexy Figur. Theresa geht ja schon eher als südländischer Typ durch, aber wir sollten ein bisschen die Augen offen halten!“ „Die bringt doch jeder freiwillig sofort zurück, Giorgio,“ lästert Max. „Sprich nicht so respektlos von Deinen Schwestern und Deiner Freundin, sondern pass lieber auf, dass Dir kein anderer Theresa wegschnappt. So einen Goldschatz findest Du nicht so oft im Leben und jetzt lass uns weitergehen. Wir schauen uns noch ein bisschen die Stadt an und fahren dann zurück aufs Schiff. Ich möchte Kolumbus beim ersten Mal nicht zu lange allein lassen und außerdem soll er auch noch Gassi gehen!“
Sie sehen sich noch die Zitadelle mit dem Gouverneurspalast und das Operngebäude an. Dann schlendern sie langsam zurück zum Hafen. Max sieht direkt am Hafenrand einen Vespa Verleih und ruft: „Das ist es, ich werde morgen mit Theresa einen Ausflug über die Insel mit so einem Ding machen. Das ist doch viel besser als ein Auto und auch nicht so teuer, oder?“„Aber seid vorsichtig, die Straßen hier sind nicht so gut und als tolle Autofahrer sind die Korsen nicht gerade berühmt.“
Sie kommen an die Stelle, wo sie ihr Beiboot vertäut hatten und starren jetzt nur auf das dunkle Wasser. „Das gibt’s doch nicht!“ ruft Giorgio, sein Blick geht sofort zur Catalina hinüber. Aber auch da war kein Beiboot zu entdecken. Ihr Schiff liegt ruhig an seinem Ankerplatz und es ist nichts Auffälliges zu sehen. Nur das Kolumbus an Deck unruhig hin und her läuft. „Soviel zum Thema, auf die Mädchen aufpassen, Giorgio. Den Streich haben die doch ausgeheckt und lauern hier irgendwo hinter einem der Schiffe, beobachten uns und lachen sich halb tot über unsere dämlichen Gesichter.“ „Glaub ich nicht, so kindisch sind sie nicht. Da steckt was anderes hinter. Lass uns zunächst mal den Kai entlanggehen, bis hinten zur Bude des Hafenmeisters. Dem können wir den Diebstahl auch gleich melden.“ Sie laufen an der Wasserkante entlang und gucken hinter jedes Schiff, in der Hoffnung, ihr Dingi irgendwo zu sehen.Sie sind schon fast am Büro des Hafenmeisters, als Max plötzlich ihr Boot mit der Aufschrift „Piccolo Catalina“ entdeckt. Es liegt fest vertäut an der alten Treppe, die dort ins Wasser führt. Kein Mensch war zu sehen.
Giorgio stürmt jetzt leicht gereizt in das Büro des Hafenmeisters und knurrt ihn auf englisch an, was das denn solle und warum man ihr Boot mehrere Hundert Meter weiter hierher geschleppt hat. Der schaut Giorgio wieder mit seiner amtlichen Miene an und erklärt ihm in holprigem englisch, das Jugendliche das Boot losgemacht haben und es herrenlos im Hafenbecken herumgetrieben sei. Er hat es, bevor ein Schaden passieren kann, eingesammelt und hierher gebracht. Er ist jetzt sehr freundlich und schenkt den verhinderten Seefahrern erst mal einen Pastis zur Beruhigung ein, entschuldigt sich sogar für die Jugendlichen und lädt Giorgio und Max ein, sich zu ihm zu setzen. Er erzählt jetzt wie ein Wasserfall von seinen Erlebnissen hier im Hafen. Nach dem vierten Pastis, oder war es schon der fünfte oder sechste, zeigt dieser langsam seine Wirkung. Alle drei witzeln und lachen und sind bereits beste Freunde. Nach einer ganzen Weile klingelt Giorgios Handy. Er meldet sich mit nicht mehr ganz nüchterner Stimme „Commandante Vieux Port!“ Gustave, ihr neuer Freund schreit fast vor lachen, so das Giorgio kaum verstehen kann, wer anruft. „Ach, unsere Ladys wollen aufs Schiff gebracht werden. Wir sollen an Land kommen und sie holen. Ihr Süßen, wir sind an Land. Die hohe Obrigkeit hat unser Boot geklaut und jetzt ist es wieder da, aber nicht da, wo Ihr seid, sondern hier wo wir sind. Also kommt her und feiert mit.“
„Wo seid Ihr denn?“ ruft Flo völlig irritiert, da sie ihren Vater noch nie so benebelt erlebt hat. „Na hier bei Gustave, unserem Freund und Hafenmeister von diesem gottverlassenen Hafen.“ Er legt auf und genehmigt sich noch einen Pastis. Zehn Minuten später geht die Tür auf und die Mädchen kommen herein. Pia überblickt das Chaos als Erste und ruft: „Mädels, ich glaub es gibt Arbeit. Die beiden Seebären sind jedenfalls absolut fahruntüchtig und gehören in die Koje, also fast mit an, wir bringen sie zum Boot, oh, Männer!“ Giorgio und Max versuchen einen schwachen Widerstand und wollen ihnen auch einen Pastis einschenken, aber die Mädchen greifen nun resolut durch und schleifen die verhinderten Seefahrer zu ihrem Boot. „Zum Glück ist es jetzt so dunkel, das uns keiner mehr sieht. Wäre schon peinlich, wenn andere sehen können, wie ein besoffener Käptn und ein besoffener Leichtmatrose sich von der weiblichen Mannschaft aufs Schiff bringen lassen müssen.“ Pia amüsierte die Situation sehr. Flo und Theresa lachten ebenfalls.
„Ihr neuer Freund Gustave schläft bestimmt schon friedlich in seinen Bürosessel,“ vermutet Flo. Giorgio und Max waren jetzt merkwürdig still. Die Mädchen hieven sie mit vereinten Kräften an Bord der Catalina und schleifen sie dann in ihre Kojen, wo Giorgio und Max sofort einschlafen. Kolumbus vollführt einen Freudentanz, das er nun nicht mehr alleine ist. Theresa bemerkt trocken, „Ihr habt´s gut Mädels, Ihr könnt alleine schlafen. Ich hab nun so einen besoffenen Bettgenossen in meiner Koje, der schnarcht bestimmt!“„Ach, wenn´s zu schlimm wird, kannst Du ja zu mir oder zu Flo ins Bett krabbeln.“ „Ich mach uns jetzt erst mal was zu Essen. Kolumbus muss auch noch was haben!“ Flo denkt pflichtbewusst an ihre Aufgabe und lästert: „Wenn der Käptn schon blau ist, muss wenigstens der Smutje nüchtern bleiben.“
Nach einem gemütlichen Abendessen bei Kerzenschein auf dem Sonnendeck, steuern die Mädchen auch langsam die Koje an. „Hätte nie gedacht, dass man hier Mitte März Abends um zehn noch draußen sitzen kann,“ wundert sich Flo und verschwindet in ihrer Koje. Theresa hat sich im Bad ausgezogen, geht dann im Nachthemd in ihre Kabine, wo Max friedlich, ohne Schuhe und Hose, aber sonst noch voll angezogen auf dem Bauch liegend, seinen Rausch ausschläft.Sie ist noch keine fünf Minuten im Bett, als er sich auf den Rücken dreht und kurz darauf anfängt, fürchterlich zu schnarchen. Theresa rüttelt ihn, aber das hilft nur für einen Moment. Sie überlegt ob sie Wasser zu Hilfe nehmen soll, findet das aber dann doch zu brutal. Da sowohl Flo, als auch Pia ihr angeboten haben, bei ihnen zu schlafen, greift sie sich kurz entschlossen ihr Bettzeug und marschiert aus der Kabine. Sie überlegt einen Moment, zu wem sie ins Bett kriechen soll und entscheidet sich dann für Pia, da Flo ja auch schon Kolumbus beherbergt.
Sie macht leise die Tür von Pias Kabine auf und stellt fest, das noch Licht brennt. Pia sitzt, nur noch mit einem schmalen Slip bekleidet, an ihrem Schminktisch und lackiert sich ihre Fußnägel. „Darf ich Dein Angebot annehmen, Pia,“ fragt Theresa. „Max sägt ganze Wälder ab, das ist nicht zum aushalten.“ Sie bewundert wieder einmal Pias makellosen, gut gewachsenen Körper. „Wieso hast Du bei so einer Figur eigentlich keinen Freund? Dir müssen die Kerle doch in Scharen nachlaufen!“ „Erstens hatte ich, wie Du weißt bereits mehrere Freunde, aber der Märchenprinz war noch nicht darunter und zweitens bin ich auch etwas anspruchsvoll und warte lieber auf den Richtigen. Außerdem brauchst Du Dich mit Deiner Figur und Deinem Gesicht ja wohl auch nicht verstecken, oder?“ Sie betrachtet, süffisant lächelnd Theresas feste Brüste, die sich unter dem dünnen Nachthemd gut abzeichnen. „Du bist doch auch kein Falter, der von einem Ast zum anderen flattert und nichts anbrennen lässt. Du hast mit Max Glück gehabt. Das sage ich, auch wenn er mein Bruder ist, aber solche Männer findet man heute nicht so oft.“ „Das stimmt, Pia, Max ist wunderbar und ich liebe ihn sehr. Wenn ich ihn nicht hätte, würde ich mich wahrscheinlich auch schwer tun, mit den Kerlen.“
„Ich hoffe, Du kannst das nach unserer Reise auch noch sagen. Es ist schon eine Belastungsprobe für die Liebe, so lange und so eng zusammen zu leben. Ich wünsche Euch, dass Ihr das schafft. Du, als Schwägerin, das wäre schon toll. So, nun lass uns ins Bett kriechen und schlafen.“ „Deine Familie ist schon was besonderes Pia, so viel Harmonie und Verständnis findet man auch nicht so oft.“ „War aber auch nicht immer so. Wir sind durch Mam´s Tod so zusammengeschweißt worden. Ich glaub, das war für uns alle überlebensnotwendig. Früher sind unter uns Kindern ganz schön oft die Fetzen geflogen. So, jetzt halt die Klappe und lass uns schlafen.“„Schläfst Du immer nackt?“ will Theresa noch wissen. „Nee, im Winter nie, aber sonst finde ich es toll, man fühlt sich so frei.“ „Mach ich ja eigentlich auch, aber hier hab ich mich nicht getraut,“ sprach´s, streift sich ihr Nachthemd ab und kuschelt sich an Pia. „Theresa ich glaub, wir sollten lieber die Tür abschließen, sonst kommen die anderen bloß auf blöde Ideen und halten uns am Ende noch für Lesben.“
„Bloß das nicht, dazu ist es mit Max viel zu schön. Obwohl, ehrlich gestanden wüsste ich schon gern mal wie das ist mit einer Frau, nur so interessehalber,“ gesteht Theresa und Pia flüstert: „Ich eigentlich auch, aber irgendwie hab ich auch Angst davor. Wir sind halt etwas konservativ erzogen. Sie umarmten sich und fühlten beide ein heftiges Kribbeln im ganzen Körper. „Du, vielleicht sind wir zwei ja Bi?“ überlegt Theresa. „Mit Max ist die Liebe toll, aber mit Dir kann ich mir das auch vorstellen, aber irgendwie anders, mehr so sexuell, verstehst Du?“ „Ich glaube, dass Frauen sich eher auf beide Geschlechter einlassen können als Männer.“ sinniert Pia. „Aber bevor wir jetzt noch auf dumme Gedanken kommen, lass uns lieber schlafen.“ Sie drehen sich um und schliefen sofort ein.
Am nächsten Morgen, oder besser gesagt Vormittag wachen die beiden Pastis Vernichter mit ziemlich dickem Kopf auf. Flo hat bereits ein Frühstück inklusive Kopfschmerztabletten hingestellt Die Mädchen liegen, in ihre knappsten Bikinis gezwängt, auf dem Vordeck und nehmen ein Sonnenbad. „Wollt Ihr nicht heute eine Vespa mieten, Theresa?“ fragt Flo. „Ja, aber der Herr kommt ja nicht aus dem Bett und muss dann bestimmt erst seinen Kater pflegen. Also heute wird das wohl nicht mehr viel. Aber wollt Ihr nicht fahren?“ „Nöö, zwei Mädchen alleine durch die Gegend, da denken die Kerle doch bestimmt gleich wieder, wir wären Freiwild. Aber wenn Ihr morgen fahrt, frage ich Giorgio, ob wir nicht auch ein Auto für einen Tag mieten können, um die Insel zu erkunden, aber der muss erst mal wieder nüchtern werden,“ grinst Flo.
„Also, ich habe freiwillig das Führen des Logbuch´s übernommen und das werde ich jetzt mal beginnen.“ Pia steht auf und läuft in den Salon. „Wofür ist so ein Logbuch eigentlich gut, Flo?“ will Theresa wissen. „Ach da wird alles rein geschrieben, was wir auf See oder in den Häfen erlebt haben, der Kurs, besondere Vorkommnisse, Wetterbedingungen, Probleme mit der Mannschaft oder dem Schiff, Proviant Aufnahme, Tanken und so weiter!“ „Dann muss da ja auch rein, das der Käpt´n und der Leichtmatrose besoffen waren!“ kichert Theresa und Flo stimmte ein.Als Pia zurückkommt meint Flo gleich: „Pia, schreib als Erstes rein, das ein Teil der Mannschaft und der Käpt´n besoffen waren!“ „Wenn ich das schreibe, holt Giorgio uns Kiel oder hängt uns am Mast auf,“ lacht Pia.
Eine Stunde später ist auch der männliche Teil der Besatzung wieder vollzählig versammelt, wenn auch mit etwas leidendem Gesichtsausdruck. Giorgio fragt Theresa in ihrer Eigenschaft als Proviant Meisterin: „Welche Vorräte müssen ergänzt werden und was habt Ihr entdeckt, was unbedingt fehlt und was wir hier besorgen müssen?“ „Eigentlich nur Frischwaren, also Obst, Gemüse und Fleisch, Wurst und Käse. Und Nähzeug haben wir vergessen. Alles andere haben wir gut geplant und ist reichlich vorhanden, Käpt´n Giorgio,“ meldet Theresa pflichtbewusst. „Dann werden wir das nachher besorgen, Theresa!“ Danach erzählt Giorgio den Mädchen, was gestern überhaupt passiert ist, wie es zu dem Besäufnis kam. Er kann selbst schon wieder darüber lachen. „Wir sollten die Leine vom Boot lieber irgendwie abschließbar machen, damit uns das nicht noch mal passiert“, schlägt Max vor. „Gute Idee, ich hab drüben an dem kleinen Platz ein Geschäft für Segelausrüstung gesehen, da müssen wir mal gucken, Theresa.“ Giorgio ist schon wieder fast der Alte.
„Außerdem schlage ich vor, das wir den Tag zum Einkaufen nutzen. Heute Nachmittag kann jeder machen, was er möchte und morgen können Theresa und Max wunschgemäß ihre Vespatour machen. Wir Drei mieten uns ein Auto, wenn Ihr wollt und erkunden ein bisschen die Insel.“ Er sieht Pia und Flo fragend an. „Das wollte ich auch vorschlagen,“ ruft Flo dazwischen.
„Übermorgen, gegen acht laufen wir dann zu unserem Nächsten Ziel, Marseille aus, wenn es den Herrschaften recht ist,“ doziert der Käpt´n ungerührt weiter. „Du bist der Käpt´n und bestimmst hier“ schleimt Flo grinsend. So ist an diesem Nachmittag jeder mit seinen persönlichen Dingen beschäftigt. Flo zaubert zwischendurch eine kleine Stärkung in Form einer großen Platte köstlichem Bruschetta, die bei allen heiß begehrt sind.
Nachdem Giorgio mit seinem Partner telefoniert hat, erscheint er bester Laune wieder an Deck und verkündet zufrieden: „Ich muss nur wegfahren und schon läuft der Laden. Wir haben endlich den Zuschlag für das neue Gebäude der Hafenverwaltung in der Hafencity bekommen. Die Vorentwürfe haben Hubertus und ich schon vor fast einem Jahr gemacht und jetzt ist endlich die Entscheidung gefallen und wir haben den Zuschlag bekommen. Das bedeutet, dass unser Büro für mindestens ein Jahr ausgelastet ist. Bloß gut, dass wir noch einen Ingenieur eingestellt haben. Einige Berechnungen werde ich auch zwischendurch von hier aus machen und Hubertus per Email zuschicken. Dann kommen wir ganz gut zurecht. Das ist heute Abend eine gute Flasche Wein wert!“ ruft er fröhlich. „Wieso Wein, bei solchen Anlässen trinkt man hier Champagner, schließlich gehört Korsika zu Frankreich!“ verkündet Flo. „Na gut, dann eben Champagner,“ gibt Giorgio nach.
Abends feiern sie in einem kleinen Altstadt Restaurant und verwöhnen sich mit der korsischen Spezialität Bastellee. Das ist in Olivenöl gedämpfte Ochsenzunge, die im Brotteig gebacken und mit reichlich Kräutern und Römerkohl serviert wird. Als Nachspeise gibt es verschiedenen korsische Käse. Es bleibt auch nicht bei einer Flasche Champagner, nein Giorgio musste gleich zwei Flaschen springen lassen. „So einen Auftrag erhält man ja schließlich nicht alle Tage,“ bemerkt Pia trocken.
Bereits um 8°° Uhr am Morgen machen sich Theresa und Max zu ihrer Vespa Tour auf während Pia, Flo und Giorgio sich in der Altstadt einen Fiat für einen Tag mieten. Flo wartet mit Kolumbus draußen, um endlose Diskussionen mit dem Autovermieter wegen des Hundes zu vermeiden.Max und Theresa wollen in den Westen der Insel, Richtung Ajaccio und sich die Geburtsstadt Napoleons ansehen. Anschließend an den breiten Stränden dort in der Nähe ein erstes Bad im Mittelmeer nehmen, nachdem sie gehört haben, dass das Wasser dort bereits über zwanzig Grad warm sein soll. Pia vermutet jedoch „Die wollen bloß mal zu zweit alleine sein und nicht immer die Familie im Schlepptau haben.“
„Was haltet Ihr davon, erst mal nach Süden zu fahren in Richtung Bonifacio um uns da umzuschauen. Dann können wir uns später auch in Ajaccio Napoleons Geburtsstätte ansehen. Von dort dann langsam zurück über die Berge nach Bastia.“ „Spannend klingt das ja nicht gerade, Giorgio, aber wir können ja mal losfahren,“ meint Pia gönnerhaft. Sie fahren die Berge hinauf in Richtung Corte. Kolumbus stolz wie ein Spanier auf dem Rücksitz. Für ihn ist nur wichtig, dabei zu sein.
„Corte war früher die Haupt-stadt der Insel. Sie hat eine Universität, aber nur knapp sechstausend Einwohner. Sehenswert soll die schöne Altstadt sein. Die sollten wir uns mal ansehen,“ zitiert Pia aus dem Reise-führer. „Na klasse, hier kann ich doch studieren, Giorgio. Hier gibt’s bestimmt keinen Numerus Clausus und wegen Überfüllung haben die hier sicher auch keine Probleme,“ vermutet Flo. „Natürlich, wo Du so gut Französisch sprichst,“ grinst er.
Nach einem ausgedehnten Bummel durch die Altstadt, fahren sie weiter Richtung Süden über höchst mittelmäßigen Bergstraßen.„Wir hätten besser einen Geländewagen mieten sollen!“ jammert Pia, die hinten ziemlich durchgeschüttelt wird. Nach ungefähr fünf Kilometern sehen sie schon von weitem zwei Figuren am Straßenrand neben einem Motorroller hocken. „Mensch, das sind ja Max und Theresa, was haben die denn?“ Flo hat die besten Augen. Beim heranfahren sehen sie, das Theresa einen blutüberströmten Knöchel hat und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Stein hockt. Max versucht Autos anzuhalten und war heilfroh, plötzlich seine Familie vor sich zu haben. „Was ist denn passiert?“ Giorgio sah sich Theresas Knöchel an. „Ach, auf dieser blöden Schotterpiste bin ich mit dem Vorderrad weggerutscht und mit der Kiste gestürzt. Theresa hat sich auf dem Schotter den Knöchel auf geschrammt. Verbandszeug haben wir natürlich nicht dabei!“ „Wie lange ist das her?“ will Giorgio wissen. „Ungefähr zehn Minuten,“ vermutet Max. Theresa hat jetzt doch Tränen in den Augen, teils vor Schmerzen und teils aus Erleichterung, das sie hier nicht länger in der Wildnis sitzen müssen.
Pia durchsucht den Fiat nach einem Verbandskasten und findet ihn unter einem der Vordersitze. Sie tränkt ein Tuch mit Wasser aus ihrer Wasserflasche und säubert vorsichtig die Wunde. Trotz des vielen Blutes, hat Pia den Eindruck, dass der Knöchel nicht verletzt ist und es sich offensichtlich nur um eine Fleischwunde handelt. Die Hautabschürfungen sind sicherlich schmerzhaft. Nachdem Pia die Wunde vorsichtig gesäubert und desinfiziert hat, kann Max fachmännisch einen Verband anlegen. Sie steht schon wieder auf, humpelt noch ein bisschen und stellt dann aufgeregt fest: „Max, Du hast ja auch was abbekommen. Was ist denn mit Deinem Arm los. Du hast ja ein Loch in der Jacke.“ Pia, die schon mehrfach erste Hilfe Kurse mitgemacht hat, sieht sich den Arm ihres Bruders an und stellt erleichtert fest: „Das ist nur eine Schramme, bis auf das Loch in der Jacke nicht weiter schlimm.“ „Was machen wir jetzt, Theresa will ja wohl kaum noch weiter mit der Vespa fahren und die Straßenverhältnisse sind wohl für Motorroller auch nicht gerade günstig.“ Giorgio sieht die Unglücksraben fragend an. „Ach Unsinn, ich fahre mit Max weiter. Ich bin ja von Dr. Pia und Dr. Max bestens versorgt worden und Max fährt jetzt noch vorsichtiger. Von so einer kleinen Schramme lässt sich eine Lauritzen nicht umhauen!“ “Hat die Vespa auch was abbekommen oder fährt sie noch,“ will Flo wissen. „Ach Quatsch, der Roller ist okay, ich hab auch nichts und wenn Theresa weiterfahren will, fahren wir jetzt nach Ajaccio und sehen mal, ob wir nicht doch baden können. Salzwasser soll ja eine heilende Wirkung auf Wunden haben.“
Max ist dieser Unfall sichtlich peinlich, er versucht das Geschehen runter zu spielen.„Bei dieser Straße braucht Ihr mindestens noch eine Stunde, bis an die Küste. Aber Reisende soll man ja nicht aufhalten. Ihr seid alt genug, um zu wissen, was Ihr tut.“ Giorgio ist doch etwas besorgt. „Bei dieser kurvigen und schlechten Straße frage ich mich, ob wir wirklich noch bis Bonifacio fahren sollen. Wir sind bestimmt noch über zwei Stunden unterwegs. Ich hab die Entfernung wohl unterschätzt. Was haltet Ihr den davon, wenn wir auch direkt nach Ajaccio fahren, wir hätten dann einfach mehr Zeit, uns alles anzusehen. Sonst sitzen wir die meiste Zeit nur im Auto, was ja für Kolumbus auch nicht so schön ist?“ „Du willst ja bloß Theresa und Max hinterher fahren um zu sehen, ob sie gut ankommen, Du alte Glucke,“ lästert Flo. „Aber von mir aus können wir das machen?“ Pia nickt auch zustimmend. Richtung Ajaccio wurde die Gegend wildromantisch, mit bizarren Felsformationen, steil abfallenden Schluchten und herrlichen Ausblicken auf das Meer.
Ajaccio ist ein lebhaftes Städtchen mit unmöglichen Verkehrsverhältnissen. Giorgio, der von Italien ja nun schon einiges gewohnt ist, kam hier aber doch an seine Grenzen. Vorfahrt hat grundsätzlich derjenige, der die besseren Nerven hat und das waren meist die Einheimischen. Nach endloser Sucherei wegen eines Parkplatzes finden sie schließlich eine Parklücke, nahe am Hafen. Giorgio entscheidet: „Hier fahre ich erst wieder weg, wenn wir nach Hause wollen.“ Pia hat sich über Handy bei Theresa nach deren Befinden erkundigt und ist beruhigt, als sie hört, dass die Beiden fünf Kilometer hinter Ajaccio ein verschwiegenes und menschenleeres Plätzchen an einem kleinen Strand gefunden haben. Ihrem Knöchel geht es wohl besser, Schmerzen hat sie kaum noch. „Um die müssen wir uns keine Sorgen machen,“ erklärt sie Giorgio. „Die schweben im Himmel der Verliebten.“
Sie sehen sich zuerst das Geburtshaus Bonapartes an. Anschließend entern sie ein kleines Bistro. Danach wollen sie sich noch die Chapelle Imperiale ansehen und die Kathedrale. Ajaccio soll auch mehrere interessante Museen haben, aber dazu reicht die Zeit nicht mehr und Giorgio will seine Töchter auch nicht mit zu viel Kultur überfordern. Die Mädchen wollen sich vor der Rückfahrt unbedingt noch die schönen Sandstrände ansehen. Giorgio fährt also ein Stück an der Küste entlang, Richtung Norden und wird auch bald fündig. Ein kleiner, aber feiner menschenleerer Sandstrand liegt vor ihnen. Pia meint: „Ich überlasse das Meer doch nicht nur Theresa und Max, Ich hab meinen Bikini bereits untergezogen und werde jetzt mal schnell in die Fluten hüpfen!“ „Du bist gemein, ich hab nichts dabei und würde auch gern eine Runde schwimmen!“ „Selbst Schuld, Schwesterchen, man muss immer auf alle Situationen vorbereitet sein.“ „Hast Du wenigstens ein Handtuch für mich?“ Flo sieht Pia flehend an. „Das kannst Du haben, aber einen zweiten Bikini hab ich nicht.“ Das interessiert Flo jetzt auch nicht weiter. Sie hat beschlossen nackt zu baden.
„Giorgio hat mich schon mal nackt gesehen und Du auch und wenn hier irgendwelche Spanner im Gebüsch hocken, kriegen die endlich mal was Knackiges zusehen!“ Schon hat sie sich ausgezogen und rennt Richtung Wasser. Pia hinterher. Beide trifft ein kleiner Schock, als sie sich in die Fluten stürzen. „Max ist ein Spinner, von wegen über zwanzig Grad. Das Wasser hat höchstens sechzehn Grad. Jetzt weiß ich auch, warum hier noch niemand ist!“ klappert Flo mit den Zähnen. Auch Pia versucht, sich warm zu schwimmen. Kolumbus ist jetzt auch nicht mehr zu halten und tobt wie ein wilder im Wasser herum. Die Mädchen haben nach fünf Minuten genug und schwimmen zurück.
Giorgio, der sich das kalte Erlebnis erspart, genoss sichtlich den Anblick seiner schönen Töchter und warf ihnen die Handtücher zu. „Jetzt geht’ s mir besser,“ verkündet Pia und Flo stimmt zu. „Wenn man die Kälte erst mal überwunden hat, ist es herrlich, Giorgio.“ „Nee, Ihr kriegt mich nicht dazu, ins Wasser zu gehen, ich werde erst reingehen, wenn wir weiter südlich gesegelt sind!“ verkündet er. Auf der Rückfahrt nach Bastia will Pia unbedingt mal fahren. Giorgio, dem die ewige Kurvenfahrerei sowieso langsam nervt, ist teils froh darüber, teils auch nicht. „Fahr nicht so weit in der Mitte, achte auch auf den Gegenverkehr, fahr nicht so schnell, schneide die Kurven nicht so!“ Als Beifahrer ist er denkbar ungeeignet, bremst immer mit und kann sich auf seinem Sitz nicht entspannen.
„Was willst Du eigentlich, Pia fährt doch Super. Diese blöden Pisten hier sind doch wirklich nicht leicht zu fahren und fürs erste Mal ist ihre Fahrweise richtig gut!“ verteidigt Flo ihre Schwester. „Ihr könnt bloß nicht ab, wenn Frauen auch etwas gut oder sogar besser können als ihr Machos!“ „Giorgio hält jetzt lieber die Klappe. Innerlich musste er zugeben, dass seine Älteste recht souverän fuhr.
Als sie den Fiat in Bastia zurück gegeben haben und langsam zum Hafen runter schlendern, sehen sie schon von weitem die Catalina in ihrer ganzen Schönheit in der Abendsonne glänzen. Pia entfährt ein Seufzer: „Mensch Giorgio, was hat sich unser Leben im letzten halben Jahr verändert. Ich glaub oft, dass ich das alles nur träume. Ich bin Onkel Victor für das Erbe ewig dankbar und froh, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Es ist alles so aufregend schön. Jeden Abend beim einschlafen, freue ich mich auf den nächsten Tag.“ Sie hat glänzende Augen und in diesem Moment fällt Giorgio wieder die große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter auf. Er legt zärtlich seinen Arm um sie. „Wir stehen ganz am Anfang unserer Reise. Ich wünsche mir, dass wir alle das am Ende auch noch sagen können. Aber Du hast Recht, wir müssen Onkel Victor wirklich dankbar sein!“
Flo stellt entsetzt fest, das ihr Beiboot schon wieder nicht mehr an seinem Platz an der Kaimauer lag. „Wer von Euch hat denn heute Morgen abgeschlossen?“ will sie wissen.
„Max hat abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen,“ erinnert sich Giorgio. „Seht mal, an Bord brennt doch Licht und unser Boot ist am Rumpf vertäut. Was ist denn da los? Theresa und Max können doch noch nicht zurück sein.“ Pia sieht im Geiste schon das ganze Schiff ausgeraubt oder zumindest durchwühlt. „Ich ruf Max mal an,“ entscheidet Flo und hört kurz darauf von Max, das sie schon vor zwei Stunden zurückgekommen sind, weil Theresas Knöchel doch noch angeschwollen ist und sie damit nicht mehr laufen kann. „Sie muss beim Sturz wohl umgeknickt sein und den Knöchel verstaucht haben.“ „Er holt uns gleich ab“, ruft Flo. Pia ist erleichtert, das die Erklärung so harmlos ist: „Wenn Max das nicht schon gemacht hat, werde ich Theresa einen Umschlag mit Essigsaurer Tonerde machen, damit die Schwellung zurückgeht. Viel mehr kann man nicht machen. Sie muss den Fuß nur schonen!“
Kapitel 10 – Marseille, oh la, la…
Am Morgen um halb acht hat Giorgio seine Mannschaft auf dem Sonnendeck ver-sammelt um das Ausfahrtmanöver und den Törn nach Marseille zu besprechen. Theresas Knöchel ist, dank der Behandlung von Pia und Max kräftig abgeschwollen. Sie humpelt schon wieder fröhlich herum. „Also Männer,“ beginnt der Käpt´n in Anspielung auf die fast nur männlich besetzte christliche Seefahrt, ohne Rücksicht darauf, dass die Hälfte seiner Besatzung weiblich ist, „Also, jetzt müssen wir zum ersten Mal unser Querstrahlruder einsetzen um aus diesem engen Hafenbecken raus zu kommen. Wir werden zunächst den Heckanker einziehen und dann den Rumpf drehen. Danach hoch mit dem Bug Anker und schon haben wir es geschafft. Segel setzen wir erst eine viertel Meile vom Land entfernt. Da wir fürs Erste Gegenwind haben werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als zu kreuzen. Ich hab mir den Wetterbericht geben lassen. Sonne, blauer Himmel, zweiundzwanzig Grad warm und Wind in Stärke vier aus Nordnord Ost. Nach meinen Berechnungen müssten wir bis Marseille ungefähr zweieinhalb bis drei Tage brauchen. Also los, holt das Beiboot ein und hievt Anker!“ Giorgio stellt sich ans Ruder und überwacht das Ablegemanöver.
Bei ihrer Hochsee Ausbildung scheinen sie doch eine Menge gelernt zu haben, freut er sich, denn sie führen alle Handgriffe routiniert aus. Er hat das Gefühl, das man sich auch in kritischen Situationen auf sie verlassen kann. Das Segelsetzen übernehmen Max und Pia. Theresa wird zum Logbuch schreiben verdonnert, da sie dabei ihren Fuß hochlegen kann, während Flo das benötigte Seekartenmaterial zusammenstellt und anschließend einen Vormittagssnack in Form einer herzhaften Gemüsesuppe serviert. Sie stellt fest, dass an dem Sprichwort: „Seeluft macht hungrig,“ durchaus was dran ist. Sie selbst, wie auch der Rest der Mannschaft können an Bord eigentlich immer essen.
Der Wind frischt, kaum das sie um Cap Corse herum sind, erheblich auf. Die ganze Crew hat mit dem ständigen kreuzen alle Hände voll zu tun. Zum Glück ist das Mittelmeer hier nicht so befahren, sodass ihnen nicht ständig andere Schiffe in die Quere kommen. Langsam verschwindet Korsika am Horizont. Sie haben jetzt nichts als Himmel und Wasser um sich. Die Catalina gleitet so elegant durch die Wellenkämme, dass sie fast das Gefühl bekommen, auf Schienen zu fahren. Wieder kommt der Ruf, „Klar zur Wende? „Ist klar!“ „Ree!“ „Über vorn!“ Schon dreht das Schiff sich wieder in den Wind und sie nehmen Fahrt auf. „Kurs West West Nord“ ruft der Kapitän.
Am späten Nachmittag dreht der Wind plötzlich auf Nordost und wird etwas stärker. Bei Windstärke fünf entwickelt sich eine höhere Dünung, die das Schiff trotz seiner Größe auf und ab tanzen läßt. Da Giorgio mit Vollzeug segelt und der Wind jetzt aus der gewünschten Richtung kommt, pflügt die Catalina mit etwa dreizehn Knoten durch das Wasser. Sie genießen diesen Ritt auf den Wellen. Keiner hat heute Probleme mit der Seekrankheit, auch Kolumbus nicht. Flo hat ihn vorsichtshalber mit langer Leine am Brustgeschirr angeleint, das er nicht bei einer schlingernden Bewegung über Bord gehen kann.Plötzlich tauchen neben ihnen, zum entzücken von Kolumbus, Delphine auf und begleiten das Schiff. Theresa, die im Bikini im Klüvernetz vor sich hin döst und dabei ihren Fuß hochlegen kann, bricht in Begeisterung aus, versucht mit ihnen zu spielen und ist glücklich, als sie mit großen Sprüngen aus dem Wasser springen um sich gegenseitig zu beäugen.
Genau so schnell, wie sie gekommen waren, sind sie auch wieder verschwunden.
Am Abend erklärt Giorgio: „Wenn der Wind so bleibt, sind wir morgen Abend schon da!“ Beim Essen legen sie fest, wie die Wachen eingeteilt werden sollen. Auch Theresa besteht auf einer Wache, aber Giorgio meint, das sie zuerst mehr Kenntnisse über die Seefahrt haben muss, um das Schiff alleine zu steuern. „Wenn Du uns beim Steuern und der Navigation öfter über die Schulter schaust, kannst Du bald auch mal ne Wache übernehmen, aber jetzt ist das noch zu früh. Außerdem kommen wir langsam in stärker befahrene Gebiete. Im Übrigen sollst Du Deinen Fuß noch ein bisschen schonen.“ Theresa mault etwas und meint, dass sie sich doch gerne nützlich machen möchte, muss Giorgios Entscheidung jedoch akzeptieren.
Also übernimmt Flo die Wache von acht bis elf, dann Max von elf bis zwei, Giorgio von zwei bis fünf und Pia von fünf bis acht. Alle nehmen ihre Wache sehr ernst und haben Order, bei den geringsten Vorkommnissen Giorgio zu wecken. Der hat zu diesem Zweck extra eine Gegensprechanlage angeschafft, die ihn ständig in Rufbereitschaft hält. Diese Nacht verläuft absolut friedlich.
Morgens bläst der Wind nur noch mit Stärke zwei bis drei, was ihre Fahrt stark verlangsamt. Die Sonne brennt ordentlich vom Himmel. Flo hat sogar ein Sonnensegel gespannt, da man sich auf See schnell einen Sonnenbrand holen kann.
Sie sitzen gutgelaunt um den Tisch am Steuerhaus herum. „Was hast Du berechnet, Giorgio, wann sind wir in Marseille?“ fragt Theresa. „Ich vermute, wenn der Wind uns weiterhin so gut gesonnen ist, das wir Marseille heute Abend gegen neun erreichen. Wir müssen daran denken, dass das ein riesiger Hafen ist. Ich überlege, ob es nicht besser wäre, wenn wir heute Nacht vor der Küste ankern und morgen früh in den Hafen fahren. Das spart auch Liegegebühren. Ich habe vorhin mit der Hafen Kommandantur gesprochen. Wir können einen Liegeplatz im Vieux Port, dem alten Hafen bekommen, allerdings sind für unsere Schiffsgröße nur begrenzt Liegeplätze vorhanden. Es kann daher sein, das wir am ersten Tag auf Reede liegen müssen.“ Der Hafen von Marseille besteht eigentlich aus drei Häfen. Dem alten Hafen, dem riesigen Stadthafen und etwas weiter nördlich dem Industriehafen, für Container- und Tankschiffe.Der alte Hafen, in dem Giorgio jetzt einen Liegeplatz zugewiesen bekommt, ist nicht nur der Schönste, sondern auch der Ursprünglichste, da dort außer Yachten, viele Fischerboote liegen und quirliges, südländisches Leben herrscht.
Nach einer hitzigen Debatte einigen sich die fünf darauf, Abends zu ihrem Liegeplatz zu fahren. Giorgio, der noch ein bisschen Bedenken vor dem fremden Hafengetümmel hat, gibt schließlich nach und seufzt: „Na gut, was uns nicht umwirft, macht uns nur härter. Aber da es das erste Mal ist, das ich mit einem so großen Schiff in ein solches Hafengetümmel fahre, müsst Ihr beim Navigieren helfen, ist das klar?“ „Wir können auch einen Hafenlotsen bestellen!“ meint Max spöttisch und macht, dass er aus Giorgios Reichweite kommt, da er sonst einen nassen Lappen ins Genick bekommt. Kurz bevor sie Marseille erreichen, segeln sie an einer kleinen Inselgruppe vorbei, zu der auch die Ile d´If gehört, die durch Alexandre Dumas Roman „Der Graf von Monte Christo“ weltberühmt wurde.
Es ist schon dunkel, als sie die Hafeneinfahrt erreichen, aber Sie können sich gut orientieren, da sich links und rechts der Einfahrt zwei hell erleuchtete Zitadellen erheben. Die beiden, vom Sonnenkönig Ludwig dem vierzehnten erbauten Fort St.Jean und Fort St. Nicolas. Links von der imposanten Einfahrt befindet sich der große Stadthafen mit über zwanzig Kilometer Kaianlagen. Der Hafenkommandant dirigiert sie auf die Westseite und bedeutet ihnen, nicht längsseits, sondern Heck seitig an der Pier festzumachen. Der gesamte Hafen ist hell erleuchtet, sie haben daher keine Sichtprobleme.
Die Segel haben sie längst geborgen und tuckern mit langsamer Kraft zu ihrem Bestimmungsort. Als sie diesen erreichen, stoppt Giorgio die Maschine, dreht die Catalina mit Hilfe des Querstrahlruder´s in die gewünschte Richtung und schiebt das Schiff langsam rückwärts in eine Lücke zwischen zwei weiteren größeren Yachten, an die Pier. Dort steht bereits ein Helfer, fängt die Leinen auf, die Max ihm zuwirft und vertäut sie fachmännisch an zwei Pollern. Pia und Theresa werfen den Bug Anker, holen dann die Gangway, die normalerweise seitlich runter gelassen, aber jetzt am Heck gebraucht wird.
Kaum haben sie die Gangway abgesenkt, werden sie auch schon von den Eignern der Yacht zu ihrer linken freundlich auf Deutsch begrüßt. „Ahoi, wir hören, Ihr sprecht Deutsch, obwohl Ihr die Italienische Flagge gesetzt habt. Wo kommt Ihr denn her?“ An Deck auf der Nachbar Yacht stehen zwei unverschämt gut aussehende Typen, etwa Ende zwanzig und ein ebenso gut aussehendes Mädchen im Alter von Flo und grinsen fröhlich herüber. „Wir kommen von Genua,“ antwortet Giorgio zunächst ausweichend weil er nicht gleich jedem ihre Lebensgeschichte erzählen will. „Von Lauenstein, Andreas von Lauenstein, das ist mein Bruder Tobias und das ist meine Freundin Olivia,“ stellt er sich vor. „Wir kommen aus Frankfurt, aber unser Kahn hat hier seinen Liegeplatz. Wir wollen in zwei oder drei Tagen ein bisschen das Mittelmeer unsicher machen und vielleicht die Cóte hoch segeln. Mal sehen, was so läuft. Einen schicken Kahn habt Ihr da, wie lang ist der denn?“ plappert er, ohne Luft zu holen.
Giorgio kann diese Sorte Angeber überhaupt nicht ab und antwortet knapp. „45 Meter.“ „Donnerwetter, mehr als doppelt so lang wie unser. Können wir uns den Morgen früh mal ansehen?“ „Mal sehen, Morgen haben wir viel vor!“ Giorgio wird immer reservierter und schaut flehend zu Pia und Flo, die die beiden Männer mit sichtlichem Vergnügen mustern. Max hat vorsichtig ein Auge auf die hübsche Olivia geworfen, achtet aber darauf, es wegen Theresa nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Die beiden Kerle waren ihm genauso unsympathisch, wie seinem Vater. Als sie unter Deck sind, wettert Giorgio: „Mann, solche Typen kann ich leiden. Von Beruf Söhnchen reicher Eltern, riesengroße Klappe, aber im Leben noch nichts geleistet. -Wir werden vielleicht die Cóte hoch segeln. Mal sehen was so läuft. Wenn ich so was schon höre, schüttelt es mich!“ „Aber Giorgio, Du musst doch zugeben, die Beiden sehen doch verboten gut aus, oder?“ Flo ist ganz hingerissen. „Schön und doof trifft es wohl am ehesten,“ grinst Pia etwas respektlos. Theresa pflichtet ihr bei.
Flo gibt aber nicht so schnell auf. „Dieser Tobias ist bestimmt nicht so doof wie sein Bruder und ist sogar noch solo. Den werd ich mir Morgen mal vornehmen!“ Sie setzt einen verträumten Blick auf und seufzt tief. Max sieht sie verständnislos an und raunzt: „Ich denke, Du liebst Laurin? Kaum ist er außer Sichtweite, schon machst Du fremde Kerle an, typisch Frau!“ „Das musst Du gerade sagen, wer hat sich denn die Augen aus dem Kopf gestiert bei der schönen Olivia?“ „Ich hab nur höflichkeitshalber geschaut und nicht lüstern, so wie Du,“ kontert Max. „Schluss jetzt mit Eurem Geplänkel. Wegen diesen netten Zeitgenossen, werden wir uns doch nicht in die Haare kriegen, oder?“ Pia ist mal wieder um Ausgleich bemüht.
Früh am Morgen scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel und verleitet die Crew der Catalina zu einem ausgiebigen Frühstück auf dem Sonnendeck. Nebenan rührt sich noch nichts. „Hoffentlich bleibt das noch ne Weile so,“ brummt Giorgio, der keine Lust auf eine Besichtigung der Catalina durch diese Angeber hat. „Ich muss gleich noch mal zum Hafenkommandanten um unsere Pässe abzuholen. Ihr überlegt Euch bitte in der Zwischenzeit, was wir noch einkaufen müssen. Frischwasser und Diesel reichen noch, beides werden wir erst in Spanien bunkern. Haltet bitte das Logbuch immer auf dem aktuellen Stand. Im Übrigen hat Marseille viel zu bieten, also sollten wir uns Gedanken machen, was wir uns ansehen wollen!“ „Ich glaub, ich bleib heute mal hier und relaxe ein bisschen in der Sonne. Zwischendurch klare ich die Kombüse auf“, erklärt Flo eilig.
Giorgio und Max sehen sich an und grinsen, da Flo´s Manöver zu durchsichtig ist. „Was willste denn von diesem Strand Gigolo Schwesterlein, der ist doch mindestens drei Nummern unter Deinem Niveau?“ Max ist sichtlich entsetzt, auch Giorgio meint: „Flo, Du hast so einen netten Freund, Ihr versteht Euch prima, plant sogar eine gemeinsame Zukunft, was soll also jetzt dieses Geplänkel mit so einem Vorstadt Casanova?“ „Davon versteht Ihr sowieso nichts, Ihr seid doch nur Männer. Ich will ihn doch nicht gleich heiraten aber er ist sooo süß und sieht sooo gut aus!“ Pia schaltet sich ein: „Lasst sie ihn doch kennen lernen. Wahrscheinlich wird sie ganz schnell von ihrem Bazillus kuriert. Wenn er sich jedoch wirklich als nett und nicht so angeberisch wie sein Bruder entpuppen sollte, hat Flo wenigstens einen netten Tag gehabt!“ „Na gut, aber Du machst keine Schiffsbesichtigung, zumindest nicht in unseren Kabinen. In Deiner kannst Du ja machen, was Du nicht lassen kannst,“ ruft Max aufgebracht.
„So und wir können, wenn Ihr Lust habt eine Stadtrundfahrt durch Marseille machen,
da sieht man am schnellsten die interessantesten Ecken der Stadt,“ schlägt Theresa vor. Pia, Giorgio, und Max sind einverstanden. Nach dem ihre Familie zur Sightseeingtour aufgebrochen ist und sich auf dem Nachbarschiff immer noch nichts tut, nutzt Flo die Gelegenheit, die Kombüse aufzuklaren. Dann zieht sie sich ihren schicksten Bikini an und legt sich, mit Zeitschriften bewaffnet auf dem Sonnendeck, in Position.Sie hat sich in eine unmögliche Situation manövriert und weiß auch, dass Giorgio und Max Recht haben. Sie kann und will es aber nicht zugeben. Das abenteuerliche Prickeln in ihrem Körper, gepaart mit der Lust am flirten ist einfach zu übermächtig. Der Gedanke an Laurin schießt ihr zwar durch den Kopf, aber sie verdrängt ihn gleich wieder, in dem sie sich selbst einredet: „Wenn überhaupt, wird das nur ein kleiner Flirt und hat nichts mit Liebe zu tun. Zur Not kann ich die Sache ja jederzeit stoppen.“
Nach einer ganzen Weile regt sich auf dem Nachbarschiff etwas. Zunächst erklimmt eine ziemlich verschlafene Olivia das Deck. Außer einem schmalen Slip hat Sie nichts an. Gleich dahinter taucht das Objekt ihrer Begierde, der sehnsüchtig erwartete Tobias, auf. Er hat eine dunkelblaue Boxershorts an und schlurft, noch ziemlich verschlafen, Richtung Heck. Dort ist ein Tisch mit Rattan Stühlen zu sehen. Er pflanzt sich auf einen der Stühle und ruft heiser, „mach Kaffee Olivia?“ Dann dreht er den Kopf, sieht Flo in ihrem Deckchair liegen. Plötzlich ist er wie elektrisiert. Er springt auf, fährt sich mit den Fingern durchs Haar und grüßt freundlich herüber. „Hallo, so früh schon auf? Hast Du gut geschlafen? Willst Du nicht zum Frühstück rüber kommen?“ Er bricht etwas verlegen ab, mustert Flo ausgiebig von oben bis unten und man merkt, dass ihm gefält, was er da sieht. Auch Flo kommt, angesichts des gut trainierten Männerkörpers durchaus auf ihre Kosten.
„Wenn Du aufstehst, bin ich bereits das erste Mal wieder müde. Wir haben immerhin bereits zwölf Uhr.“ Sie lacht ihn an und hört sich selbst verwundert sagen „Aber wenn Du Lust hast, kannst Du zu mir rüber kommen. Meine Familie ist schon auf Landgang und vom Frühstück ist noch genug da. Dein Bruder scheint ja noch zu schlafen und Olivia macht auch noch keinen sehr wachen Eindruck.“ „Wir waren gestern Abend auf der Piste und sind erst um fünf zurückgekommen. Aber Du hast Recht, und ich nehme Deine Einladung gern an. Ich mach mich nur etwas frisch und bin in fünf Minuten da!“
Flo wird jetzt wegen ihrer mutigen Einladung doch nervös. Andererseits gefällt ihr Tobias schon gut und gegen eine harmlose Unterhaltung ist doch nichts einzuwenden. Sie steht auf, holt das Frühstückstablett aus der Kombüse, deckt den Tisch lieber im Salon, da Sie nicht auf dem Präsentierteller sitzen will und keine Lust auf Tobias großmäuligen Bruder nebst Olivia hier auf dem Schiff hat. Ein paar Minuten später klopft es und ein frisch gewaschener und gut duftender Tobias springt den Niedergang herunter. Er trägt jetzt weiße Bermudas. Darüber ein eng anliegendes, ärmelloses, schwarzes T-Shirt, welches seinen muskulösen, braungebrannten Körper gut zur Geltung bringt. Er gibt Flo artig die Hand, bedankt sich für die Einladung. Dann sieht er sich im Salon um und stößt einen anerkennenden Pfiff aus. „Donnerwetter, hier ist ja alles vom Feinsten. Ist ja toll, hier könnt ich es auch aushalten.“ Er bewundert die elegante Einrichtung und schönen Vertäfelungen. „Möchtest Du Tee oder Kaffee? Ich kann Dir auch Spiegeleier machen!“ Flo bemüht sich, eine gute Gastgeberin zu sein und fährt auf, was ihre Kombüse zu bieten hat. Tobias ist hungrig und läßt sich Toast, Croissants, Spiegeleier mit Schinken und ein von Flo selbst gemachtes Müsli schmecken.
Er erzählt während des Frühstücks von dem Verhältnis zu seinem Bruder und dessen Freundin. Flo hat das Gefühl, dass es damit offensichtlich nicht zum Besten steht. „Mein Bruder ist ein blöder Angeber, seit dem wir diese Yacht hier haben. Dabei gehört sie unseren Eltern und nicht ihm. Sie haben in Frankfurt ein Möbelgeschäft und lange für ihren Traum gespart. Vor drei Jahren haben sie sich die Yacht endlich leisten können. Im Urlaub fahren wir immer hier her, aber Andreas tut so, als wäre er der Besitzer und ich nur sein Matrose. Aber was soll ich machen?“ fragt er etwas resigniert. „Was macht er denn beruflich?“ fragt Flo. „Ach, der ist ewiger Student. Jura hat er bereits abge-brochen, weil es ihm zu schwierig war und nun versucht er es mit Soziologie und ist im fünften Semester. Aber bis der fertig ist, kann er schon Rente beantragen!“„Und was machst Du?“ will Flo wissen. „Ich hab die Möbelfachschule in Köln besucht, dann BWL studiert und bin vor kurzem fertig geworden. Eines Tages werde ich wohl den Laden meiner Eltern übernehmen.“
Flo empfindet, wegen seiner Offenheit eine starke Sympathie für Tobias und denkt, dass er nicht nur unverschämt gut aussieht, sondern auch ein ehrlicher und einfühlsamer Typ ist. – So ganz anders als Laurin.
Den Gedanken an Laurin schiebt sie vorsichtshalber schnell wieder beiseite und erzählt stattdessen lieber von ihrer Familie und dem kuriosen Umstand, wie sie an dieses Schiff gekommen sind. „Darf ich mir das Schiff mal ansehen?“ fragt Tobias beinahe schüchtern. Flo zeigte ihm bereitwillig die Kombüse und dann noch ihre große Kabine mit dem dazugehörigen Bad. Tobias kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, setzte sich auf ihr breites, bequemes Bett und meint: „Das ist ja ein Traum. Ich dachte, wir hätten schon eine tolle Yacht, aber gegen das hier ist unser Kahn gar nichts. Ich beneide Dich Florentine, mit solch einem Schiff und Deiner Familie eine Weltumseglung machen zu können.“ Sie setzt sich jetzt neben ihn und schaut ihm direkt in seine braunen Augen. „Ja, mit meiner Familie habe ich Glück gehabt. Seit dem Tod unserer Mutter verstehen wir uns auch ganz gut, aber das war nicht immer so!“
Tobias sieht ihr jetzt mit zärtlichem Blick tief in die Augen, beugt sich plötzlich zu ihr herüber und küsst sie vorsichtig auf den Mund. Flo ist so überrascht, dass sie nicht an Gegenwehr denkt. Als er das merkt, umschlingt er sie mit beiden Armen und küsst sie lang und leidenschaftlich. Sie blendet die Realität jetzt völlig aus, genießt die Zärtlichkeiten und gibt sich willig seinen Küssen hin. Plötzlich wird ihr bewusst, dass sie nichts weiter als ihren Bikini anhat. Sie will sich auf keinen Fall gleich beim ersten Date vernaschen lassen. Als Tobias dann auch noch versucht, ihr Oberteil zu öffnen, schiebt sie ihn, nach Luft schnappend, energisch zurück und flüstert: „Meinst Du nicht, dass das für den Anfang reicht. Wir kennen uns ja kaum. Für One Night Stands bin ich nicht zu haben!“
Er sieht sie leicht verlegen an und raunt mit erregter Stimme: „Entschuldige, aber Du küsst so wunderbar, ich habe das Gefühl, als ob wir uns schon ewig kennen. Ich fühle mich an Deiner Seite so wohl wie schon lange nicht mehr. Das muss wohl so eine Art Seelenverwandtschaft sein.“ Er legt seinen Arm wieder um ihre Schultern und zieht sie sanft an sich. Flo ist völlig verwirrt. Einerseits fühlt auch sie sich zu ihm hingezogen, genießt seinen muskulösen Körper und den betörenden Duft seines Aftershaves. Andererseits hat sie Angst vor den Konsequenzen. Sie verflucht sich nun selbst, diese Situation heraufbeschworen zu haben.
Er küsst sie erneut, drückt sie dann sanft in die Kissen und merkt, dass ihr Widerstand zu schwinden beginnt. Als er die Schließe an ihrem Bikini Oberteil endlich geöffnet hat und anfängt mit seinen Lippen zärtlich ihre Brustwarzen zu liebkosen, ist es um ihren Widerstand endgültig geschehen und sie überlässt sich, wohlig stöhnend ihrem Schicksal.
Alle Bedenken, die sie vorher hatte, auch die Gedanken an Laurin sind plötzlich so weit weg. Sie genießt nur noch den Augenblick. Erregte Lippen auf ihrer Brust und forschende Finger auf ihrem Körper, die sich langsam tiefer in Richtung ihrer intimsten Stellen vorarbeiten, tun ihr Übriges. Ihre Finger krallen sich Lustvoll in seinen Rücken, als sie merkt, wie er langsam mit der einen Hand ihr Bikini Höschen nach unten schiebt und mit der Anderen anfängt, sie zärtlich zu streicheln.
Von ganz weit her dringt plötzlich eine Stimme in ihr Unterbewusstsein: „Hallo Catalina, ist jemand zu Hause?“ Sie denkt, nein niemand zu Hause und versucht die Stimme zu ignorieren, ist sie doch schon viel zu weit im Reich der amourösen Glückseligkeit.
Plötzlich wird ihr bewusst, dass die Stimme real ist und irgendwo aus der Nähe kommen muss. Sie reißt die Augen auf, schiebt Tobias energisch von sich weg, zieht ihren Slip hoch, schnappt sich, völlig verwirrt ihr Bikini Oberteil und bedeckt in Windeseile ihre Brüste. Da Tobias offensichtlich nichts gehört hat, fragt er erregt und irritiert: „Was ist los, hab ich was falsch gemacht?“ „Nee, Du hast nichts falsch gemacht, aber ich hätte beinahe was falsch gemacht und zwar gründlich. Dein Angeber Bruder hat mich davor bewahrt. Ich glaub jedenfalls, das es Dein Bruder ist, der oben an Deck steht und nach uns ruft.“
Flo ist unendlich erleichtert, noch im letzten Moment die Kurve gekriegt zu haben. Sie zieht sich schnell noch ein Strandkleid über und ist schon auf dem Weg zum Niedergang und denkt: „Auch wenn du ein blöder Angeber bist, aber nun hast du genau das richtige Timing drauf gehabt und dafür bin ich dir dankbar. Ich könnte mich dafür Ohrfeigen, das ich so schwach war und um ein Haar meine Liebe zu Laurin aufs Spiel gesetzt hätte.Schon ist sie an Deck und begrüßt Andreas, der sich gerade auf dem Sonnendeck ausgiebig umsieht.
„Hallo, ich habe Dich gar nicht gehört, Tobias und ich haben unten gefrühstückt und nichts gemerkt!“ stammelt sie verlegen.„So so, Frühstücken nennt man das jetzt,“ grinst er anzüglich. Flo findet ihn in diesem Moment noch widerlicher und bemerkt, wie unterschiedlich die Brüder offensichtlich sind. Hinter ihr kommt Tobias den Niedergang hoch. Als Alibi hielt er ein angebissenes Croissant in der Hand. Er blafft seinen Bruder böse an: „Was willst Du denn hier, kann man nicht mal in Ruhe Frühstücken?“Flo merkt ihm an, dass er stinksauer wegen der verpassten Gelegenheit ist und denkt erneut, Gott sei Dank bist du blöde Kuh gerade noch rechtzeitig aufgewacht.
„Olivia macht den Vorschlag, ob wir, also Du und Deine beiden schicken Schwestern und wir, nicht einen gepflegten Rolls Royce Cabrio oder was ähnliches mieten und damit die Gegend unsicher machen wollen!“ In dem Moment weiß Flo, dass Olivia wohl doch ganz gut zu ihm passt, da sie offensichtlich genauso hohl und oberflächlich ist wie er selbst. Sie sieht ihn nicht gerade freundlich an, als sie mit zuckersüßer Stimme ruft: „Erstens ist nur eine meine Schwester und die andere die Verlobte meines Bruders. Zweitens ist der Rest meiner Familie unterwegs und schaut sich die Stadt an. Drittens habe ich keine Lust. Theresa und Pia sicher auch nicht, mit so einer Bonzen Schleuder durch die Gegend zu fahren und viertens, trotzdem schönen Dank für das Angebot!“
Sie hat sich in Rage geredet und kann die aufgestaute Erregung der letzten halben Stunde wieder etwas abbauen. „Ach komm Du doch wenigstens mit, das kann doch schön werden mit uns!“ Tobias umfasst zärtlich ihre Taille und drückt sie wieder an sich.Flo reißt sich energisch los und schwindelt: „Ich kann nicht mitkommen, weil ich auf zwei sehr wichtige Anrufe aus Deutschland warte und meinem Vater versprochen habe, sie entgegen zu nehmen. Nur deshalb bin ich nicht mit den Anderen gefahren. Außerdem muss ich noch einige Briefe schreiben, habe also genug zu tun. Trotzdem wünsche ich Euch viel Spaß bei Eurer Bonzen Tour!“
Sie will nun unter allen Umständen die Brüder Lauenstein, Pardon, von Lauenstein so schnell wie möglich loswerden und hofft, dass sie ihr diese Notlüge abgekaufen.
Andreas bewegt sich auf die Gangway am Heck zu und höhnt: „Wer nicht will, der hat schon. Andere Mütter haben auch willige Töchter!“ Tobias trollt sich grinsend hinterher, dreht sich auf der untersten Stufe noch einmal um und ruft laut: „Schade, wir hätten uns doch unterwegs noch wunderbar vergnügen können und das beenden, was wir in Deiner Kabine so schön begonnen haben, bevor Andreas uns die Tour vermasselte. Aber so entgeht Dir einiges!“ ruft er laut und ohne Hemmungen vor seinem Bruder. Er macht dabei eine anzügliche Geste. Flo steht fassungslos vor so viel Gemeinheit und hört Andreas dreckige Lache auf dem Kai: „Hat mein Brüderchen die Puppe angebaggert. Sie hat ihn nicht ran gelassen, So ein Pech aber auch!“ Dann setzt Tobias noch einen drauf und prahlt: „Ach die ist viel zu spröde und verklemmt, dass lohnt sich doch gar nicht!“ Flo zieht wütend, mit hochrotem Kopf die Gangway hoch, damit bloß keiner von diesem Pack mehr an Bord kommen kann.
Dann läuft sie unter Deck, reißt zum lüften ihrer Kabine die beiden Luken auf und zieht das Bettzeug ab, um den Geruch von diesem Kerl schnellstens loszuwerden. Sie streift ihr Kleid und den Bikini ab, nimmt eine ausgiebige heiße Dusche um alle Erinnerungen, sowie seine Finger und Lippenspuren auf ihrem Körper gründlich abzuwaschen. Dann wirft sie sich, nur mit Bademantel bekleidet, heulend auf ein Sofa im Salon. Sie ist maßlos enttäuscht, über soviel Gemeinheit. Ihr wurde fast übel bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn der widerliche Andreas nicht im letzten Moment aufgetaucht wäre. Ihr erst den verständnisvollen Freund vorzuspielen, aber in Wahrheit nur daran interessiert zu sein, möglichst schnell und ohne echte Gefühle eine Frau flach zu legen. Was können Männer doch gemein sein. Als sie daran denkt, wie kurz er vor seinem Ziel war, überkam Flo großer Ekel. Wenn sie überlegt, wegen dieses Westentaschen Casanovas beinahe ihre große Liebe aufs Spiel gesetzt zu haben, kann sie schier verzweifeln.
Warum hat sie nicht auf Max und ihren Vater gehört. Die haben, was andere Männer angeht, wohl doch die bessere Menschenkenntnis. Sie nimmt sich vor, künftig mehr auf sie zu hören und beschließt, niemandem etwas von diesem peinlichen Erlebnis zu erzählen und es möglichst schnell zu vergessen. Langsam fühlt sie sich wieder besser, setzt sich an den großen Tisch und verfasst einen langen, zärtlichen Brief an Laurin.
Die anderen Besatzungsmitglieder sehen sich, kaum dass sie das Hafengelände verlassen haben, zuerst die riesige Kathedrale de la Major an.
Dieses, im elften Jahrhundert erbaute Gotteshaus gehört zu den schönsten und größten romanischen Kirchen Europas und überragt alles in der Umgebung. Nach ausgiebiger Besichtigung erwischen sie direkt auf dem Vorplatz einen Doppeldeckerbus der Stadtrundfahrt. Giorgio meint: „In fremden Städten ist es immer ganz informativ, zunächst eine Stadtrundfahrt zu machen. Man bekommt eine gute Orientierung und kann sich dann gezielt die Dinge raus suchen, die einen interessieren.“ Sie klettern auf das Oberdeck und haben dort den besten Überblick. Zuerst geht die Tour zu einem berühmten Obst und Gemüsemarkt. Eine spannende Mischung aus Arabischen, Italienischen und Französischen Einflüssen schlägt ihnen entgegen. Die Vielzahl an Farben und Gerüchen allein ist schon ein Erlebnis.
Die Größe der Stadt beeindruckt die Weltenbummler als sie hören, dass die Stadtfläche doppelt so groß wie die von Paris sein soll. Diese Stadt an der Rhone Mündung wird durch viele Hügel begrenzt. Ihr nächster Halt führt sie zum höchsten Punkt der Gegend, zu Notre Dame de la Garde, von wo aus man einen prächtigen Blick über viele Stadtteile, die Rhone Mündung, die Häfen und das Meer hat. Von hier oben kann man auch die gewaltige Größe des Yachthafens gut erkennen. Sie sind deshalb froh, im alten Hafen untergekommen zu sein. Als kleinen Punkt erkennen sie sogar die Catalina.
„Schade, das alles entgeht Flo, nur weil sie unbedingt ein Spiel mit dem Feuer beginnen muss. Ich hoffe nur, dass es das Wert ist,“ sinniert Giorgio.
Auf der weiteren Fahrt erfahren sie, dass Marseille vor 2600 Jahren von den Griechen gegründet wurde und man ständig noch Ausgrabungen aus der Zeit vornimmt. Überhaupt ist die Stadt für ihre kulturelle Vielfalt bekannt. „Mensch, hier könnte ich auch leben, die ganze Stadt ist ja die reinste Kunstgalerie!“ ruft Giorgio begeistert. Auch die architektonische Mischung aus alt und neu, fasziniert ihn. Besonders das alte Panier Viertel, in dem früher so mancher Gangster Film gedreht wurde und es auch heute nicht gerade zimperlich zugeht, ist behutsam restauriert worden und erstrahlt in seiner alten Ursprünglichkeit.
Hier entdecken sie auch den Marché des Capucins, den orientalische Markt, der alle Sinne anspricht. Safran, Muskat, Zimt, Koriander, frische Datteln und Feigen und der Duft von Minze Tee bestimmen das bunte Bild. Anschließen geht es zum Bahnhof Saint Charles.
Dieser Bahnhof, mit der prachtvollen Freitreppe bietet einen gigantischen Blick, hinunter zum Boulevard d´Athenes, über das Altstadtviertel, Notre Dame de la Garde, bis hin zum alten Hafen, wo ihr Schiff gut zu erkennen ist.Hier verlassen sie den Bus und schlendern zu Fuß weiter, die Canebiére hinunter, Richtung Hafen. Edelste Boutiquen, Delikatessgeschäfte, Kunstgalerien und Antiquariate wechseln sich in bunter Folge ab und lassen keinerlei Langeweile aufkommen. Pia staunt über die vielen verschiedenen Moderichtungen und nimmt sich vor, mit Flo noch einmal hierher zu fahren. Die wird hier völlig ausflippen.
Der lebhafte Verkehr besteht überwiegend aus hupenden Kleinwagen, jeder Menge Vespas und einem nicht abreißenden Strom von Fußgängern. Gerade als Theresa mit Max vor einer Boutique steht und dort aufgehängte Kleider durchstöbert, fährt eine Vespa mit hohem Tempo direkt an ihnen vorbei. Der Beifahrer beugte sich zu Theresa rüber und versucht, ihr blitzschnell die Handtasche zu entreißen. Nur weil Max gerade in diesem Moment eine leichte Drehung macht und aus den Augenwinkeln mehr instinktiv als real die Gefahr erkennt und seinen Arm hebt, kommt der Ganove nicht an die Tasche heran und streift Sie nur. Einen wilden Fluch ausstoßend verschwinden die Kerle schnell im Gewühl. Theresa, die den versuchten Raub überhaupt nicht registriert hat, wird es im Nachhinein noch heiß und kalt, wenn sie daran denkt, was alles in ihrer Handtasche ist.
„Ich habe Euch zigmal gesagt, dass Ihr alles Wichtige im Tresor auf dem Schiff lassen sollt und höchstens ein paar Traveller Checks, etwas Bargeld und Euren Pass mitnehmt.
Am besten nehmt Ihr gar keine Handtaschen mit. Hoffentlich ist Euch dass jetzt eine Lehre. Was meint ihr, was wir für Laufereien haben, wenn in irgendeinem Dritte Welt Land Eure Papiere weg sind. Daran mag ich gar nicht denken,“ schimpft Giorgio. Max schlägt vor, das nächste Café anzusteuern und auf den Schreck einen Pernod zu trinken, was dankbar angenommen wird.
„Hoffentlich ist bei Flo auf dem Schiff alles in Ordnung,“ sorgt sich Pia. Max hat schon sein Handy herausgezogen und ruft sie an. Er ist erleichtert, als Flo sich gleich meldet und erzählte ihr kurz, was ihnen passiert war. Dann will er wissen, ob bei ihr alles in Ordnung ist. „Du bist so einsilbig Flo, hast Du das Objekt Deiner Begierde nicht getroffen?“ „Nöö, hier ist alles in Ordnung,“ nuschelt sie, wenig überzeugend. Nachdem er aufgelegt hat, vermutet er, dass Flo mit ihrem Rendezvous offensichtlich nicht zum Zuge gekommen ist. Nun schlendern sie langsam und wachsam die Straße runter, an der Kathedrale de la Major vorbei und steuern den alten Hafen an. An ihrem Schiff angekommen, wundern sie sich, warum die Gangway hochgezogen ist und riefen nach Flo. Sie erscheint mit unglücklichem Gesichtsausdruck und läßt die Gangway runter. Giorgio weiß sofort, dass mit seiner Jüngsten irgendwas nicht stimmt. Er hütet sich jedoch, sie mit Fragen zu bestürmen, sondern wartet ab, bis sie selbst reden will. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, bis Flo sich doch durchgerungen hat, ihren Frust loszuwerden und ihrem Vater reinen Wein einschenkt. Zumindest große Teile davon. Alle Details preiszugeben ist ihr doch zu peinlich.
„Das war so gemein und so erniedrigend, Giorgio, als wenn ich die letzte Nutte wäre. Aber am meisten ärgere ich mich über mich selbst. Warum habe ich nicht auf Euch gehört. Warum wollte ich diesen Spinner überhaupt kennen lernen, wo ich doch so einen tollen und treuen Typen habe. So hinterlistig wie dieser Tobias, erst ganz lieb und einfühlsam tun, aber nur Sex im Kopf zu haben, das würde Laurin nie bringen, dazu ist er viel zu anständig!“ schnieft sie. Giorgio legt seinen Arm um sie und zieht sie an sich. „Weist Du Flo, jeder kommt mal in die Situation, wo ihm sein gesunder Menschen-verstand einen Streich spielt und man Dinge macht, die man bei genauerem Nach-denken wohl nicht machen würde. Solche Fehler sind menschlich und wir lernen schließlich daraus. Auch mir ist so was schon passiert und nicht nur einmal. Hake das Ganze unter schlechte Lebenserfahrungen ab und vergiss diese Spinner ganz schnell. Ich schlage vor, dass das Gespräch unter uns bleibt. Sag Deinen Geschwistern und auch Laurin nichts davon. Es würde ihn nur verunsichern. Vielleicht weißt Du durch diesen Vorfall auch erst richtig, was Du an ihm hast und wie sehr Du ihn liebst.“
„Danke Giorgio, wir sollten alle mehr auf Dich hören. In Lebenserfahrungen bist Du uns weit voraus.“ Sie lächelt schon wieder und schmiegt sich eng an ihren Vater. „Kunststück, das wäre auch schlimm, wenn´s nicht so wäre, immerhin bin ich mehr als doppelt so alt wie ihr.“ Er freut sich, seine Jüngste wieder lächeln zu sehen.
Theresa hat am Nachmittag versucht, mit ihren paar Brocken französisch einen Tisch im Restaurant Miramar zu bestellen, weil es dort laut Tipp von einem Geschäftsfreund von Giorgio die beste Bouillabaisse geben soll. Zehn Minuten lang spricht sie, teils fran-zösisch, teils spanisch und teils englisch, wild gestikulierend auf ihren Telefonpartner ein. „Ich hoffe, er hat das richtig verstanden, ich hab einen Tisch für fünf Personen um acht Uhr bestellt. Entweder kann der noch schlechter französisch als ich oder mein französisch ist so grottenschlecht, dass mich keiner versteht.“ befürchtet sie betrübt.„Dann haben wir ja genügend Zeit, uns richtig aufzubrezeln. Ich hab gehört, das die Französinnen sich für das Abendessen immer besonders schick machen, also müssen wir doch mithalten.“ Flo ist schon wieder guter Dinge.
„Wenn ich Euch drei Weiber so ansehe, müssen die Französinnen sich aber verdammt anstrengen, wenn sie an Euch auch nur einigermaßen heranreichen wollen.“ versucht Max ein Kompliment. Pia schaut ganz irritiert. „Willst Du irgendwas von uns, oder hast Du was ausgefressen? Sonst werden wir mit Komplimenten von Dir auch nicht gerade verwöhnt.“„Da meint man es mal gut und sagt die Wahrheit, dann ist es auch wieder nicht Recht“ mault er gekränkt.
Die Bouillabaisse ist tatsächlich so lecker, wie Giorgios Geschäftsfreund beschrieben hat. Pia und Flo, die noch nie eine gegessen haben, bedienen sich mehrmals aus dem großen Topf, der mitten auf dem Tisch steht. Flo versucht herauszufinden, was alles drin ist und hofft, so etwas mal nachkochen zu können. Das Geheimnis vermutet sie in der entsprechenden Kräutermischung. Alles was sie herausfinden kann, schreibt sie auf.
Als sie gegen Mitternacht zu ihrem Schiff zurückkommen, bleibt Flo wie angewurzelt stehen und stößt einen Freudenschrei aus. „Leute, die Angeber Truppe von nebenan ist verschwunden. Die müssen sich heute Abend heimlich aus dem Staub gemacht haben. Na Gott sei Dank, dann kann ich das Decksleben ja wieder genießen!“ Alle starren auf den leeren Ankerplatz neben der Catalina. Giorgio freute sich, seine jüngste wieder unbeschwert zu sehen. Der folgende Tag, ein Sonntag, beginnt für Ende März recht warm und verleitet die Weltenbummler dazu, einen Faulenzertag einzulegen. Also ist Lesen, Briefeschreiben oder an Deck schlafen angesagt. Selbst Flo hat heute keine Lust zu kochen, sondern bereitet nur ein paar kleine Snacks zu, bei denen sich jeder bedienen kann. Am Nachmittag wollen Pia und Flo mit einer kleinen Fähre, die ganz in ihrer Nähe liegt, zur Ile d´If hinüber fahren und sich das Schloss ansehen, wo Alexandre Dumas Roman „Der Graf von Monte Christo“ spielte.
Die Crew döst in der Mittagssonne, als Giorgio plötzlich verkündet: „Übermorgen würde ich gern weiterfahren, wenn´s Recht ist. Morgen können wir uns noch einiges ansehen, von mir aus auch Shoppen gehen. Proviant müssen wir auch noch bunkern!“ Proviant Meisterin Theresa meint schläfrig, „Ay ay Sir, die Proviantliste ist bereits fertig und liegt im Salon.“
Am Abend, gegen acht, kommen Pia und Flo völlig erschöpft zurück. „Wir sind gelatscht, bis uns die Socken qualmten. Die Insel ist nicht klein und das Schloss riesig, aber schön,“ stöhnt Flo und freut sich auf eine erfrischende Dusche. Nach dem Abendessen sitzen sie bei Rotwein an Deck, verdrücken sich jedoch bald todmüde in ihre Kojen.
Am nächsten Morgen wird in unmittelbarer Nähe der Catalina der berühmte Fischmarkt im alten Hafen abgehalten. Es ist ein riesiges buntes Spektakel mit üppigem Lärmpegel. Theresa und Flo nutzen die Gunst der Stunde und decken sich mit frischem Fisch und vielen Kräutern und Gewürzen ein, die dort reichlich angeboten werden. Da dieser Teil vom Hafen eines der touristischen Zentren von Marseille ist, mangelt es ihnen während der Liegezeit nicht an neugierigen und bewundernden Blicken. Sobald man sich im Heckbereich aufhält, muss man unweigerlich viele Fragen nach dem Schiff, dem woher und wohin beantworten.
Flo überredet Pia und Theresa, mit ihr noch mal Shoppen zu gehen. Das heißt, viel überreden muss sie die Beiden eigentlich nicht. Sie wollen wieder auf den Boulevard d´Athenes, mit seinem riesiges Angebot an Geschäften. Giorgio hat vor, sich die architektonischen Höhepunkte der Stadt noch einmal näher anzusehen. Vor allem die Häuser von Le Corbusier, sowie das Palais Daviel interessieren ihn.
Max hat keine Lust wegzugehen und blieb mit Kolumbus an Bord. Er macht mit ihm aber eine ausgiebige Gassi Runde über den Fischmarkt. Kolumbus kann sich da, wegen der vielen tollen Gerüche gar nicht loseisen.
Die Mädchen kommen am späten Nachmittag, voll bepackt mit Tüten, zurück. Giorgio, der kurz vor ihnen eintrudelt, Max und Kolumbus müssen sogleich eine ausgiebige Modenschau über sich ergehen lassen und machen es sich dazu auf den Sofas im Salon bequem. Pia führt drei extravagante T-Shirts vor, die ihre Figur gut zur Geltung bringen und schon ein bisschen gewagt sind. Theresa hat ein schwarzes, sexy geschnittenes Strandkleid mit dazu passenden Schuhen gekauft und erntet einen anerkennenden Blick von Max. Flo schließlich ergattert einen äußerst knappen Bikini, zwei T-Shirts und ein tolles Sommerkleid, in dem sie hinreißend aussieht. Giorgio vermutet, dass Flo nach ihrem gestrigen Frusterlebnis, mit diesen Einkäufen ihr seelisches Gleichgewicht wieder herstellen musste. Zu Max gewandt, meint er nachdenklich: „Wenn ich daran denke, in welchen Häfen wir noch landen werden und mir dann unsere Mädchen so betrachte, ist es bestimmt sicherer, wenn wir uns noch einen Bodyguard zulegen.“ „Au ja Pap´s, aber bitte einen strammen, gut aussehenden!“ lacht Pia.
Früh um sieben am nächsten Morgen steht Giorgio im Büro des Hafenmeisters und bezahlt, leicht verschnupft, die extrem hohen Liegegebühren. „Bloß gut, dass wir nicht noch länger bleiben, das ist ja schon fast Wucher. Wenn wir noch mal herkommen, ankern wir draußen und fahren mit dem Dingi an Land!“ empört sich Pia.