33. Käpt´n Pia´s aufregender Törn

Kapitel 33  und  34

33. Käpt´n  Pia´s  aufregender Törn

Pride of Baltimore Bug-Detail

Am Morgen organisiert Giorgio mit Theresa´s und Flo´s Hilfe den fehlenden Proviant und Trinkwasser für die Catalina. Dann holt er den bestellten Wagen mit Straßenkarten, Zelt und Schlafsäcken. Den Proviant für die Wüstentour wollen sie erst in Nizwa einkaufen. Lone lädt die Koffer ins Auto, während Giorgio mit Pia und Max die Schiffsübergabe bespricht. Pia ist, wegen ihrer nächtlichen Eskapade noch etwas müde, aber trotzdem konzentriert bei der Sache. Ihr wird bewusst, das sie nun die volle Verantwortung für das wertvolle Schiff, die Menschen und Tiere an Bord hat. Giorgio erklärt Max und ihr den Kurs, den sie nehmen sollen. Max hat für die 900 Seemeilen lange Strecke ungefähr 11 Tage berechnet. Der Wetterbericht bietet im Moment keine unliebsamen Überraschungen. Zum Schluss macht Giorgio Pia noch auf die Riffe vor Salala aufmerksam. „Geht kein Risiko ein, fahrt immer nach Echolot und prüft in dem Gebiet unbedingt die Seekarten. Nehmt lieber Fahrt raus, als durch dieses Gebiet durchzubrechen!“ empfiehlt er. „Ay ay Sir. Ich werde mir die größte Mühe geben, Dir Schiff und Mannschaft in Salala unbeschadet übergeben zu können!“ verspricht Pia.  Wenn irgendwas ist, wir sind immer per Handy erreichbar!“ Giorgio macht sich jetzt doch Sorgen, seine Crew einfach in dieses Abenteuer zu entlassen. „Die Kinder sind erwachsen, hervorragende Seeleute geworden und verantwortungsbewusst. Du musst ihnen jetzt ein bisschen Vertrauen entgegen bringen!“ versucht Lone ihn zu beruhigen.

Dann holen Theresa und Max die Gangway ein, Giorgio löst die Heck- und Bugleinen. Pia läßt die Maschinen an. Die Catalina löst sich langsam von ihrem Liegeplatz. Die gesamte Mannschaft, einschließlich der Hunde stehen an der Reling und winken den Zurückbleibenden. „Vernachlässigt auf keinen Fall die Deckswache, vor allem Nachts!“ schreit Giorgio hinterher. Dann sieht er wehmütig, die Catalina aus dem Hafen

Brigg Mercedes

hinausfahren und immer kleiner werden. Direkt hinter der Hafenausfahrt läßt Kapitän Pia bereits die Segel setzen. Lone und Giorgio kommen so in den Genuss, das stolze Schiff zum ersten Mal von Land aus unter vollen Segeln zu sehen. Still und heimlich verdrückt er ein paar Tränen und hofft, dass dieses Abenteuer gut geht.

Dann machen sie sich auf den Weg. Sie wollen zuerst noch die berühmte Sultan Qaboos Moschee in Muscat ansehen.

Das ist die einzige Moschee weit und breit, die auch von Andersgläubigen besichtigt werden kann. Frauen müssen allerdings die Haare verdecken und möglichst wenig Haut zeigen. Welch ein Verlust. Anstatt die Schönheit der Frauen zu preisen, müssen die hier alles verhüllen. Was für eine Verschwendung!“ Giorgio schüttelt den Kopf, während Lone sich ein Tuch über ihre Schultern wirft und ein Zweites als Kopftuch benutzt. Dann dürfen sie die Moschee betreten, allerdings getrennt. Die Männer haben einen prachtvoll ausgestatteten Gebetsraum, während Frauen in einem schmucklosen, nüchternen Nebenraum beten müssen.

Bevor sie sich auf den Weg Richtung Süden machen, wollen sie noch einen orientalischen Mokka trinken. Dabei lernen sie einen Omani kennen, der gut englisch spricht und ihnen gern mit Stolz etwas von seinem Land erzählt. Dabei erfahren sie, das

Sultan Qabus

Sultan Qabus hier sehr beliebt ist und im Gegensatz zu Dubai oder den anderen Emiraten, seine Ölmilliarden lieber in Schulen, Krankenhäuser, Straßenbau und Wasserversorgung gesteckt hat. Dadurch ist die Infrastruktur sehr gut. Der Oman hat keinerlei Probleme. Als Lone ihm erzählt, das sie mit einem Auto nach Salala wollen, freut er sich am Interesse für sein Land. Er gibt ihnen wertvolle Tipps für ihre Wüstendurchquerung. Dann schwingen sie sich in ihren Geländewagen und fahren, auf einer gut ausgebauten Straße Richtung Süden. Knapp drei Stunden später erreichen sie Nizwa und sind verblüfft. Statt einer staubigen Wüstenstadt haben sie das Gefühl in einen riesigen Garten zu kommen. Diese Oasenstadt ist mit etlichen Bewässerungskanälen, Gärten und Feldern durchzogen. Nur direkt im Zentrum ist es städtischer. Die uralte Handelsstadt hat mehrere Souks zu bieten und aufwendig restaurierte 500 Jahre alte Lehmhäuser.

Giorgio hat ein kleines Boutiquenhotel, direkt am alten Souk gebucht. Als sie das Zimmer betreten, bricht Lone in schallendes Gelächter aus. „Es sieht hier aus, wie im Harem eines Sultans, nur das die Frauen fehlen. Überall Kissen, dicke Teppiche und jede Menge bunte Tücher .

Das große, einladende Himmelbett bildet den Mittelpunkt des Raumes. Als krasser Gegensatz ist auf der anderen Seite ein modernes Badezimmer, nach Europäischem Standard zu sehen. Na dann weißt Du ja, was Du heute Nacht zu tun hast!“ grinst Giorgio fröhlich. „Was meinst Du?“. „Du hast doch von Harem gesprochen, also gewähre ich Dir allein die Gunst, mich heute Nacht zu verwöhnen!“ feixt er und hat sofort ein Kissen am Kopf. „Ich habe aber Hunger. Vielleicht ist mein Herr und Gebieter so gnädig, mir erst mal eine leckere Stärkung zu gewähren!“ „Wenn danach Deine Dienste an Einfallsreichtum zunehmen, sei Dir die Bitte gewährt!“ spielt er das Spiel weiter. Das Restaurant hat nur einheimische Gerichte auf der Karte. Es ist also Glücksache, was sie bestellen. So bekommen sie Kamelfleisch mit scharfer Weihrauchpaste und Hirsebrei serviert. Lone und Giorgio sind sich einig, dass das nie zu ihren Favoriten gehören wird. Sie ziehen sich daher bald in ihren Harem zurück. Giorgio ist glücklich, das sie auch in sexuellen Dingen gut harmonieren. Keine Tabus oder Geheimnisse zwischen ihnen sind. Nach monatelanger Enthaltsamkeit, entlädt sich Liebe und Verlangen in dieser Nacht und läßt sie erst Stunden später, eng aneinander geschmiegt, einschlafen.

Pia hat noch die letzten Worte ihres Vaters im Ohr, dass sie auf Riffe aufpassen soll. Deshalb bestimmt sie den Kurs sicherheitshalber auf 10 Seemeilen von der Küste entfernt. Sie kann die Küstenlinie noch gut erkennen. Laut Seekarten gibt es hier keine Untiefen. Max hat alle Segel gesetzt. Die Catalina kommt mit acht bis neun Knoten gut vorwärts. Mit fünf Mann Besatzung konnte das große Schiff gut bewältigt werden. Mit nur vier “Mann” haben sie nun alle Hände voll zu tun. Auch die Wache muss jetzt durch vier geteilt werden, was für alle weniger Schlaf bedeutet. Langsam fällt die Angst vor der Verantwortung von Pia ab, es fängt sogar an, ihr Spaß zu machen. Der erste Tag verläuft problemlos ohne Zwischenfälle. Wer gerade nichts zu tun hat, döst im Klüvernetz oder den Hängematten. Ab und zu kommt ihnen ein anderes Schiff entgegen, was durch das Radarbild auch kein Problem ist.

Da sie innerhalb der zwölf Meilen Zone segeln, kommt ab und zu ein Funkspruch der Küstenüberwachung, die wissen will, woher sie kommen, wohin sie fahren und was sie geladen haben. Max beantwortet ihre Fragen geduldig. Dann haben sie wieder ihre Ruhe. Auch die erste Nacht verläuft ohne Zwischenfälle, wenn man davon absieht, dass alle etwas müder als sonst sind. Am Morgen des dritten Tages bekommt Pia, als sie an Deck kommt, einen Riesenschreck. Die Küstenlinie auf der Steuerbordseite ist kaum noch zu erkennen. Ihr erster Gedanke ist, dass der Kurs nicht mehr stimmt. Sie will gerade Flo, die zuletzt Wache hat, zur Rede stellen. Ein Blick auf das Gerät zeigt ihr aber, das der Kurs exakt eingehalten wird. Erst als sie auf die Landkarte vom Oman blickt, sieht sie, dass die Berge des Hadschar Gebirges hinter ihnen liegen und die Wüste Rub al Khali jetzt ihr Begleiter ist.

Blick auf die Küste

Das Meer ist hier über 1000 Meter tief. Riffe weit und breit nicht zu sehen. Pia ist beruhigt und frühstückt mit dem Rest der Besatzung am Decktisch.

Die nächsten Tage verlaufen so problemlos, das die Crew anfängt, sich zu langweilen. Am Abend des sechsten Tages kommt etwas Wind auf und verbessert die Schnittgeschwindigkeit um fast drei Knoten. In der Nacht wird der Wind stärker und drückt mit wechselnden Böen auf das Schiff. Pia entschließt sich nach Rücksprache mit ihrem Steuermann, die Segel zu reffen und nur das Sturmsegel an der Fock zu lassen. Sie segeln jetzt hart am Wind und verlieren dadurch viel Fahrt. Pia überlegt gerade, ob sie nicht lieber kreuzen sollen, als ihr die Entscheidung abgenommen wird. Urplötzlich legen sich die Böen, der Wind dreht auf Nordwest und läßt die Catalina heftig auf den Wellen tanzen. Segel setzten!“ schreit Pia gegen das Getöse an. Max beeilt sich dem Befehl nachzukommen. Kaum sind die Segel wieder oben und der Kurs neu eingestellt, beruhigt sich das Schiff und gleitet in gewohnter Weise durch die Wellen. Das hätte Dein Vater auch nicht besser machen können!“ lobt Theresa den Käpt´n. Pia freut sich über das Lob und ist zufrieden mit sich. Am Morgen hat das Wetter sich beruhigt, die Sonne brennt erneut unbarmherzig auf das Deck.

Wadi Shab

Unterdessen sind Giorgio und Lone zum Wadi Shab gefahren, einem Tipp von ihrer Kaffeehaus Bekanntschaft. Dieses ausgetrocknete Flussbett bietet eine reizvolle Landschaft mit Wüstenpflanzen und Geröll in den skurrilsten Farben und Formen. Anschließend wagen sie die Fahrt in die Wüste Rub al Khali. Sie fahren fast nur noch auf Sandpisten. Giorgio läßt deshalb etwas Luft aus den Reifen und ist froh, noch zwei Sandbretter dabei zu haben. Ab und zu treffen sie auf Beduinen, die mit ihren Kamelen Rast machen. Sonst sehen sie keine Menschenseele und sind völlig auf sich allein gestellt. Sie sehen nur Sand, nichts als Sand und hoffen inständig, das kein Sandsturm aufkommt und ihnen noch das letzte bisschen Orientierung nimmt. Die Omanis haben rechts und links der Sandpiste ab und zu einen Stock in den Sand gerammt, so dass sie die Piste einigermaßen erkennen können.

Wüste Rub al Khali

Giorgio und Lone sind von dem Licht und den bizarren Formen der Wüste fasziniert. Zugleich fürchten sie sie auch, weil man hier den Naturgewalten hilflos ausgeliefert ist. „Es ist schon bescheuert, wir segeln um die Welt und sind vielen Stürmen und sogar Monsterwellen ausgesetzt gewesen und hier haben wir Angst!“ stellt Giorgio nüchtern fest. „Das kommt daher, das wir die Wüste und ihre Tücken nicht kennen, auf dem Meer ist das anders!“ vermutet Lone. Sie fahren bereits mehrere Stunden durch den glühend heißen Wüstensand. Laut ihrer Karte soll demnächst das gebuchte Wüstencamp auftauchen. Zu sehen ist aber weit und breit nichts als Sanddünen, keine Vegetation, kein Leben. Nach einer weiteren Stunde steckt ein Schild im Sand, was zeigt, das man hier zum Camp links abbiegen soll. Wo denn genau, verdammt noch mal, hier ist doch kein Pfad zu erkennen!“ schimpft Giorgio. „Lass uns vorsichtig weiterfahren, vielleicht kommt der Weg noch!“ Lone ist unsicher, aber Giorgio kommt ihrem Vorschlag nach. 500 Meter weiter sehen sie tatsächlich einen gut markierten Pfad nach links abgehen. Sie folgen und nach ungefähr 10 Kilometern taucht, zwischen Sanddünen versteckt, ein Camp mit mindestens 20 Zelten auf. Hier wachsen sogar Dattelpalmen, Oleander und vieles mehr. Kaum haben sie angehalten, kommt ein Mann auf sie zu und begrüßt sie herzlich.

Das Camp macht auf Lone und Giorgio einen gepflegten und exklusiven Eindruck. Sie bekommen einen kühlen Willkommens-Drink und werden dann in ihr Zimmer, äh Zelt geführt. „Donnerwetter, das ist ja wie im Hotel Atlantik in Hamburg.

re. Strand

Luxus wo hin man schaut und angenehme Temperaturen haben die auch!“ Giorgio ist begeistert. „Wenn sie schwimmen möchten, müssen sie hier rechts gehen. Nach ungefähr 200 Metern finden sie den Strand!“ Erklärte der Page und verschwindet. Hab ich mich verhört, oder hat er Strand gesagt?“ wundert sich Lone. „Die haben doch hier überall Strand. Wir fahren schon seit Stunden durch den größten Strand der Welt!“ lacht Giorgio. Nachdem sie sich frisch gemacht haben, wollen sie sehen, was es mit dem Strand auf sich hat und laufen die nächste Düne hoch. Oben angekommen, bekommen beide den Mund nicht mehr zu. Vor ihnen liegt das Meer, mit einem wirklich schönen, absolut Menschenleeren Strand. „Das nutzen wir jetzt aus!“ schlägt Giorgio vor. „Prima, ich hole unsere Badesachen, warte kurz hier.“ „Unsinn, die brauchen wir nicht. Hier ist außer uns keine Menschenseele. Wir baden wie Adam und Eva!“ Strahlt er Lone an und läuft los.

Lone folgt ihm und fühlt sich in diesem Moment wieder wie achtzehn. Sie werfen ihre Kleidung ab, springen in die Wellen und albern herum, wie Kinder. Solche glücklichen Momente haben sie schon lange nicht mehr erlebt. Am Abend werden sie in einen klimatisierten Zeltrestaurant verwöhnt und fragen sich, wie so ein Service, mitten in der Wüste überhaupt möglich ist. Sie genießen das Essen und anschließend die Nacht miteinander. Ihre Zuneigung wird immer tiefer. Obwohl sie das Wort Liebe noch nicht auszusprechen wagen, fühlen sie langsam tiefe Liebe zueinander. Am Morgen fahren sie zurück zur Wüstenpiste, wo sie abgebogen sind und dringen immer weiter Richtung Süden vor. Da hier eine Höchstgeschwindigkeit über 40 Kilometer nicht möglich ist, hat Giorgio berechnet, dass sie auf jeden Fall noch einmal in der Wüste übernachten müssen. Dafür hat er Zelt, Schlafsäcke, Campingkocher und Vorräte organisiert. Sie fahren den ganzen Tag im Schneckentempo über die Sandpiste. Gegen fünf Uhr Abends suchen sie einen Lagerplatz an einer Sanddüne und versuchen,

Den Blick auf eine unberührte Wüstenlandschaft haben Sie hier direkt beim Aufstehen

unter viel Gelächter, ihr Zelt aufzubauen. Nach fast einer Stunde haben sie es endlich geschafft, setzen sich davor, bestaunen ihr Werk und den grandiosen Sonnenuntergang, der alles um sie herum für kurze Zeit in tiefrotes Licht taucht.

Lone bereitet das Essen zu, während Giorgio sich um die Bequemlichkeit im Zelt kümmert. Da es Nachts in der Wüste sehr kalt werden kann, hat er genügend Decken mitgenommen, die ihren Schlafplatz urgemütlich machen. Nach dem Essen kuscheln sie sich zusammen in ihre Schlafsäcke und sind, todmüde, nach kurzer Zeit eingeschlafen.

Am Abend des achten Tages nach dem Auslaufen aus Muskat, quakt das Funksprech-gerät der Catalina. Als Pia antwortet, erklärt ihr eine männliche Stimme der Küsten-wache, in schlechtem Englisch, dass sie wachsam sein sollen, da in diesem Seegebiet verstärkt Piraten beobachtet werden. Die kommen von der Somalischen Küste hoch und treiben hier ihr Unwesen. Es patrouillieren internationale Kriegsschiffe,

EU-schickt-Kriegsschiffe-gegen-Piraten

aber die reichen nicht aus, ein so großes Seegebiet lückenlos zu kontrollieren. Na Mahlzeit, nicht schon wieder!“ Stöhnt Pia und denkt angstvoll an ihren letzten Piratenüberfall vor der Chinesischen Küste. Sie ruft sofort ihre Mannschaft zusammen und berät mit ihnen, was sie tun sollen. „Auf jeden Fall erst mal so nah an die Küste segeln, wie möglich!“ schlägt Flo vor. „Und wir tragen alle Waffen, die wir haben zusammen, um vorbereitet zu sein!“ ergänzt Max.

Ausgerechnet jetzt ist Giorgio nicht da, der weiß bestimmt, was zu tun ist!“ vermutet Theresa. „Ich werde schon mal die Bordwände präparieren, damit wir es den Ganoven so schwer wie möglich machen!“ Flo holt den großen Fetteimer und fängt an, die Bordwände einzustreichen. Pia denkt nach. Plötzlich kommt ihr eine Idee. „Als die uns das letzte Mal angegriffen haben, wurde das Gangsterschiff doch mit einem gezielten Schuss von Giorgio außer Gefecht gesetzt. Wie wäre es, wenn wir am Bug und am Heck jeweils ein Gewehr in Position bringen. Je nach dem, wo her die Kerle kommen, versucht der beste Schütze, den Motor oder den Leitstand zu treffen, bevor die überhaupt mit Gegenwehr von uns rechnen. Außerdem sollten wir heute Nacht auf Positionslampen am Mast und Heck verzichten, auch sonst kein Licht machen, damit wir schwerer zu finden sind. Ich hoffe nur, das kein Mond scheint!“Der beste Schütze bist Du doch!“ Erkennt Max die Treffsicherheit seiner Schwester neidlos an. „Du triffst fast genauso gut, Max!“ gibt Pia zurück. Wir müssen uns auf jeden Fall schwarze Sachen anziehen, Gesicht, Haare und Hände schwarz färben, damit wir nicht so leicht zu erkennen sind. Dann können wir auch beide Gewehre besetzen, der eine schießt auf die Maschine und der andere in den Steuerstand, so gehen wir auf Nummer sicher. Wir haben doch nichts zu verlieren. Wenn das nicht klappt und die Kerle an Bord kommen, killen die uns sowieso!“ befürchtet Theresa.

Das bedeutet aber, das heute Nacht niemand zum schlafen kommt. Einer steuert und hält die Funkverbindung, einer übernimmt die Bugwache, einer die Heckwache. Ich klettere hoch in die Rahen, um die Verbrecher möglichst frühzeitig kommen zu sehen!“ bestimmt Pia. Flo pinselt eifrig weiter, Max trägt das Waffenarsenal zusammen und Theresa bereitet in der Kombüse noch eine Stärkung für die Nacht vor. Pia spricht noch mal mit der Küstenwache, um heraus zu finden, wo diese Kerle zuletzt gesichtet wurden. Die Antwort stimmt sie alles andere als fröhlich, die letzte Sichtung ist ungefähr 40 Seemeilen südlich von ihnen. Mit jeder Meile kommen sie den Kerlen also näher. Sollen wir nicht lieber Giorgio anrufen?“ fragt Flo ihre Schwester. Bloß nicht, der kann sowieso nichts machen und würde vor Sorge verrückt werden. Willst Du das?“ „Natürlich nicht, ich mein ja nur, dass er uns vielleicht noch Tipps geben kann!“ mault Flo.Wir werden erst mal näher an die Küste segeln, obwohl ich glaube, das uns das nicht viel nützt, da die Gegend Menschenleere Wüste ist. Als Erstes bringen wir mal die Gewehre in Stellung!“

Inzwischen ist es stockdunkel. Sternenhimmel und Mond sind durch einige Schleier-wolken zum Glück nicht zu sehen. An Bord gibt nur die Instrumententafel im Ruderhaus schwaches Licht ab. Sonst fährt die Catalina per Radar durch die stockdunkle Nacht. Theresa, die jetzt im Ruderhaus ist, muss ständig auf das Echolot achten um nicht in Untiefen zu kommen. Die Präzisionsgewehre sind an Bug und Heck in Stellung gebracht. Flo passt auf der Steuerbordseite auf und Max starrt an Backbord in die Dunkelheit.. Pia ist, mit ein paar Stullen bewaffnet, in die obersten Rahen geklettert. Sie hält Ausschau nach Objekten, die sie selbst nicht definieren kann, aber hofft, sie rechtzeitig erkennen zu können.Es geht langsam auf Mitternacht zu. Bisher ist alles ruhig. Vom ständigen Starren in die Dunkelheit, werden die Vier langsam müde. Pia ruft herunter, das Flo für alle einen starken Kaffee machen soll, um Wach zu bleiben.

Die Stelle, wo die Piraten zuletzt gesehen wurden, haben sie erreicht, können aber absolut nichts entdecken. Eine knappe Stunde später erkennt Pia in ihrem Krähennest weit voraus auf der Backbordseite ein kleineres, schwach beleuchtetes Schiff. Sie kann aber nicht erkennen, was für eins, sondern nur, das der Kahn ziemlich schnell unterwegs ist. Das Schiff kommt ihnen mit knapp einer Meile Abstand entgegen, hat sie aber offensichtlich noch nicht bemerkt. Refft schnell alle Segel!“ schreit sie hinunter, weil die weißen Segel unter Umständen doch erkannt werden können. Theresa reagiert sofort und fährt die Segel innerhalb zwei Minuten ein. Jetzt ist das fremde Schiff bereits so nah, das Pia ihren Aussichtspunkt verlässt und lieber an Deck ist. Sie verschanzt sich hinter dem Gewehr am Heck. Die Catalina schaukelt unruhig in den Wellen. Sie hoffen inständig, das die Anderen sie nicht bemerkten. Ihr Schiff ist bis auf 300 Meter an die Küste herangekommen, hat aber immer noch 200 Meter Wasser unter dem Kiel.

Die Seekarte zeigt durchaus einige Untiefen in der Nähe. Pia will nichts riskieren, hält die Catalina mit dem Schleppanker lieber auf der Stelle und will warten, bis das fremde Schiff vorbei ist. Bange Minuten verstreichen, der andere Kahn ist immer noch in Sichtweite, wird aber langsam kleiner. Wir wissen nicht, ob das ein Piratenschiff war, oder ein ganz normales Handelsschiff!“ erklärt Pia. “Wir wartet lieber ab, bis nichts mehr von dem Kahn zu sehen ist, bevor sie den Anker lichten und Segel setzen. „Wir werden jetzt auf 1000 Meter Abstand zur Küste gehen, segeln aber weiter ohne Licht. Unsere Wachtposten behalten wir bei. Die Gefahr ist noch nicht vorüber!“. Vorsichtshalber fragt sie bei der Küstenwache an, ob die neue Erkenntnisse haben. Es müssen mindestens zwei oder sogar drei Piratenschiffe vor unseren Küsten unterwegs sein. Ein kleineres, indisches Containerschiff haben sie schon überfallen und ausgeraubt. Also bitte weiter Vorsicht!“ bekommt sie zur Antwort.

Scheiße”, Pia überlegt, was sie jetzt machen soll. Was hätte Giorgio an ihrer Stelle gemacht? Leider kommt sie damit nicht weiter. Sie erklärt Max die Lage und schlägt vor zu versuchen, die Kerle zu überlisten. Wenn wir jetzt so dicht wie möglich an der Küste bleiben, keine Beleuchtung haben und nur langsame Fahrt machen, werden die auf ihrem Radarschirm ein langsames Boot, direkt vor der Küste sehen und denken, das es sich um einheimische Fischer handelt, wo sowieso nichts zu holen ist. Was hältst Du davon?“ Mensch Schwesterchen, das könnte klappen, zumindest in der Nacht. Für Morgen müssen wir uns was anderes überlegen!“ Max ist stolz auf Pia und ihre Ideen.

Dofar Gebirge

Giorgio und Lone sehen in der Ferne bereits das Dhofar Gebirge und halten darauf zu. Hinter den ersten Ausläufern liegt Salalah. Langsam tritt die Wüste zurück, die Gegend wird fruchtbarer und grüner. Jetzt taucht das uralte Land des Weihrauchs auf. Die Gegend ist erfüllt von diesem süßlichen Duft. Salalah, eine typische Arabische Stadt mit

altes und modernes Salalah

über 2000 jähriger Geschichte, macht auf Lone und Giorgio einen unübersichtlichen Eindruck. Sie haben das Gefühl, in einer Zeitreise zu sein und gleich Ali Baba mit seinen 40 Räubern um die nächste Ecke reitet. Giorgio hat als Kontrastprogramm das Hilton Hotel, direkt am Strand ausgesucht. Sie beziehen ein großes Zimmer mit tollem Meerblick und hoffen, die Catalina beim Einlaufen in den Hafen vorbeiziehen zu sehen.

Hotel Hilton Salalah

Giorgio rechnet allerdings frühestens in drei Tagen mit dem Schiff. Er würde am liebsten mal dort anrufen, um zu hören, wie es läuft. Lone rät ihm davon ab. „Lass die Kinder mal machen, wenn es Probleme gibt, melden die sich schon. Wenn wir anrufen, haben sie das Gefühl, kontrolliert zu werden, oder das wir kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben. Du weist doch, die Jugend ist sehr empfindlich!“ „Was bekomme ich doch für eine kluge Frau!“ Freut sich Giorgio, zieht sie auf den Balkon und macht es sich mit ihr auf einer bequemen, überdachten Doppelliege gemütlich. Am Abend essen sie zu zweit an einem Lagerfeuer, direkt am Strand und werden von der Hotelküche verwöhnt. Beide starren auf das Meer und fragen sich, was die Besatzung der Catalina wohl macht.

Theresa hat mit der ständigen Überprüfung des Echolots alle Hände voll zu tun, da sie immer wieder den Kurs nach der Wassertiefe anpassen muss und sie dadurch zick zack segeln. Teilweise gibt es Untiefen bis dicht unter die Wasseroberfläche (In der Schifffahrt ist eine Untiefe ein Bereich, der wegen seiner geringeren Tiefe eine Gefährdung für die Schifffahrt darstellt. Neben den Gefahren der Grundberührung und Festlaufens kann sich an Untiefen auch ein gefährlich hoher Seegang bilden.), aber die Angst vor den Piraten, läßt sie das Risiko eingehen. Pias Plan scheint aufzugehen. Sie sehen noch zweimal in einiger Entfernung Schiffe vorbei ziehen, aber keins interessiert sich für sie. Es ist bereits vier Uhr Morgens. Alle sind auf ihrem Wachposten und stieren müde in die dunkle Nacht.

Plötzlich hören sie laute Motorengeräusche, sehen aber nichts. „Sofort Segel einholen!“ ruft Pia und sucht verzweifelt mit ihrem Glas den Horizont ab. Sie sind jetzt nur 250 Meter von der Küste entfernt und werfen sicherheitshalber erneut Anker. Die Catalina liegt ruhig auf der Stelle. Pia kann immer noch nichts entdecken. Plötzlich sieht sie, etwa 600 Meter von ihnen entfernt, eine große Yacht, ohne Licht, mit hoher Geschwindigkeit, Richtung Norden brausen. In dem Moment nimmt die Yacht Fahrt weg, bleibt aber, jetzt deutlich leiser, auf ihrem Kurs. Pia klettert von ihrem Ausguck runter und informiert die Anderen. Da die Schmiere, die Flo auf die Bordwände gestrichen hat, relativ dunkel ist, kann auch der weiße Rumpf der Catalina nicht verräterisch leuchten. Die Mädchen und Max halten den Atem an und beten, das sie nicht entdeckt werden. Das ein Schiff mit hoher Geschwindigkeit ohne Licht, nichts gutes bedeuten kann, ist allen klar. Die fremde Yacht stoppt jetzt, dreht nach Backbord, erhöht die Geschwindigkeit wieder und braust direkt auf sie zu.

Allen schlägt das Herz bis zum Hals und Max schreit: „Die haben unsere Takelage und die Masten vor dem hellen Wüstensand erkannt. Sofort alle auf die Posten!“ Er rennt zum Heck und verschanzt sich mit seinem Gewehr hinter der Badeplattform. Pia versteckt sich hinter der Ankerwinsch am Bug und wird jetzt ganz ruhig. Auch Flo und Theresa haben Waffen in der Hand und verstecken sich hinter dem Großmast und dem Steuerhaus. Die Yacht ist noch ungefähr 300 Meter entfernt, als dort plötzlich zwei Suchscheinwerfer eingeschaltet und auf die Catalina gerichtet werden.  Die Kerle nehmen etwas Geschwindigkeit weg, sind aber immer noch schnell. „Nicht zu früh schießen, sondern Nerven behalten, erst loslegen, wenn Ihr gutes Schussfeld habt!“ Ruft Pia den Anderen zu. Etwa 130 Meter trennen die Schiffe noch voneinander, als plötzlich ein ohrenbetäubendes Kreischen und splittern hörbar wird. Die Yacht verliert schlagartig an Fahrt und neigt sich stark zur Steuerbordseite. Sie hören gellende Schreie und wilde Flüche von drüben. Sie begreifen nicht, was da los ist. Dann sehen sie, dass die Yacht Bugseitig tief im Wasser liegt und im Begriff ist, zu sinken.

Die Idioten haben sich den ganzen Rumpf an den Riffen aufgeschlitzt und kentern jetzt!“ ruft Max erleichtert.  Müssen wir denen etwa helfen?“ fragt Theresa unsicher. Auf keinen Fall. Wir machen, das wir hier schnellstens wegkommen, sonst entern die doch noch unser Schiff, schmeißen uns über Bord, oder erschießen uns und die Catalina wird zum Seeräuberschiff. Max schmeiß die Maschinen an, dann so schnell, wie das Riff es zulässt, weg von hier. Die sollen sich selber helfen, zum Ufer ist es ja nicht weit und ein Beiboot werden sie wohl haben!“ Entscheidet Kapitän Pia und lichtet bereits den Anker.  Zwei Minuten später entfernt sich ihr Schiff langsam und läßt die schreienden und fluchenden Kerle zurück. Pia klemmt sich sofort an das Seefunkgerät, informiert die Küstenwache und gibt die Koordinaten durch. Kaum haben sie tieferes Wasser erreicht, fällt die Anspannung von ihnen ab. Pia fängt hemmungslos an zu schluchzen.

Max nimmt sie in den Arm und tröstet sie. „Pia, das hast Du toll gemacht. Besser hätte Giorgio das auch nicht hingekriegt. Wenn die Idioten nicht so dicht an der Küste lang geschippert wären, hätten die uns nie gesehen. Aber Du siehst, Raffgier kommt vor dem Fall!“  Sie ist ihrem Bruder für seine Worte dankbar. Auch Flo und Theresa sind des Lobes voll über ihre umsichtige, kluge Strategie. „Ich danke Euch, mir geht es auch viel besser. Aber vorsichtig müssen wir weiterhin bleiben, da ja mindestens noch zwei Piratenboote hier ihr Unwesen treiben sollen!“ Sie halten ihre Taktik, so nah wie möglich an der Küste zu segeln und Nachts kein Licht zu machen bei und hoffen so nicht aufzufallen.

Der nächste Tag verstreicht ohne Zwischenfälle. Auch in der neunten Nacht bemerken sie nichts besonderes. Damit sie wenigstens etwas Schlaf bekommen, reduziert Pia die Wachen auf zwei Leute. Die anderen können schlafen. Gewechselt wird alle drei Stunden. Gegen drei Uhr Nachts, sieht Theresa erneut ein großes,hell erleuchtetes Schiff auf sie zukommen. Es zieht in einiger Entfernung vorbei. Sie ist sich sicher, dass es in dieser Größe kein Seeräuberschiff sein kann. “Es sind jetzt noch 180 Seemeilen bis Salalah. Mit ein bisschen Glück sollten wir spätestens Übermorgen den Hafen erreichen.” überlegt der Käpt´n. Am frühen Morgen steht Pia am Ruder und hängt ihren Gedanken nach. Sie hat sich die erste Tour, ohne väterliche Aufsicht, ruhiger und entspannter vorgestellt. Da sie noch immer keine Entwarnung der Küstenwache haben, ist sie froh, wenn sie endlich Salalah erreichen und sie das Kommando wieder in Giorgios bewehrte Hände geben kann. Abgesehen vom Schlafdefizit der Crew, ist es sehr anstrengend, ständig auf das Wasser zu starren und nach möglichen Angreifern Ausschau zu halten.

Zwei Stunden später hören sie über Seefunk, das ein Piratenboot von einem holländischen Kriegsschiff 150 Seemeile Nordöstlich von ihnen aufgebracht wurde und ein zweites Richtung Somalia geflohen sein soll. Die Yacht, die vor ihren Augen auf das Riff gedonnert ist, wurde gefunden und neun Piraten am Strand eingesammelt. Mädels, wir haben was zu feiern!“ Pia freut sich und bezieht natürlich ihren Bruder mit ein. Die Gefahr ist vorbei. Die haben alle Ganoven geschnappt oder in die Flucht geschlagen, wir können unseren alten Kurs wieder aufnehmen und unter vollen Segeln Richtung Salalah düsen!“ Pia ist die Erleichterung anzumerken. Auch Flo, Theresa und Max entspannen sich zusehends.

Lone und Giorgio haben unterdessen viel besichtigt, entspannen am Strand oder amüsieren sich verliebt im Bett ihres Hotels. Besonders beeindruckt sie das Weihrauchmuseum, wo anschaulich die bewegte, Jahr-tausende alte Geschichte des Weihrauchs gezeigt wird. Sie finden schöne, Menschen-leere Strände, nicht weit von ihrem Hotel und nutzen die Gelegenheit, nackt im Wasser herumzutoben. Beide schwimmen etwa 50 Meter vom Ufer durch das warme Wasser, als plötzlich etwas an Lones Beine stupst. Sie denkt sofort an Haie, bekommt einen Riesenschreck und schreit. Giorgio dreht sich sofort um und sieht zwei Rückenflossen, die direkt neben ihnen aus dem Wasser ragen. Sofort werden auch die Köpfe sichtbar. Giorgio fängt entspannt an zu lachen. “Es sind zwei Delphine, die unbedingt mit uns spielen wollen!” Lone beruhigt sich schnell und ist fasziniert von diesen, gar nicht scheuen, klugen Tieren. Mindestens eine halbe Stunde amüsieren sie sich zusammen, bis Beide, genauso plötzlich, wie sie aufgetaucht sind, wieder in den Tiefen des Meeres verschwinden.

Am Abend nehmen sie ihr Dinner bei einem Lagerfeuer am Strand ein. Sie sind gerade beim Hauptgang, als Lone erneut einen Schrei ausstößt und aufgeregt auf das Meer zeigt. Am Horizont ist im letzten Abendlicht die Silhouette der Catalina zu erkennen, die mit vollen Segeln Richtung Hafen unterwegs ist. Giorgio ist erleichtert und gerührt zugleich. Er ist stolz, das seine Kinder diese Tour offensichtlich souverän gemeistert haben. Stolz ist er aber auch, ein so schönes, majestätisches Schiff zu besitzen. Vorher hat er die Catalina noch nie unter vollen Segeln aus der Entfernung gesehen. Auch die anderen Gäste am Strand sehen begeistert auf das Schiff, was an ihnen langsam vorbeizieht. Lass uns schnell losfahren, damit wir sie im Hafen gebührend begrüßen können!“ schlägt Lone vor und zieht Giorgio, der noch versonnen zur Catalina blickt, mit sich. Eine halbe Stunde später treffen sie im Hafen ein und sehen, wie gerade die Segel gerefft werden und das Schiff langsam auf seinen Liegeplatz zusteuert. Es ist jetzt fast dunkel, viel erkennen können sie noch nicht. Pia schaltet in diesem Moment die volle Deckbeleuchtung ein, um das Anlegemanöver zu erleichtern. Max, der an der Reling steht, erkennt sofort Giorgio und Lone und wirft ihnen die Leinen zu. Sie befestigten Bug und Heck fachmännisch und die Catalina ist vertäut. Theresa und Flo schieben die Gangway hinunter. Schon rennt Giorgio an Bord und schließt seine Crew freudig in die Arme.

Pia wirft sich an seine Brust und fängt vor Glück und Erleichterung hemmungslos an zu schluchzen. Giorgio versteht nicht, was los ist. Als alle zur Ruhe gekommen sind und ihre aufregenden Erlebnisse losgeworden sind, begreift er, in welcher gefährlichen Lage sie waren. Er macht sich heftige Vorwürfe, dieses Wagnis überhaupt eingegangen zu sein. Giorgio, Pia ist wirklich ein würdiger Ersatz für Dich. Sie hat die schwierigsten Situationen problemlos gemeistert und zur richtigen Zeit die richtigen Ideen gehabt. Sie hat sich den Rang einer Kapitänin wirklich verdient!“ Flo ist ehrlich begeistert von dem seemännischen Können ihrer Schwester. Pia steht staunend daneben, da sie von Flo solche Komplimente noch nie gehört hat. „Hört,hört, das sagt die Frau, die mich vor ein paar Jahren am liebsten zum Teufel gewünscht hat. Trotzdem danke liebes Schwesterlein!“ freut sich Pia. Max und Theresa ergänzen: „Jedes Wort von Flo können wir unterschreiben. Pia hat in jedem Moment gewusst, was zu tun ist. Sie ist, auch in gefährlichsten Situationen ruhig geblieben und hat Vertrauen ausgestrahlt. Kiel geholt oder am Mast ausgepeitscht wurden wir auch nicht!“ grinst Max fröhlich. Giorgio ist stolz auf seine Älteste und fragt: Möchtest Du weiterhin als Kapitänin der Catalina arbeiten?“ „Auf keinen Fall, jedenfalls jetzt nicht, schon gar nicht in solch gefährlichen Gewässern. Du kannst mich ja im Mittelmeer oder in der Nordsee nochmal fragen!“ Erklärt sie energisch und drückt ihm zur Bestätigung ihrer Worte, seine Kapitänsmütze in die Hand.

Gegen acht Uhr morgens hat Giorgio mit der Küstenwache telefoniert, sich die Ereignisse der letzten Tage noch einmal schildern lassen und die Catalina für den nächsten Konvoi durch den südlichen Teil des roten Meeres angemeldet. Da der bereits am Abend vorgesehen ist, bleibt nicht mehr viel Zeit, den Kindern Salalah zu zeigen und alles für die Weiterreise vorzubereiten. Lone übernimmt deshalb die Sightseeingtour, während Giorgio die Vorbereitungen auf dem Schiff und den Behördenkram erledigt. Sechs Schiffe sollen außer ihnen zu einem Konvoi unter dem Schutz einer Australischen Fregatte, zusammengestellt werden.

Treffpunkt ist die Kamar Bucht, direkt an der Grenze zum Jemen, was für sie nur eine Stunde Fahrtzeit bedeutet. Es wird eine Reisegeschwindigkeit von 7 Knoten vorgeschrieben, an die sich alle Schiffe halten müssen. Die Fregatte begleitet sie bis Port Sudan. Ab da patrouillieren Boote der Ägyptischen und der Saudi Arabischen Küstenwache. Die machen den nördlichen Bereich des Roten Meeres relativ sicher.

Da der Geleitschutz von den vereinten Nationen veranlasst wird, brauchen sie hierfür nichts zu zahlen.

Kapitel 34

34. Spuren im Ägyptischen Sand

Am Nachmittag bringt Giorgio, schweren Herzens, Lone zum Flughafen. „Wenn ihr wieder in Hamburg seid, können wir uns oft an den Wochenenden sehen. Ist ja nur eine Stunde Flugzeit!“ Tröstet Lone Giorgio und sich selbst. Dann läuft sie, nach innigem Abschiedskuss, eilig zum Gates und ruft hinterher:“Es war wunderschön mit Dir, Ich liebe Dich!“ Um fünf Uhr Abends ankert ihr Schiff nicht weit von der, dort liegenden Fregatte. Sie warten gemeinsam auf die anderen Schiffe, die nach und nach eintrudeln.

Bab el Mandeb

Um sieben Uhr setzt sich der Konvoi in Bewegung. Drei Schiffe sollen vor und drei hinter der Fregatte fahren. Die Catalina kommt an zweiter Stelle. Giorgio heftet sich im Abstand von 350 Metern an den vorausfahrenden Stückgutfrachter aus Malaysia. Am Gefährlichsten ist die Meerenge von Bab el Mandeb, von der es ins rote Meer geht.

Diese Meerenge erreichen sie in den frühen Morgen-stunden. Von da an, läßt das Kriegsschiff extrem helle Schein-werfer kreisen um eventuelle Angreifer rechtzeitig zu sehen, aber auch zur Ab-schreckung. Da der Wind günstig steht, setzt Giorgio, zur Unterstützung der Maschinen, Segel. Er kann die Motoren etwas drosseln. Die Reise bis Port Sudan ist durch das Konvoi fahren sterbenslangweilig, dafür aber sicher.

Am Morgen des fünften Tages erreichen sie endlich Port Sudan, bedanken sich bei

Port Sudan

ihrem Begleitschiff und können mit vollen Segeln weiterfahren. Ihr nächstes Ziel ist Port Safaga in Ägypten. Bis dahin brauchen sie nochmal etwa fünf Tage. Von dort soll es per Bus durch die Wüste nach Luxor gehen. Da keiner von ihnen bisher das Tal der Könige, den Tempel der Hatschepsut und weitere Bauwerke der Pharaonen gesehen, sondern nur in der Schule durchgekaut hat, freuen sie sich, alles in Natura zu erleben. Sie haben in Luxor zwei Übernachtungen geplant und wollen sich viel Zeit für Besichtigungen nehmen. Giorgio hat in Port Safaga extra nach einem Hundesitter gefragt. Ein junges Mädchen hat sich gemeldet, was dann auch auf dem Schiff schlafen darf. Aus den fünf Tagen werden sechs, bis sie am Mittag im kleinen Hafen von Port Safaga einliefen.

Am Kai sitzt bereits ein tief braun gebranntes, junges Mädchen und erwartet sehnsüchtig die Catalina. Besser gesagt, Kolumbus und Felicia, um die sie sich die nächsten Tage kümmern will. Sie ist sechzehn Jahre, heißt Karima. Sie ist mit langen, schwarzen Haaren und genauso schwarzen Augen, eine Ägyptische Schönheit. Als sie endlich an Bord kann und sofort wild mit den Hunden herumtollt, sind Giorgio und Flo erleichtert, das die Drei so gut miteinander klar kommen. Flo zeigt der Hunde verrückten Karima ihre Kabine im Heck, die Pantry und wie sie die Hunde füttern soll. Sie ist begeistert von ihren Schützlingen und dem Schiff. Karima meint zu Flo, dass es das schönste „Zimmer“ ist, was sie jemals gehabt hat. Zu Hause hat sie nur ein ganz kleines Zimmer ohne Fenster. Waschen muss sie sich hinter dem Haus an einem Brunnen. Als Flo ihr die eigene Toilette und Dusche zeigt, flippt Karima förmlich aus und hätte am liebsten gleich geduscht.Sie verabreden, das Karima am nächsten Morgen um acht Uhr an Bord sein soll, da sie dann nach Luxor aufbrechen. Pünktlich um acht Uhr steht Karima vor der Catalina, übernimmt das Schiff, die Hunde und viele Instruktionen von Giorgio.

Er ist sich sicher, dass sie gut aufpasst. Er drückt ihr vorsichtshalber noch ein Handy mit seiner Nummer in die Hand, damit sie ihn im Notfall erreichen kann. Dann bricht er mit seiner Crew zum Bus auf, um die nächsten Tage in Kultur zu machen. Der alters-schwache Linienbus nach Luxor ist nur halb besetzt. Er braucht für die knapp 200 Kilometer durch die Wüste immerhin fünf Stunden. Die Straße dort hin ist anfangs gut ausgebaut, aber nach 40 Kilometern wird es mehr eine Sandpiste als eine Straße. Große Teile werden vom Wind immer wieder zugeweht, dass der Fahrer manchmal nur ahnen kann, wie es weiter geht. Kurz nach Eins liefert der Bus die, etwas angestaubten, Weltenbummler pünktlich in Luxor ab. Giorgio hat auf besonderen Wunsch von Pia, Zimmer im Winter Palace Hotel Luxor bestellt. Dieses altehrwürdige Hotel im Viktorianischen Stil, direkt am Nilufer, hat schon viele Berühmtheiten beherbergt. Pia, als begeisterte Leserin von Agatha Christie Krimis weiß, das hier auch der Film „Tod auf dem Nil“ gedreht wurde. Sie ist fasziniert von diesem alten Gebäude.

Giorgio hat eine Suite mit drei Schlafzimmern gebucht. Pia fragt sich, ob vielleicht sogar der Hauptdarsteller, Peter Ustinov in dieser Suite gewohnt hat. Am Nachmittag meldet sich der, von Giorgio gebuchte Führer durch die Altertümer im Hotel. Er stellte sich als Dr. Jusuf Ibrahimi vor, spricht gutes deutsch mit Wiener Akzent und ist ausgesprochen freundlich. Er hat in Wien Archäologie studiert, ist ein Fachmann für altägyptische Kultur und gehört der Ägyptischen Gesellschaft für Archäologie und Altertümer an. Sie haben mit ihm einen Glücksgriff gemacht, da er nicht nur die Sehenswürdigkeiten bestens kennt, sondern gute Kontakte zu den Archäologen und Wächtern vor Ort hat. Früh um acht am nächsten Morgen holt er sie im Hotel ab und verfrachtet alle in einen Kleinbus, der mit seinem Fahrer vor dem Hotel wartet.  Als erstes steht der Karnaak-tempel, in der Innenstadt von Luxor auf dem Programm. Diese Tempelanlage war Gott Amon geweiht und ist sehr gut erhalten. Dutzende von riesigen Säulen, lassen das ganze Ausmaß der Tempel erkennen. Vor dem Tempel steht ein riesiger Obelisk. Dr. Ibrahimi erklärt, das es früher Zwei gewesen sind. Der zweite jetzt auf dem Place de la Concorde in Paris steht. Dann verfrachtet er sie wieder in den Bus. Nun geht die Fahrt nach Süden, zur einzigen Brücke weit und breit, die das östliche mit dem westlichen Nilufer verbindet. Sie fahren in das sagenhafte Tal der Könige, halten aber zuerst vor dem riesigen Felsentempel der Hatschepsut. Leider sind hunderte andere Touristen auch auf die Idee gekommen, sich diese antiken Stätten anzusehen. Es ist ein großes Gedränge durch viele Reisegruppen, die hinter hoch gestreckten Fähnchen ihrer Reiseführer herlaufen. Giorgio ist froh, das sie einen privaten Reiseführer haben, da er sie, wann immer möglich, abseits der Touristenpfade führt.

li. Hatschepsuttempel und re. Grab der Noblen

Die Weltenbummler staunen, wie gut erhalten dieser Tempel nach weit über 3000 Jahren noch ist. Selbst die Farben und Inschriften sind, wenn man sie denn lesen könnte, gut lesbar. Vor dem Tempel befindet sich ein riesiges, ebenes Gelände. Überall sind rechteckige Bereiche abgesperrt. Tiefe Gruben führen in der Erde. Das sind Ausgrabungsstätten der letzten 100 Jahre. Die sind nicht zur Besichtigung freigegeben. Aber dort hinten rechts ist erst vor drei Wochen mit Grabungen begonnen worden, gestern hat man interessante Entdeckungen gemacht, das werden wir uns mal ansehen!“ erklärt Dr. Ibrahimi. Er kriecht bereits unter der Absperrung durch und winkte seinen Gästen, zu folgen. Flo grinst, weil sie die neidischen Gesichter der Touristen sieht. Sie freut sich über ihre Sonderbehandlung. An der Ausgrabungsstelle angekommen, begrüßt Dr. Ibrahimi seine Kollegen und erklärt, das man hier ein Grab der Noblen aus der Zeit von Hatschepsut gefunden hat. Die Noblen gehörten der direkten Umgebung der Herrscherin an, also der privilegierten Gesellschaft. Sie sind dabei, als gerade etliche Töpfe und Tiegel freigelegt werden und sehen gebannt zu.

Dann drängt er, schnell zum Tal der Könige zu fahren, weil er ihnen was besonderes zeigen möchte.

Tal der Könige

Die Landschaft hat etwas außerirdisches. Nackte, rötliche Felsen, Bizarre Berge und etliche, kleinere Schluchten wechseln sich ab. Kein Baum, kein Strauch ist hier zu sehen, nur viele Reisegruppen mit Fähnchen schwenkenden Führern. Dr. Ibrahimi geht schnell auf eine der Grabkammern zu, in die eine offene, unscheinbare Holztür führt. Davor steht ein Wächter der immer nur wenige Touristen einlässt. Ihr Führer wechselt ein paar Worte mit ihm. Er versperrt sofort den Eingang zu dieser Grabkammer. Dann ruft er auf englisch, dass die Leute, die bereits in der Grabkammer sind, schnellstens herauskommen sollen, da sie schließen müssen. Als alle draußen sind, geht Dr. Ibrahimi mit Giorgio und seiner Crew die vielen Stufen zu dem eigentliche Grab hinunter.

Unten vor dem Sarkophag von Ramses III, gibt er dem Wächter ein Zeichen. Der schaltet oben das Licht aus. „Keine Angst, sie sehen jetzt etwas, was nur wenige sehen. Die alten Ägypter haben bereits viel von Astronomie verstanden. Nur zweimal im Jahr, steht die Sonne genau um zwölf Uhr für eine Minute auf dem Sarkophag von Ramses III und erhellt diese Kammer!“ In diesem Moment leuchtet ein tief goldener Strahl die Treppen hinunter und taucht den Sarkophag in helles, goldenes Licht. Es ist kitschig schön, Theresa klatscht spontan Beifall. Dann klettert Dr. Ibrahimi die vielen Stufen wieder hoch und zieht sie zur nächsten Grabkammer. Hier hat Tutanchamun mit seiner berühmten goldenen Maske seine letzte Ruhe gefunden.

Sarkophag und Tutanchamun Maske und Mumie, Quelle pa dpa

„Diese Maske hier ist zwar schön gemacht, aber nur eine Kopie. Das Original ist im Museum in Kairo. So hat der Archäologe Howard Carter die Kammer vor bald 100 Jahren entdeckt. Diese ist eine der Wenigen, die nicht ausgeraubt wurde. Beim öffnen dieser Grabkammer entstanden auch die Gerüchte um den Fluch des Pharao. Danach soll jeder getötet werden, der die Totenruhe des Pharao stört. Viele Grabungsteil-nehmer sind auch bald nach der Graböffnung gestorben. Jetzt hat man aber fest-gestellt, das alle Todesfälle ganz normale Ursachen hatten!“ versichert ihr Führer. Nach etlichen weiteren Besichtigungen, ist die Aufnahmefähigkeit der Fünf erschöpft. Dr. Ibrahimi bringt sie zurück ins Hotel. „Jetzt würde ich zur Erfrischung gern im Nil schwimmen!“ überlegt Flo. Kannst Du gerne machen, aber pass auf, dass Dir nicht von irgendeinem Nilkrokodil irgendwas abgebissen wird. Auf hübsche Mädchen stehen die besonders!“ lästert Max. Er bekommt postwendend ein Handtuch ins Gesicht. „Na gut, dann nehme ich halt den Pool!“ fügt sie sich.

Auch am nächsten Tag hat Dr. Ibrahimi ein tolles Programm zusammengestellt.

Memnonkolosse und Tal der Königinnen mit Luftaufnahme

Die Memnon Kolosse und das Tal der Königinnen stehen heute auf seiner Liste. Als besonderes Highlight zum Schluss, dürfen sie an einer neuen Ausgrabung teilnehmen, die Dr. Ibrahimi selbst leitet. Er vermutet das Grab einer Nebenfrau von Ramses II, aber ist sich seiner Sache überhaupt nicht sicher. Sie bekommen einen Einblick, wie schwierig der Beruf des Archäologen ist, wie viel Geduld und Enttäuschungen dazu gehören. An dem Tag finden sie, außer ein paar Tonscherben nichts, haben aber trotzdem großen Spaß dabei.

Am nächsten Tag treten sie die Rückreise mit dem klapprigen Bus an und sind am Nachmittag wieder zurück auf der Catalina. Die Hunde freuen sich, ihre Leute wieder zu sehen, haben sich offensichtlich aber mit Karima auch wohl gefühlt. Sie ist richtig enttäuscht, ihre tierischen Freunde und das Schiff wieder verlassen zu müssen, aber Giorgio möchte an diesem Abend noch Richtung Akaba auslaufen. Für diesen Törn, quer über das rote Meer und den Golf von Akaba hoch, hat er etwa drei Tage an-gesetzt. Diese drei Tage werden zu einer Gründlichen Überholung der gesamten Takelage, der Segel sowie des kompletten Decks genutzt, da schon länger nichts mehr gemacht wurde. Pia und Theresa klettern in den Rahen herum, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. Flo überprüft die Segel und bessert, wo nötig aus. Max hat sich mit einem großen Eimer weißer Farbe bewaffnet und lackiert alle entsprechenden Teile auf Deck neu.

Als die Catalina drei Tage später in den Hafen von Akaba einläuft, erstrahlt sie in neuem Glanz. Giorgio strahlt dadurch auch.

Am Abend machen sie die Altstadt von Akaba unsicher und wundern sich über die vielen kleinen Fischlokale, die es hier gibt. Giorgio kann nicht widerstehen und lädt

Fischrestaurant in Akaba

seine Crew zum Fischessen ein. Dann sucht er einen Mietwagen für die nächsten zwei Tage, da sie ja unbedingt zur sagenhaften Felsenstadt Petra wollen. Diese, ganz in die Felsen getriebene, über 2400 Jahre alte Handelsstadt der Nabatäer gehört heute zum Weltkulturerbe. Alle Fünf sind der Meinung, das Petra einfach dazu gehört, wenn man in Sachen Kultur unterwegs ist. Da Petra direkt an der alten Weihrauchstraße liegt, die vom Oman zum Mittelmeer führt, interessiert speziell Giorgio sich auch für die alte Karawanserei in Petra. Ihr Weg führt sie, auf einer Autobahn ähnlichen Straße, die die Jordanier Kings Way nennen, quer durch die Wüste, die hier mehr eine Geröll und Felswüste ist. Nicht zu vergleichen mit der Sandwüste im Oman. Ein paar Kilometer hinter Akaba taucht, mitten im nichts plötzlich eine Zollstation auf, wo jedes Fahrzeug penibel untersucht wird. Wie Max erfährt, ist Akaba eine Freihandelszone, alles was ins Hinterland gebracht wird, muss hier kontrolliert werden. Da sie keine Waren gekauft haben, dürfen sie weiterfahren. Allmählich wird die Autobahn schmaler und geht in eine bessere Wüstenpiste über. Die Landschaft ist öde und wenig einladend. Ab und zu sehen sie ein paar Beduinenzelte und fragen sich, wie und wovon man hier im Nirgendwo leben kann. Je näher sie Petra kommen, um so felsiger wird die Gegend, aber leider auch touristischer. Vor Petra gibt es riesige Parkplätze. Von da an geht es nur noch zu Fuß weiter, durch eine sehr enge und tiefe Schlucht. Um eine letzte Biegung herum und sie starren entsetzt auf eine riesige Menschenmenge vor ihnen. Dahinter können sie die herrlichen Konturen von Petra ausmachen. „Jetzt fehlt uns Dr. Ibrahimi, der uns an den Massen vorbei schaufeln kann!“ stöhnt Flo. Es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen uns in Geduld üben!“ Versucht Giorgio seine ,Männer, zu beruhigen. Nach einer Stunde können sie sich endlich freier bewegen, da die meisten Touris zur Reisegruppe eines riesigen Kreuzfahrtschiffes gehören, was in Akaba liegt und von ihren Fähnchenschwenkern zur nächsten Attraktion geführt wird.

Fassadenwand der Königsgräber

Nachdem die Reisegruppe der Catalina alles interessante gesehen hat, macht Giorgio den Vorschlag, gleich zurück zum Schiff zu fahren, auf eine Übernachtung hier zu verzichten. Wegen der vielen Touristen ist hier nichts mehr von dem ursprünglichen Flair zu sehen und völlig überteuert. „Wenn ihr einverstanden seid, fahren wir zurück und machen lieber Akaba unsicher, auch wenn wir erst spät dort ankommen!“ seine Crew ist einverstanden. So fahren sie den langen, öden Weg zurück und kommen gegen zehn Uhr am Abend verstaubt und müde in Akaba an. Da Flo keine Lust mehr zum kochen hat, suchen sie sich in der Nähe des Hafens nochmal ein Fischlokal, freuen sich an fangfrischem, gegrillten Fischen und verziehen sich dann müde in ihre Kojen.

Früh Morgens bunkern sie auf dem idyllischen arabischen Markt Vorräte, Sprit und Wasser. Dann geht es wieder den Golf von Akaba hinunter ins rote Meer. Giorgio spricht mehrmals mit der Kanalbehörde des Suez Kanals. Er freut sich, als er hört, das der Kanal keine Schleusen hat. Weniger erfreut ist er jedoch über die Gebühren, da er per Kreditkarte 4800 Euro berappen muss. Außerdem gibt es strenge Regularien. Da der ganze Kanal nur einspurig befahrbar ist, müssen sie vor Suez in einer Wartezone ankern. Sie dürfen nur im Konvoi mit etwa 60 anderen Schiffen, im Abstand von je 2000 Metern und einer Geschwindigkeit von sechs bis acht Knoten fahren. Das Ganze natürlich nur mit Motorkraft, Hilfssegel dürfen aber benutzt werden. Die Abfahrtzeit nach Norden ist auf sechs Uhr morgens festgelegt. Sie können dann in einem Rutsch durchfahren, während der Gegenverkehr an zwei Ausweichstellen des Kanals warten muss. Für den ganzen Kanal besteht Lotsenpflicht. Vier Lotsen wechseln sich an verschiedenen Stellen ab. Giorgio ist froh, die Verantwortung im Kanal aus der Hand geben zu können. Die ganze Tour bis Port Said soll etwa 16 Stunden dauern.

Suezkanal von oben gesehen

Als sie in der großen Bucht vor Suez ankommen, liegen bereits etwa 25 Schiffe aller Größen vor Anker. Giorgio meldet ihre Ankunft an und erfährt kurze Zeit später, dass sie als Nummer elf hinter einem großen Tanker einfahren sollen. Der Lotse würde Morgen früh rechtzeitig an Bord sein. Ohne Lotse an Bord dürfen sie die Anker nicht lichten. Also nimmt die Besatzung der Catalina noch eine Mütze Schlaf, um am Morgen fit zu sein. Jetzt, Mitte Mai ist es tagsüber schon unerträglich heiß, weshalb sie froh sind, das die Nacht wenigstens ein bisschen Abkühlung bringt. Wie so oft in den letzten Monaten, schlafen sie auch in dieser Nacht in den Hängematten und Matratzen an Deck. Nur Giorgio hat, wie häufig in den letzten Tagen, noch längere Telefonate mit seinem Partner Hubertus zu führen. Die Vorbereitungen für ihren Großauftrag sind in vollem Gange, aber sie haben noch etliches zu klären. Hubertus hat, direkt neben ihrem Büro in der Speicherstadt, weitere Räume gefunden, die einem Orientteppichhändler gehören, der sein Geschäft aufgibt. Hubertus pachtet kurzerhand diese Räume, läßt einige Durchbrüche machen und schon haben sie die Bürofläche fast verdoppelt.So schön und aufregend Giorgio diese Reise auch findet, freut er sich doch auch wieder auf Hamburg, seine Arbeit und vor allem auf die neue Herausforderung. In dieser Nacht findet er nur fünf Stunden unruhigen Schlaf.

Um fünf Uhr morgens kommt bereits das Lotsenboot längsseits. Ein älterer Ägypter mit silbernem Vollbart klettert hoch und begrüßt Pia, die gerade Wache hat. Auch Giorgio ist kurze Zeit später an Deck und läßt sich die weiteren Abläufe erklären. Die ersten Schiffe fahren bereits Richtung Kanal. Auch die Catalina kann jetzt Anker lichten. Die einzelnen Lotsen verständigen sich untereinander in unverständlichem Kauderwelsch, schaffen es aber, inner-halb einer knappen Stunde eine Art Konvoi auf den Kanal steuern zu lassen. Hinter ihnen setzen sich etliche weitere Schiffe in Bewegung. Alle versuchen peinlich genau die geforderten Abstände einzuhalten. Der Lotse erklärt ihnen, das in Süd-Nord Richtung nur morgens um sechs Uhr gefahren werden darf, während in Nord-Süd Richtung zweimal am Tag eine Abfahrt ist. Die müssen dafür aber im großen Bittersee auf den entgegen kommenden Konvoi warten.  Pia staunt, wie zügig und reibungslos das Ganze abläuft. Sie steht am Ruder und setzt die Anweisungen des Lotsen akribisch um. An Backbord und Steuerbord des Kanals ist größtenteils Wüste, ab und zu von kleinen, staubigen Dörfern unterbrochen. Die einzige größere Ansiedlung ist die ägyptische Stadt Ismailia, auf der Backbordseite des Kanals. Hier gibt es einen kleinen, verschlafenen Hafen. Ihr Konvoi rauscht jedoch ohne Stopp daran vorbei. Mehrmals kommt ein Lotsenboot längsseits, holt einen Lotsen ab und bringt den nächsten für einen neuen Abschnitt.

Als sie nach knapp 16 Stunden den Kanal geschafft haben, atmet Giorgio tief durch, da sie jetzt ihre Unabhängigkeit wieder haben, volle Segel setzen und den Kurs selbst bestimmen können. Männer, das Mittelmeer hat uns wieder!“ ruft er strahlend und steuert ihr nächstes Ziel an, Alexandria, die große ägyptische Hafenstadt.

Vier Stunden später laufen sie in den größten Ägyptischen Hafen ein und werden ausgerechnet zum Kreuzfahrtterminal gelotst. Zum Glück liegt gerade kein Kreuzfahrer am Kai. „Die denken wohl, das wir mit unserem Segler Kreuzfahrten durch´s Mittelmeer machen!“ vermutet Theresa.  Als die Catalina fest vertäut ist und die Gangway Bodenhaftung hat, trommelt Reiseleiter Max seine Lieben zusammen, um die Vorzüge dieser, fast 5000 Jahre alten Stadt zu preisen. „Da hinten, in dem abgesperrten Bereich machen sie seit über 20 Jahren Unterwasser Ausgrabungen. Das hat Dr. Ibrahimi empfohlen, unbedingt anzusehen. Außerdem gibt es hier die berühmteste Bibliothek des Altertums, die leider von Julius Caesar zerstört wurde. Auch heute ist die Bibliothek von Alexandria noch berühmt, riesengroß und in einem architektonisch interessanten Gebäude untergebracht!“ Wir werden Morgen früh zu dieser Ausgrabungsstätte fahren. Ich hoffe, dass uns das Empfehlungsschreiben von Dr. Ibrahimi möglich macht, auch Unterwasserarchäologie kennen zu lernen. Die Bibliothek will ich mir auf jeden Fall ansehen, da gehört nämlich noch das Museion von Alexandria dazu, wo etliche antike Stücke gezeigt werden!“ erklärt Giorgio. Da seine Kinder und Theresa spätestens seit den Ausgrabungen von Luxor dieses Thema für sich entdeckt haben, schließen sie sich gern Giorgios Plänen an, was ihn sehr freut. Jetzt habe ich Hunger, wir suchen uns erst mal ein schönes Restaurant und probieren die Ägyptische Küche!“ schlägt der Käpt´n vor.

Am Morgen fahren die Fünf mit dem Dingi zu der nicht weit entfernten Ausgrabungsstätte. Der Leiter, Dr. Mustafa Said empfängt sie. Er freut sich über das Schreiben seines Kollegen. „Wir haben früher viel zusammengearbeitet. Er ist ein wirklicher Freund für mich. Wenn er Ihnen dieses Schreiben gegeben hat, sind sie auch mir herzlich willkommen. Aber wenn Sie unsere Arbeit sehen wollen, ist Ihnen hoffentlich klar, dass wir acht Meter tief tauchen müssen. Das Equipment dafür haben wir bestimmt auch in Ihrer Größe. Trauen Sie sich das denn zu?“  Als Giorgio ihm andeutungsweise erzählt, was sie alles erlebt haben, ist er beruhigt und läßt die notwendigen Gerätschaften holen. Die Mädchen haben sich bereits ihre Bikinis drunter gezogen und zwängen sich, mit Hilfe von Dr. Said´s Mitarbeitern, in die engen Tauchanzüge. Auch er selbst macht sich Tauchfertig. Zehn Minuten später lassen sich acht Personen rückwärts über die Bordwand ins Wasser fallen. Dr. Said hat noch zwei junge Assistentinnen dabei, die eine große Amphore, die am Vortag entdeckt wurde, freilegen wollen.

Unterwasserausgrabung vor Alexandria

Es ist wirklich eine ganz eigene Welt, in die sie hinabtauchen. Fische und Unterwasser-pflanzen sehen sie kaum. Dafür aber viele, teilweise freigelegte Gebäudeteile, Straßen und Gegenstände, deren Funktion auf den ersten Blick nicht klar ist. Alles wirkt in dem diffusen Licht des Hafenbeckens bizarr, unwirklich, aber faszinierend zugleich.

(Schauen Sie sich dazu dieses interessante Video an:

Versunkene Hafenstadt vor Alexandria, https://www.youtube.com/watch?v=V9VvylhY2_I    –   Ein Mythos taucht auf“ 50,32 Minuten.)

Pia ist begeistert, wie weit fortgeschritten diese Ausgrabungen bereits sind. Sie beobachtet die beiden Assistentinnen bei ihrer spannenden Arbeit. Auch die Anderen staunen bei dem Einblick in die antike Lebensweise der fast 4000 Jahre alten Kultur der Ptolemäer und ihrer Siedlung Rhakotis. Nach zwei Stunden tauchen sie auf und quälen sich aus den engen Tauchanzügen. Dr. Said kann den Weltenbummlern jetzt in Ruhe erklären, was sie dort unten gesehen haben. Je mehr sie hören, um so erstaunter sind sie, welche Fertigkeiten und Techniken die Menschen damals schon kannten und dass ihre Kultur bereits weit entwickelt war. Nach einer weiteren Stunde bedankt sich Giorgio, verabschiedet sich und fährt mit seiner Crew zurück zur Catalina. Danach sehen sie sich noch die Stadt und die berühmte Bibliothek mit dem Museion an.

Beide Seiten der Bibliothek

Am nächsten Tag wollen sie zu ihrem nächsten Ziel aufbrechen. Nach ausführlichem Familienrat kommen sie zu dem Entschluss, nicht den Libanon und Syrien zu besuchen, da dort erhebliche Unruhen und Kriege ausgebrochen sind. Giorgio hat keine Lust, noch in Kämpfe verwickelt zu werden oder in ein Kriegsgebiet zu segeln. Deshalb haben sich die Fünf entschlossen, als nächstes nach Kreta und Rhodos zu segeln, dann durch die griechische Inselwelt und Dubrovnik langsam heimwärts zu schippern.

Und am Freitag geht es wieder weiter mit den letzten zwei Kapiteln 35  und 36 und dem Epilog.

35. Unliebsame mediterrane Momente