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VIVAT VAMP !

Hier etwas Erfreulicheres…

Schauen Sie was ich SCHÖNES beim Stöbern in meiner Bibliothek wieder-gefunden habe:

Nataschas Bibliothek

Filmgöttinnen der ersten Stunde. Nie waren die Frauen schöner, nie die Blicke sinnlicher als in den Anfangsjahren der Stummfilmzeit. Etwas später gab es Filmstars, absolut unerreichbare Leinwandgrößen, grandiose Schönheiten die man nicht vergessen kann. Sehen sie einige Bilder dieser Berühmtheiten. Und ich erinnere an den Schriftsteller und Schauspieler Gregor von Rezzori.

Einführung von Gregor von Rezzori (1959), ein großartiger deutschsprachiger Schriftsteller, Schauspieler, Drehbuchautor, früher auch Journalist und Radiomoderator:

Der Vamp und die Femme fatal.

Die Generation der heute Frischzellenbedürftigen kann für sich in Anspruch nehmen, dass mit ihr ein einzigartiges sittengeschichtliches Phänomen aufgetaucht ist und vermutlich auch verschwinden wird:

Hedwig Court

Die Dämonisierung der Halbweltdame, ihre Erhebung zum Götzenbild femininer Erotik im Idol des markverzehrend männermordenden Vamps. Spätgeborenen, hat diese Generation die Begegnung mit dem Weiblichen in heure-bleue Stimmung (die blaue Stunde) vollzogen, die Lebensmilch gleich wie Champagner aus dem Stöckelschuh trank.

Kein Wunder: in ihren Genen spukt von großväterlicher Seite her die Kameliendame, mütterlicherseits der skandalöse Lord Henry als Einbläser des lastersüchtien Dorian Grey. So erhebt sich gleich einer astrologischen Konstellation über die Schwelle ihres erotischen Erdenwegs das mit Raben-schwingen beschattete Augenpaar der Cléo de Merode im Trigon mit der verruchten Flottheit der Tortajada und der semitisch profilierten Pikanterie der Saharet.

Zehrend mondbleich blickt das leidenschaftshungrige Antlitz Asta Nielsens auf ihre ersten Gehversuche nieder. Über ihrer Reife erliegt die Frauenherrlichkeit der Garbo und kulminiert die gnadenlose Siegesgewissheit Marlene Dietrichs.

Als habe der Herbst die verspätete Besinnung auf die natürlichen Lebensquellen heraufbeschworen, lässt er noch einmal die Brüste der Jane Russel und der Marilyn Monroe wuchern,

dann aber verkindet alles unter der hungrigen Prognathie der Brigitte Bardot. (Prognathie eine als unerwünscht geltende Stellung des Oberkiefers, bei der die oberen Schneidezähne so weit vorne stehen )

Soweit man Anthropologen und Kulturhistorikern glauben kann, hat das Bild der Frau zu allen Zeiten transzendiert. Immer war im idealisierten Phänotypus zugleich das Symbol eines lebensspendenden Prinzip gefasst, vom vergotteten Sinnbild schierer fleischlicher Fruchtbarkeit bis zur Personifikation der höchsten Sittlichkeit. Der Epoche von 1890 bis 1960 war es vorbehalten, sich von beiden loszusagen.

Pola Negri

Der Vamp ist das Symbol der Emanzipation des Mannes, seine Befreiung von der Traumata der Mutter und der Dame.

Verderbt und unfruchtbar, aller Bindung ledig und alle Bindung lösend in unwider-stehlicher verführerischer Macht, die Astarte der Neuzeit, welcher Greis und Jüngling ihre Männlichkeit zum Opfer bringen, ist der Vamp Verbündeter des bis zum Pfahlbürger gezähmten Mannes in der Auflehnung gegen das zivilisatorische Joch der Frau, das Sinnbild einer selbstzerstörenden Protestgebärde –

mit ihm tritt der verbitterte Abendländer sozusagen in den erotischen Hungerstreik. Denn die voluptuösen (Begierde erweckenden) Verheißungen des Vamps, die strotzenden Üppigkeiten seiner Reize sind unerreichbar wie die Früchte des Tantalus.

Die Einladung im Gutturalton führt zu keiner Zeugung, dient lediglich dazu, den Mut des Spießers so weit anzusiedeln, dass er bereit ist, alle Konventionen zu zerschlagen.Indes ist er damit um einen Schritt zu weit gegangen : Er hat die Libertinage so weit getrieben, den Vamp zu heiraten.

Wo der saugende Blick der femme fatal, die Schwelgerei ihres Dekolletés, die ritzende Lustbarkeit ihrer blutroten Nägel zur erotischen Hausmannskost gehören, zu legitimen Verführungsmitteln der angetrauten Gattin geworden sind, da erleidet das sexuelle Wunschbild notwendig eine Wandlung ins Gegenteil.

                                     (Zitat Mae West: “Zuviel des Guten kann wundervoll sein.”)

Mit anderen Worten: im gleichen Maße wie der Vamp zum typenprägenden Vorbild des Durchschnittsweibchens wird, unterliegt er der erotischen Auszehrung.

Aus den verlassenen eleusischen Gefilden (Insel der Seligen) schwüler Wunschträume, durchzogen noch vom nervenaufpeitschenden Geklingel des Klirrschmucks in den Nabelgruben und den betörenden Düften des „Réve dún partisan“, erhebt sich kinderstubenlau und rosig als neue Anima das Fräulein Romy Schneider.

Der Vamp vergeht mit der letzten inzestuösen Zuckung unserer sinkenden Männlichkeit. Das vorliegende Buch bezweckt, uns zugleich mit ihm die einstige Herrlichkeit ins Gedächtnis zurückzurufen.

Gregor von Rezzori

(Baron Gregor Arnulph Hilarius von Rezzori d’Arezzo, so sein ganzer Name.)

Bei Romy Schneider irrte sich von Rezzori,

denn die süße Sissi war nicht nur privat ganz und gar nicht „kinderstubenlau und rosig“ und zeigte in allen weiteren Filmen ein großartiges künstlerisches Repertoire an komplizierten, vielfältigen und modernen erotischen Frauenfiguren, die ihr den Ruhm eines internationalen großen Stars brachten. – Nur die Deutschen wollten und wollen sie ewig als zuckersüße, naive Sissi sehen!

Herzlichst Natascha

 

Zeichnungen von Paul Flora (* 29. Juni 1922 in Glurns, Südtirol; † 15.Mai 2009 in Innsbruck) war ein wunderbarer österreichischer Zeichner, Karikaturist, Grafiker, Illustrator und Schriftsteller.

 

 

 

Erfahren Sie mehr über Gregor von Rezzori:

Lachen vertreibt die Dämonen.

Von der Bukowina in die Toskana: Auch nach seinem 100. Geburtstag (2022 =108 Jahre) hätte es der Erzähler Gregor von Rezzori  verdient, in Deutschland so begierig gelesen zu werden, wie es in anderen Ländern der Fall ist.

Ein Artikel von Petra Reski ( Journalistin und Schriftstellerin) 12.05.2014

Vielleicht ging es den Deutschen mit Gregor von Rezzori so wie manchen Touristen mit Venedig: Sie sehen gotische Palazzi im grünblauen Wasser treiben, den Dogenpalast wie ein spitzen-durchwirktes Batisttüchlein im rosafarbenen Morgenlicht schweben, die Kuppeln der Markuskirche als graugrün schillernde Seifenblasen auf filigrane Alabastersäulen herabsinken, sie sehen, wie alles leicht, flirrend, scheinbar flüchtig und doch für die Ewigkeit gemacht ist, und sagen: Gott, ja, Venedig! Aber viel zu wenige Papierkörbe hier.

Wenn deutsche Leser Rezzori loben wollten, dann sagten sie: „Wer es gewohnt war, von Rezzori mit Seichterem bedient zu werden, wird hier enttäuscht.“ Rezzori war ein Schriftsteller, wie er hierzulande nicht vorgesehen war: Freigeist, Weltbürger, Märchen- und Mythenerzähler, gelernter Mitteleuropäer, Spurensucher, literarischer Kronzeuge eines versunkenen Europas, „Epochenverschlepper“: einer, der Menschen, Namen, Erfahrungen, Welten und ganze Zeitalter mit sich herumschleppte.

Am 13. Mai vor 100 (108) Jahren kam Gregor von Rezzori als jüngster Spross einer Adelsfamilie sizilianischen Ursprungs in Czernowitz zur Welt. Einige Wochen vor Beginn des Ersten Weltkriegs, als Czernowitz noch zum kakanischen Kronland Bukowina gehörte und dort sechs verschiedene Völker, acht Sprachen und sieben Religionen lebten. Ein mitteleuropäisches Universum, das Schriftsteller von Weltgeltung hervorbringen sollte: Paul Celan, Rose Ausländer – und eben Gregor von Rezzori.

Grischa, wie ihn Familie und Freunde zärtlich nannten, war fünf Jahre alt, als das Land unterging: „1919 kam die Bukowina an Rumänien. Ich war bald kein österreichisches Kind mehr, das stolz auf seinen Kaiser sein konnte, den alten, gütigen mit seinem Hausmeister-Backenbart und dem weißen Waffenrock mit der roten Schärpe, und den neuen, unglücklichen im schlichten Feldgrau.

der junge von Rezzori

Ich gehörte fortan zu einer der Minderheiten des Königreichs Rumänien wie die Juden, die Ukrainer, die Russen Bessarabiens, die Sachsen und Ungarn Siebenbürgens.“ 1940 wurde Czernowitz sowjetisch, den Krieg durchlebte Rezzori als Staatenloser in Berlin. Ein Leben lang behielt er den Blick des Fremden. Was nach dem Tod Europas verloren gegangen sei?, wurde er einmal gefragt. „Ein bestimmtes Licht, ein gewisser Lufthauch und das Mitgefühl“, sagte er

Nach Kriegsende ging Rezzori nach Hamburg zum NWDR, wo er als Hörfunkautor schon jene Bandbreite und Leichtigkeit an den Tag legte, jenes Wandeln zwischen E und U, das ihm in Deutschland nie verziehen werden sollte: Er berichtete nicht nur über die Nürnberger Prozesse, sondern schrieb für das Nachtprogramm auch die „Maghrebinischen Geschichten“ (1953), die als Buch Millionenauflagen erzielten: Geschichten aus einem Land, das „in keinem Atlas eingezeichnet und auf keinem Globus zu finden ist“, erzählt mit hintergründigem Witz. Als Schriftsteller sezierte Gregor von Rezzori nicht nur die Gesellschaft, sondern auch sich selbst. Sein Werk ist ein mäandernder Bewusstseinsstrom, in dem Sätze und Bilder treiben, die man nicht mehr vergisst. Der Roman „Der Tod meines Bruders Abel“ (1976) schildert die Geschichte Europas aus der Sicht eines Verzweifelten, bemerkte Elie Wiesel. Sein „Ödipus siegt vor Stalingrad“ (1954) kratzte an der noch feuchten Firnis der Fünfzigerjahre, sein „Hermelin in Tschernopol“ (1958) wurde mit dem Fontane-Preis ausgezeichnet. Aber obwohl die deutsche Literatur diesem „Anatom gesellschaftlicher Zerfallsprozesse”, wie Tilmann Spengler ihn nannte, große Romane, Erzählungen und Essays verdankt, wird Gregor von Rezzori ein Platz im hiesigen Literaturkanon bis heute verwehrt. Es gibt keine Gesamtausgabe seines Werks, er taucht selten in Vorlesungsverzeichnissen und noch seltener in Literaturgeschichten auf.

Im Ausland hingegen gilt Rezzori als einer der bekanntesten, elegantesten Erzähler und Essayisten deutscher Sprache.Georg Steiner hob die „Memoiren eines Antisemiten“ (1979) als eines der wenigen Büchern hervor, die von der deutschen Nachkriegsliteratur übrig blieben, Michael Ignatieff pries in der „Washington Post“ die autobiografische Erzählung „Blumen im Schnee“ (1989) als Meisterwerk, renommierte Germanisten wie Andrea Landolfi in Italien oder Anibal Campos in Spanien und Lateinamerika widmen sich seinem Werk, Schriftsteller wie Claudio Magris, Michael Ondaatje oder Bruce Chatwin schätzten nicht nur seine Bücher, sondern auch seine Freundschaft. Nur hier wurde er das Stigma des Unterhaltungsschriftstellers nicht los.

Nach Deutschland war ich gekommen wie in eine Falle“, schrieb er später. „Dort gehörte ich nicht hin. Ich war’s nicht, der dort unter meinem Namen, mit meiner Nase, mit meinem blauen Blick, meinen besonderen unvermerkten Merkmalen und meinen Kleidern herumlief; und war doch erst recht auf mich festgelegt. Mir war’s nicht wohl in meiner Haut. Ich spürte das Bedürfnis, aus mir heraus zu mir zurückzukommen.“ Er ging nach Italien,

wo er das Leben empfand „wie ein Clochard ein warmes Bad“. Mit seiner italienischen Frau, der Galeristin Beatrice Monti della Corte zog er zusammen mit 16 Möpsen auf das Landgut Santa Maddalena in die Toskana, unweit von Florenz. Noch in den deutschen Nachrufen wurde Rezzori zum „Schlawiner“, „Schlitzohr“ und „Salonlöwen“ degradiert – hatte er seine Leser doch schändlicher-weise zum Lachen gebracht.

Heute widmen ausländische Germanisten umfangreiche Forschungsarbeiten der Seltsamkeit, wie man den Schriftsteller hierzulande derart verkennen konnte, dass ihm Selbstironie und seine elegante Haltung vorgeworfen und seine produktive Vielseitigkeit als „Prostitution“ geschmäht wurde, bloß weil Gregor von Rezzori nicht auf Literaturstipendien wartete, sondern für „Illustrierte“ arbeitete. „Hier hat man die blödsinnige Vorstellung, dass man den Bereich des Literarischen nicht verlassen darf. Ich lebe nun mal von meiner Schreibfeder. Und die einzige Moral, die ich besitze, ist das, was ich tue, ordentlich zu tun.“

Dass Rezzori als Schauspieler und Drehbuchautor an Filmen mitwirkte, die bekanntesten sind Louis Malles „Viva Maria!“ mit Jeanne Moreau und Brigitte Bardot und Schlöndorffs „Michael Kohlhaas“, machte die Sache nicht besser. Noch unheimlicher war, dass er über sich selbst zu spotten verstand. „Lachen vertreibt Dämonen“, war seine Devise.

Auch im Alter war er noch ein schöner Mann mit wachen, hellen Augen, in deren Winkeln Ironie schimmerte. Hybris und Pomp blieben ihm fremd. Ein Schriftsteller hat keinen Einfluss auf die Welt, aber auf seine Erscheinung, befand er. Auch posthumer Ruhm interessierte ihn nicht. „Nach mir die Sintflut“, sagte er, als seine Frau vorschlug, eine Stiftung ins Leben zu rufen.

Glücklicherweise hielt Beatrice Monti della Corte sich nicht daran. Auf dem Landgut wird in der Stiftung Santa Maddalena zwischen Glyzinien, Olivenbäumen und Kaskaden von Rosen der Geist von Gregor von Rezzori bewahrt, gehen Schriftsteller, Künstler und Freunde ein und aus. Die Stiftung organisiert in Florenz ein Literaturfestival, bei dem jedes Jahr das Werk eines nicht-italienischen Schriftstellers und ein Übersetzer ausgezeichnet werden. In Santa Maddalena arbeiten Stipendiaten an Rezzoris Schreibtisch oder in jenem rosa-weiß-gestreiftem Zimmer im Wachturm, in dem einst Bruce Chatwin saß und schrieb.

Gregor von Rezzori wurde zu Füßen des Wachturms begraben, unter einer kleinen Pyramide aus Porphyr (vulkanisches Gestein). Als Geburtsort hat seine Frau „Tschernopol“ in den Stein schneiden lassen.

Auszeichnungen:

  • ▪ Theodor-Fontane-Preis (1959)
  • ▪ Premio Scanno (1987)
  • ▪ Premio Boccaccio
  • ▪ Premio Lorenzo Il Magnifico

https://www.bukowina-portal.de/de/ct/151-Gregor-von-Rezzori Biografie