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11. Auf zu spanischen Ufern

Kapitel 11 und 12

11. Auf zu spanischen Ufern

Theresa und Max haben die Catalina schon klar zum Auslaufen, während Flo noch ihre Kombüse aufklart. Giorgio löst die beiden Heckleinen, klettert die Gangway hoch,

zieht sie hinter sich an Deck und gibt das Kommando „Bug Anker hoch!“ Max startet die Maschine, die Catalina setzt sich langsam in Bewegung. Da im alten Hafen wieder emsiges Treiben herrscht, können sie sich nur langsam in Richtung der beiden Forts an der Hafenausfahrt bewegen. Eine halbe Meile vor der Küste gibt Giorgio das Kommando zum Segelsetzen. Max drückt auf den Knopf. Es passierte jedoch nichts. Er versucht es erneut, wieder nichts. Doch, jetzt leuchtet einer der roten Alarmknöpfe im Ruderhaus auf. Giorgio und Max sehen sich verständnislos an, blicken an den Masten hoch, ob sie irgendeinen Fehler feststellen können. Auch Pia, die gute Augen hat, sieht prüfend die Masten hoch. Sie entdeckte plötzlich ganz oben am Großmast, dass sich offensichtlich eine der Leinen beim Einholen der Segel an den Rahen verheddert hat und dadurch das Großsegel festsitzt und nicht ausgefahren werden kann.

Sie erklärt Giorgio ihre Vermutung, worauf der knurrt: „So´n Schiet, es bleibt uns nichts anderes übrig, als dass einer da rauf klettert und den Kram endtütelt. Aber nur mit Sicherungsleine. Das ist ausgerechnet die höchste Stelle auf dem ganzen Schiff, so´n Mist. Wir werden mit langsamer Motorkraft weiterfahren, damit die Catalina nicht so dümpelt. Wenn wir es nicht schaffen, geht´s zur Not zurück in den Hafen!“ Darf ich da hoch? Ich will doch mal in die Wanten klettern und das Schiff von oben sehen. Schwindelfrei bin ich auch, bitte Giorgio!“ quengelt Pia. Nee, das lass mal lieber Max machen, der hat mehr Kräfte.“ Giorgio schaut seinen Sohn an, merkt aber, dass dieser davon gar nicht begeistert ist.Pias Augen funkeln empört: „Was soll das Giorgio, ich habe genauso eine Ausbildung wie Max gemacht, mit Knoten kenne ich mich auch aus. Außerdem weist Du, dass Max Probleme mit der Höhe hat. Traust Du mir das nicht zu, nur weil ich ein Mädchen bin?“ Gott bewahre, Dir traue ich fast alles zu, aber das hat doch damit nichts zu tun. Ich denke nur, dass das ganz schön anstrengend und Kraft raubend ist und Max ja nun doch etwas stärker ist als Du.“

Pia wirft ihm einen giftigen Blick zu, zwängt sich bereits in ihre Jeans, legt das Sicherheitsgeschirr und den Werkzeuggurt an. Dann fängt sie an, den Großmast zu erklimmen und ist immer noch geladen. Die Empörung verleiht ihr zusätzliche Kräfte. Als sie endlich oben ist, der Wind in ihre langen, blonden Haare fährt und die Wellenbewegungen des Schiffes hier viel stärker spürbar sind als unten, muss sie doch schlucken und hat plötzlich ein mulmiges Gefühl im Magen.

Als sie jedoch den Sicherheitsgurt eingeklinkt hat und den grandiosen Ausblick auf ihr Schiff und das Meer sieht, ist dieses Gefühl wieder verschwunden. Sie wendet sich ihrer Aufgabe zu und stellt fest, dass sich eine der Leinenführungen gelöst hat und nicht mehr am Mast befestigt ist, sondern lose herabhängt. Sie schraubt die Führung wieder fest, wickelt die Leine von den Rahen und alles ist wieder in Ordnung. „Ok Giorgio, ich hab den Schaden behoben, auch wenn ich nur ein Mädchen bin!“ schreit sie sarkastisch von oben herunter. Sehr schön, in Anerkennung Deiner Verdienste um die christliche Seefahrt, ernenne ich Dich hiermit zum Vollmatrosen. Jetzt komm vorsichtig herunter!“ ruft er flachsend zurück. Nachdem die Segel ausgefahren sind und die Catalina, Dank eines günstigen Nordwest Windes, ordentlich Fahrt aufnimmt, haben sich die Gemüter schnell beruhigt.

Vollmatrose Pia grübelt allerdings über die lose Seilführung nach. „Giorgio, ich verstehe eins nicht, die Werft in Genua hat das Schiff doch gründlich überholt. Auf dem Weg nach Marseille hat doch noch alles funktioniert. So ein Teil kann sich doch nicht von selbst lösen, oder?“ „Meinst Du, da hat jemand nachgeholfen?“ Eigentlich können das nur Flo´s neue Freunde gewesen sein. Wahrscheinlich als wir gestern Abend zum Essen waren, bevor sie ausgelaufen sind. So ein Mistpack!“ „Leider können wir das nicht beweisen, also vergessen wir die Sache am besten,“ zieht Giorgio einen Schlussstrich.

Die französische Küste gerät bald außer Sicht. Um sie herum ist nichts, außer Wind und Wellen.

Eine Weile haben sie noch mit regem Schiffsverkehr zu kämpfen, der jedoch, je weiter sie nach Süden kommen, immer weniger wird. Bei leichter Dünung und Windstärke vier bis fünf, fast von achtern, haben sie ideale Segelbedingungen. Giorgio läßt nun Theresa das erste Mal ans Ruder, da er will, dass auch sie die wichtigsten seemännischen Tätigkeiten beherrscht, um im Notfall einspringen zu können. Nur Arbeiten, die man kann und kennt, machen einem in Krisensituationen keine Angst, ist sein Motto. Theresa macht es jedenfalls großen Spaß, als sie merkt, wie leicht die Catalina auf ihre Kommandos reagiert.

Flo und Max liegen faul in ihren Deckchairs und dösen, während Pia im Logbuch schreibt und Kolumbus unterm Tisch schläft. Giorgio brütet über seinen Seekarten und achtet mit einem Auge auf Theresa, stellt aber schnell fest, dass sie offensichtlich eine Begabung für die Seefahrt hat, da sie sich bei allen Arbeiten äußerst geschickt angestellt. Ich glaube, ich war in meinem früheren Leben mal Seeräuberbraut!“ ruft sie fröhlich. Plötzlich merkt Theresa, dass das Schiff langsamer und die Segel schlaffer werden. Was ist denn jetzt los?“ schaut sie erstaunt auf Giorgio. „Du musst das Schiff mehr in den Wind drehen!“ Flo´s altkluge Bemerkung bringt Theresa in Rage. „In welchen Wind denn, Du Schlaule, wenn kein Wind da ist, kann ich auch nichts drehen!“  Tatsächlich hat sich der Wind innerhalb weniger Meter vollkommen gelegt. Es wurde völlig windstill. Na, irgendwann müssen wir auch mal mit Flaute rechnen, aber dass es uns hier schon erwischt, hätte ich nicht gedacht, zumal der Seewetterbericht was anderes sagt.“ wundert sich Giorgio. „Sollen wir die Segel reffen?“ „Nee warum, wir sollten jedes bisschen Wind ausnutzen um weiter zu kommen und lange kann die Flaute eigentlich nicht dauern,“ vermutet er. Also dümpelt die Catalina, fast ohne Fahrt zu machen, vor sich hin und rollt dadurch deutlich stärker in der Dünung. Die läßt auch langsam nach und um sie herum ist schließlich nur noch eine spiegelglatte Wasseroberfläche. Eine merkwürdige, fast gespenstige Stille schwebt über dem Schiff, das jetzt völlig bewegungslos im Wasser liegt. „Wollen wir mit Motor weiterfahren?“ schlägt Max vor. „Nee, wir haben doch Zeit und Proviant haben wir auch genug. Wir müssen nicht gleich bei der ersten kleinen Flaute auf die Errungenschaften der Neuzeit zurückgreifen. Außerdem ist der Sprit viel zu teuer, als das wir ihn verschwenden müssen,“ entscheidet der Käpt´n .

Die ganze Crew, außer Flo, dösen an Deck. Die ist mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beschäftigt und versucht eine Bouillabaisse hinzubekommen, da ihr der Geschmack von Vorgestern noch gut in Erinnerung ist. Sie hat sich die notwendigen Zutaten noch auf dem alten Fischmarkt besorgt und bekommt, nach einigen Anläufen, die Bouillabaisse fast genauso gut hin, wie im Restaurant. Käpt´n und Crew sind begeistert. Da sie flautentechnisch nichts anderes machen können, zieht sich das Essen über drei Stunden hin. Ab und zu sehen sie neidvoll in der Ferne einen Frachter vorüberziehen. Nach dem Essen führt Giorgio ein Seefunkgespräch mit Hubertus und hört zufrieden, dass in Hamburg, oder zumindest in der Firma Lindner & Meyerdierks alles in Ordnung ist.

Pia und Flo liegen sonnenbadend im Klüvernetz während Theresa und Max sich in ihre Kabine zurückgezogen haben. Am späten Nachmittag regt sich noch kein Lüftchen. „Ich sehe uns schon die Nacht hier verbringen“ seufzt Flo. Plötzlich setzt sie sich ruckartig auf und ruft: „Mensch, wir fahren ja!“ Sie hat entdeckt, dass die Catalina, wenn auch langsam, wieder Fahrt aufnimmt. Nach einem prüfenden Blick in die Takelage stellt sie fest, dass die Segel nach wie vor schlaff herunterhängen. „Giorgio wir kommen vorwärts, auch ohne Wind. Reiten wir auf einem Wal, oder was ist los?“ fragt sie irritiert. Giorgio ist am Bug und starrt ins Wasser. „Tatsächlich, wir machen Fahrt. Das kann eigentlich nur irgendeine Strömung sein. Hoffentlich treibt sie uns in die richtige Richtung. Das werde ich gleich mal nachprüfen.“ Schon ist er Richtung Kartentisch verschwunden. Flo rennt hinterher, beide stellen erfreut fest, dass die Strömung sie höchstens zwei bis drei Grad vom Kurs abbringt, was später leicht zu korrigieren ist. Wenn wir wenigstens so weit kommen, biss wir irgendwo wieder auf Wind stoßen, wäre uns ja geholfen.“ hofft Giorgio. Aber er hofft zu früh, die Strömung hält zwar noch einige Zeit an, wird dann immer schwächer und ist bald gar nicht mehr zu merken. Es ist absolut Windstill und das Meer glatt wie in einer Badewanne. „Das hat uns jetzt ungefähr vierzig Seemeilen weitergebracht, aber 270 müssen wir noch bis Javea. Also gedulden wir uns weiter,“ resigniert Flo.

Die Nacht bricht herein. Sie sitzen um den großen Tisch an Deck und spielen Doppelkopf.Die Deckswache für die Nacht wird diesmal auf alle fünf verteilt, da Giorgio zufrieden festgestellte, dass Theresa hierfür durchaus einsatzbereit ist. Sie haben zusätzliche Positionslichter gesetzt um vorbeifahrende Schiffe rechtzeitig zu warnen. Giorgio hat vor dem Schlafen, noch mal den Wetterbericht gehört, der für das westliche Mittelmeer nur von schwachen Winden mit Stärke zwei bis drei spricht, aber eine völlige Windstille mit keinem Wort erwähnt.

Die letzte Wache, von sechs bis acht hat Pia übernommen und sitzt nun, mit einem leichten Strandkleid bekleidet, am Tisch neben dem Ruderhaus und kämpft mit der Müdigkeit. Plötzlich trifft eine heftige, völlig unvermittelte Böe auf das Schiff, bläht, mit leichtem Knall sofort die Segel auf Die Catalina legt sich Backbord leicht auf die Seite und nimmt unvermittelt Fahrt auf. Pia hat sich so erschrocken, dass sie einen Moment braucht, um zu reagieren. Als sie sich dann gefangen hat, ist der Spuk schon wieder vorbei. Es bleibt jedoch ein leichter Wind aus Nordwest, der das Schiff vorwärts bringt und sie schnell ins Ruderhaus treibt, um den Kurs neu zu berechnen und die Catalina in die geplante Richtung zu bringen.

Der Himmel ist jetzt Wolkenverhangen. Nur ab und zu leuchtet die Sonne milchig weiß zwischen den Wolkentürmen hindurch. Es fasziniert sie, in welcher Geschwindigkeit sich auf dem Meer das Wetter ändern kann.Vom Rest der Familie ist noch nichts zu sehen, also beschließt sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Catalina macht jetzt ordentlich Fahrt und sie achtet darauf, den vorgegebenen Kurs einzuhalten. Schon wird das Meer deutlich unruhiger. Die Wellen haben bereits Höhen von über einem Meter erreicht. Auch der Wind nimmt weiter zu und bläßt mit Stärke vier. Das Schiff pflügt nun mit über zehn Knoten durch die Fluten. Pia überlegt, ob sie nicht doch lieber Giorgio holen soll, da ihr das Wetter langsam etwas unheimlich wird.

Sie hört den Wetterbericht ab, der nun für die spanische Mittelmeerküste ein leichtes Unwetter mit Windgeschwindigkeiten von sieben bis acht in Böen voraussagt. Sie holt vorsichtshalber zunächst das Großsegel ein.

Kaum ist das Segel eingefahren, öffnet der Himmel seine Schleusen. Es schüttet wie aus Eimern. Sie versucht noch die Sachen vom Tisch und den Deckchairs in Sicherheit zu bringen und wird dabei schnell bis auf die Haut nass. Ihre Rundungen zeichnen sich deutlich unter dem dünnen Stoff ab. Sie fühlt sich wie bei einem wet T-Shirt Wettbewerb in obskuren Discotheken. Weil sie jetzt nicht auch noch frieren will, zieht sie das nasse Kleid aus und steht, nur mit ihrem Slip bekleidet, am Ruder und versucht die Catalina auf Kurs zu halten. Die Wellen lassen das Schiff ordentlich tanzen, was Giorgio offensichtlich aufweckt. Er erscheint kurz darauf an Deck, schaut sich staunend um und fängt schallend an zu lachen, als er Pia fast im Evas Kostüm am Ruder sieht. Mensch Pia, wenn jetzt ein Kreuzfahrtschiff vorbeikäme, würde das glatt kentern, weil alle Passagiere nur auf der Steuerbordseite hängen würden, um Dich zu bewundern. Hat Dir der Sturm die Kleider vom Leib gerissen? Aber Spaß beiseite, was ist passiert.

Warum hast Du mich nicht früher geweckt?“ „Wollte ich ja, aber ich muss doch hier Kurs halten.“ meint sie und erzählt von den jüngsten Wetterkapriolen. „Für solche Fälle hab ich doch extra eine Sprechanlage einbauen lassen. Du musst nur hier drauf drücken, schon kannste mit mir sprechen.“ „Woher soll ich das denn wissen, haste mir nie gezeigt!“ beschwert sich Pia. „Ach Du hast bloß nicht zugehört. Jetzt mach, dass Du unter Deck kommst, nimm eine heiße Dusche und zieh Dir trockene Sachen an, sonst erregst Du hier noch Neptun!“ lacht er.

Da der Wind immer weiter zunimmt, entscheidet Giorgio auch noch das Besansegel einzuholen und nur mit der Fock zu segeln um die Catalina nicht zum Spielball der Wellen zu machen.Jetzt tauchen auch Max, Theresa und Flo auf und peilen die Lage. Giorgio erteilt sofort knappe Kommandos und ruft: Flo, Du sicherst im Salon und in der Kombüse alles, was herumfliegen kann, prüfe auch, ob alle Luken dicht sind und lass Kolumbus unter Deck. Pia soll Dir dabei helfen. Ab sofort trägt jeder eine Schwimmweste, auch Kolumbus. Max und Theresa, Ihr legt Euer Sicherheits-geschirr an und sichert alle losen Teile an Deck.“ Ay, ay Sir, kommt es dreistimmig zurück. Der Wind hat schon Stärke acht erreicht und treibt das Schiff, obwohl nur noch das Focksegel gesetzt war, pfeilschnell durch die Wellen. Giorgio überkommt fast das Gefühl, auf einem Surfbrett die Wellen abzureiten. Da der Wind jetzt ziemlich genau von achtern kommt, können sie glücklicherweise mit den Wellen segeln.

Er will, so lange wie möglich diesen Kurs beibehalten und erst im letzten Moment eine Halse nach Steuerbord wagen um die Wellenberge, die sich bereits auf über drei Meter auftürmen, nur so kurz wie möglich Mittschiffs zu haben. Dennoch kann er nicht verhindern, dass das Schiff immer wieder in Wellentäler stürzt und das Gefühl aufkam, in einer Achterbahn zu fahren. Trotz aller Anspannung ist Giorgio die Ruhe in Person. Bei diesem stürmischen Wetter zeigt die Catalina ihre hervorragenden Segeleigenschaften.

Es macht ihm riesigen Spaß, die Wellenberge zu durchpflügen. Auch Theresa zeigt an seiner Seite keinerlei Angst und ist eifrig mit Kurs Berechnungen beschäftigt. Max hat sich zu ihnen gesellt und sucht ständig den Horizont nach anderen Schiffen ab. Er hat alles, was an Deck irgendwie lose war, festgezurrt oder unter Deck gebracht. Giorgio muss nun den Kurs leicht korrigieren. Der Wind erwischt sie jetzt mehr seitlich und sorgt dafür, dass die Catalina stärker von Brechern erfasst wird und stärkere Schlagseite bekommt. Auch das Deck wird überspült. Ohne Sicherungsleinen wäre es lebensgefährlich, sich an Deck zu bewegen. Er dreht das Schiff weiter in den Wind und schon richtet die Catalina sich etwas mehr auf. Aber nun geht die Achterbahnfahrt in eine neue Runde. „Zur Zeit können wir nur zwischen Pest und Cholera wählen!“ ruft Giorgio sarkastisch. Zeitweise haben sie Böen bis Stärke zehn und alle Hände voll zu tun, das Schiff einigermaßen unbeschadet durch diesen Sturm zu bringen. Zwischen dem Heulen des Windes und dem Tosen des Meeres, mischt sich jetzt auch noch das Ächzen der Masten und das helle Schlagen und Klappern der Takelage. Giorgio hat das Gefühl, dass die alte Dame jetzt erst richtig in ihrem Element ist und im Sturm erst auflebt.

Am Nachmittag ebbt der Sturm endlich ab. Die Wellenberge werden langsam wieder zu Hügeln.

Giorgio und Max haben die ganze Zeit im Ruderhaus verbracht, ab und zu von Theresa besucht, die sie mit Getränken und belegten Broten versorgt. Flo hat die Seekrankheit erwischt und sich mit Kolumbus, der mit ihr litt, in ihre Kabine zurückgezogen. Pia kümmert sich um die Beiden und wundert sich, dass ihr die Schaukelei nichts ausmacht.“ Gegen fünf kommt endlich die Sonne wieder zum Vorschein. Es weht nur noch ein laues Lüftchen in Stärke drei, aber die Wellen lassen erkennen, dass hier vor kurzem noch ein heftiger Sturm tobte.

 Kabbeliges Wasser läßt die Catalina unruhig hin und her tanzen und erfordert Giorgios volle Aufmerksamkeit. Pia kommt an Deck und fordert energisch die Ablösung von Giorgio. „Du bist seit heute Morgen ununterbrochen am Ruder, jetzt ist Pause angesagt. Ich löse Dich ab und Du kannst Abendessen. Da unser Smutje ausgefallen ist, habe ich Brote gemacht. Also lass es Dir schmecken.“ Sie schiebt ihn energisch Richtung Niedergang.

Ein paar Minuten später löst Theresa Max ebenfalls mit sanfter Gewalt ab. Die beiden Mädchen versuchen das Schiff so ruhig wie möglich zu halten und nehmen sogar geringe Kursabweichungen in Kauf. Die Abendsonne hat längst alles wieder getrocknet.

Theresa holt Flo jetzt an Deck, weil sie der Meinung ist, das sie an der frischen Luft schneller ihre Seekrankheit überwinden wird. Aber kaum ist Flo an Deck und sieht den auf und ab tanzenden Horizont, rennt sie zur Reling, um erneut Neptun zu opfern. „Immer auf der Wind abgewandten Seite, Flo, sonst gibt’ s ein Unglück!“ ruft Pia hinter ihr her. Nach einer Viertelstunde an Deck geht es Flo deutlich besser und sie kann schon wieder lachen.

Die Wellen werden flacher und das Schlingern läßt weiter nach. Nach einer neuen Kursberechnung stellt Pia erstaunt fest, dass sie trotz des heftigen Sturms aus der richtigen Richtung nur etwa achtzig Seemeilen weitergekommen, aber ungefähr dreißig Seemeilen nach Südost abgedriftet sind. Sie korrigiert also den Kurs auf Westsüdwest und hat bereits wieder alle Segel gesetzt. Da der Wind auf Nordwest gedreht hat, nimmt die Catalina zügig Fahrt auf. Nichts erinnert mehr an das Chaos der vergangenen Stunden. Alle geniessen jetzt die klare Nachtluft und einen wunderbaren Sternenhimmel, wie ihn nur der Süden hervorbringen kann. Flo hat sich gut erholt, auch Kolumbus nagt bereits wieder genüsslich an einem Knochen herum.

Über Seefunk hört Max gerade, dass zwei Segelyachten seit dem Sturm vermisst werden. Die Eine ungefähr dreißig Seemeilen weiter westlich und die Andere etwa vierzig Seemeilen südlich von ihnen. „Mensch, das ist doch genau auf unserem Kurs, da müssen wir doch helfen!“ ruft Pia aufgeregt. „Natürlich nehmen wir die Suche auf. Ich werde die spanische Küstenwache über unsere Position informieren und versuchen, eine genauere Positionsbeschreibung der Yacht zu bekommen. Ab sofort müssen wir das Meer absuchen. Einer an Backbord, einer an Steuerbord und einer am Bug. Gott sei Dank haben wir gute Sicht, der Himmel ist wolkenfrei und der Mond scheint auch,“ gibt Giorgio ruhig und sachlich seine Anweisungen. An Max, Theresa und Flo verteilt er Nachtsichtgeräte und überläßt Pia das Ruder.

Alle suchen angestrengt den Horizont ab, als Giorgio zurückkommt und erklärt: „ Es soll eine zwölf Meter Yacht sein, mit vier jungen Leuten an Bord. Das Schiff heißt „Luisa C“ und kommt aus Sizilien. Der letzte Notruf kam ungefähr von hier.“ Er zeigt auf einen Punkt in der Seekarte, der nur etwa ein Grad südlich von ihrem Kurs ist und etwa zwanzig Seemeilen voraus liegt. „ Wenn von der Yacht noch was übrig ist, oder Menschen im Wasser treiben, müssten wir sie doch eigentlich mit etwas Glück finden!“ hofft Flo. Wir werden noch etwa zehn Meilen mit vollem Zeug segeln, dann das Großsegel einholen, da wir bei langsamer Fahrt leichter suchen können.„Ein Erzfrachter und ein Containerschiff sind auch in der Nähe und beteiligen sich an der Suche, brauchen aber noch etwa zwei Stunden.

Die Küstenwache hat zwei Schnellboote losgeschickt. Die brauchen mindestens noch eineinhalb Stunden und suchen dann den westlichen Bereich ab. Wir sollen im östlichen Gebiet suchen!“ hat Giorgio erfahren. Sie suchen pausenlos intensiv mit ihren Nachtgläsern die riesige Wasserfläche ab, bis ihnen die Augen schmerzen, können aber absolut nichts entdecken. Pia denkt daran, wie furchtbar es sein muss, so ganz allein im dunklen Wasser zu treiben, festgeklammert an ein Holzstück oder einen Rettungsring und dem Tod ins Auge zu blicken. Die Angst, in dieser dunklen, riesigen Wasserwüste nicht gefunden zu werden und elendig absaufen zu müssen, würde sie wahnsinnig werden lassen.

Es ist bereits zwei Uhr Nachts, keiner von ihnen denkt an Schlaf oder an aufgeben. Das Seegebiet, das sie bisher abgesucht haben markiert Giorgio in der Seekarte und ändert dann den Kurs auf etwas weiter südöstlich. Der Mond steht jetzt genau über ihnen und taucht alles in ein gespenstisches Licht. Plötzlich schreit Theresa: „Ich sehe was, aber ich kann nicht erkennen, was es ist!“ Sie zeigt aufgeregt auf eine Stelle leicht nördlich von ihnen. Sofort stürzen Max und Flo herbei und starren auf die bezeichnete Stelle. „Ja, da ist tatsächlich was, Giorgio, wir müssen zwei Strich Backbord.“ Max deutet auf die ausgemachte Stelle. Giorgio holt alle Segel ein und startet die Maschine um besser navigieren zu können.

Langsam kommen sie näher, Max kann durch sein Glas erkennen, dass es sich um eine völlig ramponierte Rettungsinsel handelt. Das Dach ist zerfetzt und es ist kein Lebenszeichen auszumachen. Sie fürchten das Schlimmste. Sucht bitte weiter die Umgebung ab, ich glaube nicht, dass da noch jemand drin ist, aber vielleicht ist in der Nähe noch was zu sehen. Max, mach das Dingi klar, wir fahren rüber!“ ruft Giorgio seinem Ältesten zu.

Als sie bis auf Fünfzig Meter heran gekommen sind, lassen sie das Beiboot zu Wasser. „Pia, Du übernimmst hier das Kommando, ich klär mit Max drüben die Lage.“ Schon steuert er mit Vollgas die Rettungsinsel an. Dort bietet sich ihnen ein erbärmliches Bild. Die Rettungsinsel ist mit allen möglichen Gegenständen und Kleidungsstücken übersät, aber ein menschliches Wesen ist nicht zu sehen. Max klettert rüber und befestigt eine Leine an ihrem Boot. Dann will er sich zu dem Kleiderstapel hinunterbeugen um nach eventuellen Hinweisen zu suchen, als er unter dem Stapel ein leises Wimmern hört. Fast völlig verdeckt von dem ganzen Zeug legt er ein junges Mädchen von vielleicht neunzehn Jahren frei, die ihn mit dunklen Augen, völlig apathisch ansieht und vor sich hin wimmert.Giorgio, hier ist ein Mädchen, sie lebt aber sie ist, glaube ich verletzt!“ ruft er und schaut sich prüfend weiter um. Auf der anderen Seite entdeckt er jetzt noch ein Mädchen, vielleicht zwei oder drei Jahre älter. Sie war entweder tot oder bewusstlos. Beide haben nur Bikinis an und darüber Rettungswesten. Max, komm rüber, wir ziehen die Insel zur Catalina und hieven sie über die Badeplattform an Deck!“

An der Catalina angekommen hat Pia bereits die Plattform heruntergelassen und den Heckstrahler eingeschaltet. Vorsichtig ziehen sie die Mädchen hoch, die Reste der Rettungsinsel gleich hinterher. Im Schein der Lampe sehen sie, dass die Ältere der Beiden eine klaffende Wund am Oberarm hat, auch etliche Blutergüsse und Hautabschürfungen. Max prüft den Puls und merkt, das er sehr schwach ist, aber dass sie noch lebt. Auf den ersten Blick hat sie keine weiteren Verletzungen, ist aber noch ohne Bewusstsein. Auch die Jüngere hat viele Schnittwunden und Blutergüsse.

Sie schleppen beide Mädchen in die leeren Heckkabinen, hinter der Kombüse. Pia zieht ihnen vorsichtig die Rettungswesten aus und versucht, mit dem einen Mädchen behutsam auf Deutsch Kontakt aufzunehmen. Keine Reaktion, also versucht sie es auf Englisch. Nach einer kleinen Ewigkeit flüstert die Jüngere, auch auf Englisch, dass sie Gina heißt und aus Rom stammt. Flo bringt ihr zur Beruhigung erst mal einen Tee. Max kommt mit seinem Sanitätskoffer und kümmert sich jetzt um Ginas Wunden.

Langsam beruhigt sich Gina und erzählt ihnen, dass sie mit ihrer Freundin Loretta, ihrem Freund Antonio und Silvio, dem Freund von Loretta von Sizilien aus nach Barcelona segeln wollten und dann in diesen Sturm gekommen sind. Weil er so plötzlich kam, konnten sie nicht mehr rechtzeitig die Segel reffen. Eine heftige Böe hat das Boot einfach umgeworfen. Sie hatten gerade noch Zeit, die Rettungsinsel ins Wasser zu bringen, einen Notruf abzusetzen und einige Dinge zusammen zu suchen, als die Gasflasche explodierte und ihr Boot in Stücke riss. Die beiden Jungen wurden ins Wasser geschleudert. Sie und ihre Freundin konnten sich gerade noch an der Rettungsinsel festhalten. Sie selbst ist bei der Explosion von einem herumfliegenden Teil am Arm getroffen worden. Ihre Freundin wurde von irgendeinem Teil am Kopf getroffen und ist seither ohnmächtig. Sie hatte Loretta mit viel Mühe in die Rettungsinsel schieben könnten.

Von den beiden Jungen fehlt seitdem jede Spur. Gina hat entsetzliche Angst, dass die beiden nicht mehr Leben könnten. Giorgio, der die Sachen aus der Rettungsinsel geborgen hat und jetzt dazu kommt, fragt Gina, ob die beiden Jungen wenigstens Schwimmwesten angezogen hätten. „Ja, das war das erste was wir gemacht haben, als der Sturm losbrach,“ antwortet sie. „Also, dann besteht auch noch Hoffnung, dass sie gefunden werden. Pia und Theresa, Ihr versorgt die Mädchen, so gut es geht. Flo, Max und ich halten weiter Ausschau nach den Jungs und suchen das Wasser ab.“

Schon läuft er den Niedergang hoch, an Deck. Als erstes informiert er per Seefunk die Küstenwache über die Ereignisse und gibt ihre genaue Position an. Er teilt ihnen mit, dass sie jetzt nur noch nach zwei Personen, die nur mit Schwimmwesten im Wasser treiben würden, Ausschau halten und bittet darum alle weiteren Rettungskräfte in dieses Gebiet zu schicken. Dann sucht er mit Flo und Max wieder die Wasseroberfläche ab, was nicht einfach ist, da ein einzelner Mensch, noch dazu bei Dunkelheit in dieser Wasser Wüste nicht leicht auszumachen ist. Unter Deck versorgen Pia und Theresa indessen die Schiffbrüchigen, ziehen beiden die nassen Bikinis aus und geben ihnen aus eigenen Beständen trockene T-Shirts und Unterwäsche. Gina ist im Bad, hat heiß geduscht und föhnt sich jetzt ihre langen, fast schwarzen Haare trocken. Theresa versucht unterdessen, Ginas Freundin Loretta mit nassen Tüchern wieder zum Leben zu erwecken. Ihr fällt trotz der zerzausten Haare und der verlaufenden Schminke auf, das beide Mädchen recht hübsch sind. Loretta hat relativ kurze, dunkelbraune Haare und ein ausdrucksvolles Gesicht. Beide sind groß und schlank. Vom Aussehen her, typische Italienerinnen. Es dauert noch eine gute Viertelstunde bis Theresas Bemühungen Erfolg zeigen und Loretta die Augen aufschlägt. Sie schaut sich verwirrt um, sieht dann aber ihre Freundin Gina und ist etwas beruhigter. Theresa stellt sich und Pia auf spanisch vor, da Spanisch ihre Muttersprache ist, die sie deutlich besser als englisch kann. Außerdem erklärt sie, dass Italiener und Spanier sich gegenseitig ganz gut verstehen können. Sie erzählt ihr, was passiert ist und wo sie sich befindet.

Loretta setzt sich auf und fasst sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Kopf. Sie erzählt, dass sie von irgend etwas am Kopf getroffen wurde und seitdem nichts mehr wisse. Pia fühlt ihren Hinterkopf ab, bemerkt nun eine große Beule und verpasst ihr kalte Kompressen zum abschwellen. Loretta sieht Gina an und fragt plötzlich angstvoll nach ihren beiden Freunden. Als sie hört, dass die noch nicht gefunden wurden, will sie sofort an Deck und mit suchen. Nichts da, Ihr werdet in der Koje bleiben und wieder zu Kräften kommen. Am besten, Ihr schlaft erst einmal. Wir werden uns jetzt auch an der Suche beteiligen“ verkündet Pia energisch. Beide sehen sie aus traurigen Augen an, wagen jedoch keinen Widerspruch.

Giorgio hat den Motor wieder ausgestellt und das Focksegel ausgefahren, weil er hofft, das die Catalina so in die gleiche Richtung treiben würde, wie die beiden Vermissten. Nach mehr als einer Stunde, es wird langsam wieder hell am Horizont, entdeckt Pia einen kleinen roten Punkt auf der Steuerbordseite und ruft aufgeregt. „Giorgio, da ist was, ich glaub dass könnte ne Schwimmweste sein. Nach einem Blick durch sein Glas gibt er ihr Recht und ruft Max zu. „Segel einholen und Beiboot klarmachen!“ Wieder klettern sie in das Dingi und fahren auf den roten Punkt zu. Es ist tatsächlich einer der Jungen, der leblos, mit dem Gesicht nach oben, in seiner Schwimmweste hängt. Sie ziehen ihn behutsam an Bord und fahren so schnell wie möglich zur Catalina.

Pia und Flo stehen schon bereit und hieven ihn gemeinsam auf die Badeplattform. Theresa hat den Erste Hilfe Koffer geholt. Sie stellt bei dem Jungen einen sehr schwachen Puls fest. Max fängt sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen und Mund zu Mund Beatmung an, wie er es beim Bund gelernt hat. Nach drei Minuten wird er von Pia abgelöst, die den Jungen in eine stabile Seitenlage dreht. Nach kurzer Zeit kommt ein großer Schwall Wasser aus seinem Mund. Der Puls wurde stärker und er schlägt langsam die Augen auf. Giorgio ist erleichtert und entscheidet: „Max und ich bringen den jungen Mann in die andere Kabine, er ist bestimmt unterkühlt und muss erst mal warm gehalten werden. Ihr Beide sucht bitte weiter das Wasser ab, vielleicht finden wir den zweiten auch noch irgendwo hier. Pia kommt mit und kann ihn dann weiter versorgen. Wir kommen gleich zurück und helfen bei der Suche!“

In dem Moment sieht Flo auf der Steuerbordseite, nicht allzu weit entfernt, ein graues Schiff der spanischen Küstenwache langsam vorbeiziehen und weiß, dass die sich auch an der Suche beteiligen. Sie drehen aber bald nach Nordwesten ab und sind kurz darauf außer Sichtweite. Nach einer Stunde kommt Pia an Deck und berichtet, dass es sich um Antonio, den Freund von Gina handelt. Ihm ist übel, da er viel Wasser geschluckt haben musste. Er hat eine lange, blutende Wund am linken Oberschenkel und ein gebrochenes Handgelenk. Max hat die Wunde versorgt und das Gelenk notdürftig geschient. Er muss in ein Krankenhaus, Giorgio. Loretta hat wohl auch mehr abbekommen als gedacht. Sie klagt über starke Schmerzen unter der rechten Brust. Ich hab mir das angesehen und vermute, dass sie sich ein paar Rippen gebrochen hat.“

Ich habe eben mit der Küstenwache gesprochen. Die fragen, ob es uns möglich ist, wenn nichts lebensbedrohliches vorliegt, die drei Geretteten mit nach Javea zu nehmen. Am Kai würden sie dann von Krankenwagen abgeholt. Sie selbst suchen jetzt verstärkt, mit zwei weiteren Schiffen, nach dem vierten Mann.“ Also, dann vermute ich, setzten wir wieder alle Segel und donnern mit Volldampf Richtung Javea,” meint Max. „Sehr richtig, wir halten zwar weiter nach dem vierten Mann Ausschau, aber die intensive Suche überlassen wir jetzt den anderen und sehen, dass wir die drei so schnell wie möglich ins Krankenhaus kriegen.“ Pia hat Antonio in mehrere Wolldecken gehüllt, ihm warmen Tee eingeflößt und war ganz glücklich, dass er jetzt eingeschlafen war. Sie schätzt ihn auf ungefähr fünfundzwanzig, merkwürdigerweise mit blonden Haaren, markantem Gesicht und schlankem Körper.

Er ist ein durchaus interessanter Typ, aber nach Italiener sieht er nicht unbedingt aus, überlegt Pia. Sie geht in die Nachbarkabine und sieht, dass Loretta offensichtlich eingeschlafen war und Gina, die ihre Lebensgeister schon wieder beisammen hat, in einer Modezeitschrift blätterte. Als Pia sie so sah, stellt sie fest, dass die Beiden schon gut zu einander passen und wünscht sich in diesem Moment auch wieder einen festen und zuverlässigen Freund an ihrer Seite. Diese sehnsuchtsvollen Gedanken schiebt sie schnell wieder beiseite und überprüft nochmal die Verbände. Gina sieht sie dankbar an: „Ich bete zu Gott, dass auch Silvio noch gefunden wird. Ich bin Euch so dankbar für unsere Rettung und weiß gar nicht, wie wir das wieder gutmachen können. Ich möchte Dich und Deine ganze Familie nach Rom einladen. Meine Familie würde sich sehr freuen”. Sie sieht Pia fragend an. Plötzlich fällt ihr ein, dass sie ihre Familie noch nicht benachrichtigt hat und fragt sie, ob sie telefonieren darf. Sicher darfst Du, aber ich würde mir vorher doch lieber was anziehen, Du machst ja alle Männer verrückt!“ lacht sie. Als Gina zurückkommt erzählt sie, dass das gekenterte Boot ihrem Vater gehörte und sie mit ihren Freunden eine Segeltour zu ihrer Tante nach Barcelona machen wollte.

Ihre Eltern sind bereits in großer Sorge und sehr erleichtert, als sie von der Rettung ihrer Tochter und der beiden Freunde hören. Jetzt bangen sie mit ihr um das Leben von Silvio. Das Boot ist unwichtig, dass kann man ersetzen. „Mein Vater hat an Euch alle eine offizielle Einladung ausgesprochen. Ihr müsst bald kommen, es wird ein großes Fest geben, “ Verkündet sie überschwänglich. Pia dankt ihr artig für die Einladung, erklärt ihr aber, dass es in nächster Zeit damit nichts werden wird, da sie sich auf einer Weltumsegelung befinden und in den nächsten zwei bis drei Jahren sicherlich nicht nach Italien kommen. Gina ist sehr interessiert und fragt Pia jetzt Löcher in den Bauch, nach dem woher und wohin. Sie will alles zu ihrer Reiseroute wissen und vieles mehr. Finde ich toll, so etwas mit seiner Familie machen zu können“, meint sie. „Am liebsten würde ich mit Euch kommen, aber ich studiere in Rom im zweiten Semester Meeresbiologie Mein Papa würde das nach diesem Unfall bestimmt auch nicht erlauben.“ Wir haben dass auch nur machen können, weil es zeitlich bei uns allen gut gepasst hat,“ erklärt Pia.

In dem Moment kommt Giorgio in die Kabine. „Ich habe eben von der Küstenwache die Nachricht bekommen, dass auch Euer vierter Mann gefunden wurde. Allerdings ist er wohl durch die Explosion schwer verletzt worden. Sie haben einen Hubschrauber angefordert, der ihn gleich in eine Spezialklinik nach Valencia bringt. Mehr weiß ich auch noch nicht.“ Als der Name Silvio gefallen war, wacht auch Loretta auf und hört Giorgio verschlafen zu. Sie wird jedoch hellwach und hat vor Freude Tränen in den Augen. „Che dio ce la Mandi Bueno!“ ruft sie, ins italienische verfallend, warf sich Giorgio an die Brust und fängt hemmungslos an zu weinen. Er drückt sie an sich, läßt sie weinen und merkt, dass die ganze Anspannung der letzten Stunden langsam aus ihrem Körper weicht.

Gegen vier Uhr Nachmittags kommt die spanische Küste in Sicht. Eine halbe Stunde später haben sie die Steilküster der Costa Blanca vor sich. Ich rufe jetzt mal meinen Patenonkel an.“ Theresa verschwindet im Salon und kommt nach ein paar Minuten mit der Nachricht zurück: „Wir können mit der Catalina direkt am Hauptkai anlegen. Er hat das mit dem Hafenmeister gedeichselt, die Küstenwache hat den auch schon informiert. Drei Krankenwagen warten am Kai, außerdem Vertreter der Küstenwache, der Guardia Civil und der Nautic Versicherung. Ich fürchte, da wartet jede Menge Papierkram auf uns, Giorgio.“ Na ja, in so einem Fall muss das wohl sein, der Vorfall muss ja schließlich aufgeklärt werden, allein schon wegen der Versicherungen.“ vermutet Giorgio.

li. Hafen von Javea, re. der Montgo

Als sie dann um die Hafenmole herum steuern, sehen sie am Kai eine größere Menschenmenge stehen, die offensichtlich auf ihre Ankunft wartet. Giorgio steuert mit Hilfe des Querstrahlruders langsam an den Kai des kleinen Hafens. Flo und Max werfen die Bug beziehungsweise Heckleinen an Land, wo sie von hilfreichen Händen an den Pollern vertäut werden. Kaum haben Pia und Theresa die Gangway runter gelassen, kommen zuerst die Ärzte und Sanitäter an Bord und laufen hinter Giorgio her, zu den Kabinen. Gleich danach springen zwei Beamte der Küstenwache und der Guardia Civil an Bord und überschütten die Catalina Crew mit einer Million Fragen, die Theresa übersetzen muss. Mitten in dem Gewimmel am Kai hat Theresa jetzt ihren Patenonkel, Olaf Thomsen entdeckt und winkt ihm fröhlich zu. Giorgio sah den Patenonkel in der Menge stehen. Er erinnert ihn mit seinem markanten Kopf und der imposanten Erscheinung sofort an Alessandro Palmiotta.

Nun versuchen noch etliche andere Leute an Bord zu kommen. Theresa hört von ihrem Patenonkel, dass es Pressefritzen wären, die aus erster Hand von der glücklichen Rettung berichten wollen. Auch das Fernsehen ist da und nimmt bereits das Schiff und die Besatzung ins Visier. Giorgio, dem dieser Rummel gar nicht recht ist, beordert Max mit Kolumbus an die Gangway, um die Meute davon abzuhalten, auf das Schiff zu klettern. Das aufgeregte Gebell von Kolumbus hält die Presseleute sofort auf Distanz. Pia geht zu Theresa an Land und beantwortet so gut es geht, mit Hilfe von Theresa und ihrem Patenonkel die vielen Fragen der spanischen Presse.

In diesem Moment kommen die Sanitäter mit Antonio auf der ersten Trage, die Gangway herunter, gefolgt von Gina, die selbst gehen kann und erschrocken auf die vielen Menschen blickt. Direkt dahinter weitere Sanitäter mit Loretta auf der zweiten Trage.Gina umarmt jeden einzelnen der Catalina Crew. Pia flüstert sie zu: „Pia, ich danke Dir und Deiner Familie von ganzem Herzen für unsere Rettung und Eure Hilfe. Meine Eltern lassen Euch grüßen und Danke sagen für alles. Meine Familie will sich noch direkt bei Euch melden.“ Dann humpelt sie, mit schmerzverzerrtem Gesicht Richtung Krankenwagen. Auch Loretta bedankt sich bei jedem Einzelnen: „Meine Eltern lassen auch herzlich danken. Sie möchten Ihnen gern eine Freude machen und fragen, was Ihnen denn gefallen würde?“ „Uns macht Freude, wenn Ihr bald wieder gesund und wohlbehalten zurück in Italien seid.“ antwortet Giorgio lächelnd. „Sie sind ein schwerer Fall, Giorgio, aber wir werden uns schon was einfallen lassen!“ lächelt Loretta gequält zurück.

Nachdem die Presse endlich verschwunden ist und auch das Fernsehen ausreichend Material für ihre TV Spotts zusammen hat, können Giorgio, Flo und Max endlich Herrn Thomsen an Bord begrüßen.Der Käpt´n bittet ihn in den Salon und will ihn zu einer Flasche Wein einladen, aber Herr Thomsen entgegnete: Herr Lindner, ich danke Ihnen herzlich für die Einladung, aber meine Frau hat für uns alle ein kleines Abendessen vorbereitet, weil sie meint, dass Ihnen nach all der Aufregung etwas Landgang und fester Boden unter den Füssen gut tun wird. Daher möchte ich meinerseits eine Einladung aussprechen und hoffe, dass Sie die annehmen!“ erklärt er feierlich.Nach einem kurzen Blick über seine Crew erklärt Giorgio: „Herzlichen Dank für die Einladung Herr Thomsen, wir nehmen gern an. Unser letzter Törn von Marseille bis hier war zwar nicht so lang, aber dafür heftig. Darum haben wir gegen einen Landgang nichts einzuwenden.“ Sie machen sich in Windeseile landfein und quetschen sich dann zu sechst in den Thomsenschen Jeep.

Die Fahrt geht an der herrlichen, breiten Bucht von Javea entlang und dann ein gutes Stück Hügel aufwärts durch üppige Pinienwälder. Nach einigen Minuten biegt ihr Gastgeber links ab, Richtung Küste. Der Weg gibt Atemberaubende Blicke über die Steilküste und das Meer frei. Nach einer weiteren Linkskurve fährt er auf ein großes, schmiedeeisernes Tor zu, welches sich wie von Geisterhand öffnete. Ein Blumen umsäumter Weg tut sich auf, der dann nach ungefähr siebzig Metern vor einer, im Maurischen Stil errichteten, schneeweißen Villa mit blauen Klappläden, endet. Ihr Gastgeber ist jetzt im Ruhestand und lebt mit seiner Frau die meiste Zeit des Jahres hier. In seiner aktiven Zeit, war er Gewürzhändler in Hamburg und mit der Familie Lauritzen bereits über dreißig Jahre befreundet. Er hat viele gemeinsame Projekte mit Theresas Vater durchgezogen, da Kaffee und Gewürze oft aus den gleichen Ländern kommen. Durch diese Freundschaft ist er auch Theresas Patenonkel geworden.

Die Thomsen´s wohnen in einer prachtvollen Villa im Ortsteil Mar Azul, die er selbst vor zwanzig Jahren entworfen hat. Sie haben einen tollen Blick auf das Meer.

Das Haus ist von einem tropischen Garten umgeben, in dem es wunderbar in allen erdenklichen Farben blüht und duftet. In diesem Moment wird die Haustür von innen geöffnet. Heraus tritt eine elegant wirkende, ältere Dame. Mit strahlendem Lächeln begrüßt sie zuerst Theresa, dann stellt ihr Mann die Familie Lindner vor. Giorgio bedankt sich herzlich bei ihr für die nette Einladung. Auch innen strahlt das Haus gediegene Eleganz und Stil aus. Die Einrichtung ist überwiegend in hellem Pinienholz. Marmorböden, pastellfarbene Wände und bodentiefe Fenster lassen Großzügigkeit aufkommen. Den Blick über eine große Terrasse, auf den Blumengeschmückten Garten und einem leicht geschwungenen Pool auf das Meer, kann man als paradiesisch bezeichnen. Der Pool ist mit einem speziellen Überlauf ausgestattet, so dass man das Gefühl bekommt, direkt ins Meer zu schwimmen.

Jetzt verstehe ich, warum Sie den größten Teil des Jahres hier leben. Das ist ja wirklich ein traumhaftes Fleckchen Erde.“ begeistert sich GiorgioDie Dame des Hauses hat den langen Tisch auf der Terrasse gedeckt, von wo aus man einen herrlichen Blick auf das erleuchtete Javea hat. Thomsen´s sind beide Segel interessiert und wollen natürlich ganz genau wissen, wie das mit der Erbschaft ist, mit dem heftigen Sturm und der Rettung der Schiffbrüchigen. Vor allem aber, wie die weiteren Pläne der Weltumsegelung aussehen. Theresa hat die beiden, mit Giorgios Einverständnis, für den nächsten Tag auf die Catalina eingeladen. Thomsen´s freuen sich schon, das Schiff in Ruhe besichtigen zu dürfen.

Nach dem üppigen Essen, setzen sie sich an den Pool zu einem guten Rioja zusammen. Theresas Patenonkel erzählt allerlei Anekdoten aus seinem bewegten Gewürzhändler Leben, vor allem in den Mittelamerikanischen Ländern. Da einige dieser Länder auf der geplanten Route der Weltenbummler liegen, saugen sie alle Tipps, die sie bekommen können, dankbar auf. Nach einem ebenso netten, wie informativen Abend fährt Herr Thomsen die Crew der Catalina zurück zum Schiff und freut sich schon auf den nächsten Tag. Am Morgen, gegen acht Uhr, werden sie von einem penetranten Klopfen am Niedergang geweckt. Kolumbus, der seinen Schlafplatz in Flo´s Kabine hat, veranstaltet ein Riesenspektakel. Flo schlurft, noch ziemlich verschlafen und nur mit einem dünnen Nachthemd bekleidet, was mehr zeigt als verbirgt, durch den Salon zum Niedergang.

Sie öffnet die Tür und sieht davor einen elegant gekleideten, gut aussehenden Mann um die dreißig. Es ist ein südländisch aussehender Typ mit schwungvollem Oberlippenbärtchen, der etwas verdutzt, aber auch leicht amüsiert auf Flo´s offenherzige Erscheinung schaut.Er stellt sich als Ettore Pagani aus Milano vor und ist für die Versicherungsgesellschaft hier, die die Yacht von Ginas Vater versichert hat. Er will wegen des Unfalls recherchieren. Flo bekommt einen roten Kopf, bedeckt notdürftig ihre Blößen und beeilt sich, ihren Vater zu holen. Giorgio liegt noch im Bett, ist aber schon wach, als Flo in seine Kabine gestürmt kommt um den Besucher anzumelden. Er brummt unwirsch: Warum muss denn dieser Versicherungsheini so früh kommen. Wir können doch zu dem Unglück auch nicht mehr sagen, außer, dass wir die Drei aus dem Wasser gefischt haben.“ Er zieht sich mürrisch einen Bademantel über und geht in den Salon. Fast eine geschlagene Stunde bombardiert Signore Pagani ihn mit allen möglichen Fragen und schiebt, einigermaßen zufrieden gegen neun Uhr wieder ab.

Jetzt müssen wir uns beeilen, hier sieht es ja noch aus, wie bei Hempels unterm Sofa. In einer Stunde kommen die Thomsen´s“, ruft Giorgio. Flo will für ihre Gäste ein Mittagessen zaubern und ist jetzt schwer in der Kombüse zugange, während der Rest der Mannschaft mit Aufräumen der Kabinen, des Salons und auf Deck beschäftigt ist, um wieder eine gemütliche Atmosphäre zu zaubern. Pünktlich um zehn Uhr tauchen ihre Gäste am Kai auf. Olaf Thomsen ruft mit tiefer Stimme: „Ahoi! wir bitten, an Bord kommen zu dürfen!“ Er klettert bereits, unter dem missbilligenden Blick seiner Frau, die Gangway hoch. Theresa, die noch mit dem Ordnen der Deckchairs beschäftigt ist und ihn hört, ruft lachend zurück: „Die Bitte ist gewährt, herzlich Willkommen an Bord!“ Pia und Max kommen jetzt an Deck, begrüßen ihre Gäste herzlich und fangen sofort mit der Schiffsführung an. Nach einem ausgiebigen Rundgang durch das ganze Schiff, versammeln sie sich im Salon.

Ihre Gäste sind von der Catalina schwer angetan. „Es ist ja alles vorhanden, von der Waschmaschine über den Tiefkühlschrank bis zum Fernseher und alles ist so elegant!“ staunt Frau Thomsen.“ Nachdem sie mit einem Sherry angestoßen haben, fragt Herr Thomsen, ob er sie zu einer kleinen Spritztour ins schöne Hinterland der Costa Blanca, wo Spanien noch ursprünglich ist, einladen darf. Jetzt müssen wir leider Einspruch einlegen Herr Thomsen, unsere Florentine hat ein Mittagessen vorbereitet. Wir möchten Sie heute einladen, mit uns an Bord zu essen!“ entgegnet Giorgio. „Das ist ja wunderbar, ich habe schon lange nicht mehr auf einem Schiff gegessen, geschweige denn auf so einem schönen Segler!“ freut sich seine Frau.

Pia und Max haben den Tisch am Ruderhaus gedeckt und Flo bringt auch sofort als Vorspeise eine Gazpacho Andaluz, eine erfrischende, kalte Gemüsesuppe. Als Hauptgericht versucht sich Flo, auf Wunsch der Familie, erneut an einer Bouillabaisse, die auf allseitige Begeisterung stößt. Zum Abschluss serviert Flo eine original Hamburger rote Grütze, nach altem Familienrezept von Frau Herzig. Das Essen zieht sich bis in den Nachmittag, die Stimmung ist prächtig, man ist längst beim Du angelangt, als Renate, die Frau des Gewürzhändlers, fragt: „Ihr bleibt doch noch ein paar Tage, damit wir noch einiges gemeinsam unternehmen können?“

Javea mit Steilküste und Inseln

„Liebe Renate“ beeilte sich Giorgio zu sagen. „Morgen früh werden wir noch Wasser, Proviant und Diesel bunkern, aber dann werden wir weiterziehen. Wir haben schließlich noch einen langen Weg vor uns!“ grinst er. „Schade, Giorgio, aber ich kann Euch verstehen, Ihr lebt ja jetzt nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel!“ und lacht.

Theresa freut sich, Max das Land, wo ihre Mutter herkommt, zeigen zu können. Man verständigt sich deshalb darauf, dass Pia, Theresa und Max mitfahren, während Flo mit ihrem Vater alles Notwendige für die Weiterreise organisiert. Mittags wollen sie wieder an Bord sein.“Kolumbus muss aber auch mit, dem tut es bestimmt gut, sich mal richtig auszutoben!“ ruft Olaf, der von dem Schäferhund schwer begeistert ist, was offensichtlich auch auf Gegenseitigkeit beruht, da Kolumbus ständig um Olaf herum schwänzelt. „Ihr macht mich noch richtig eifersüchtig!“ ruft Flo mit gespieltem Ernst, da Kolumbus sonst ihr kaum von der Pelle weicht.

Nach ihrer interessanten, ereignisreichen Tour am nächsten Tag kommen Theresa, Max, Pia und Kolumbus gegen ein Uhr Mittags ziemlich müde zur Catalina zurück. Flo und ihr Vater haben in der Zwischenzeit alle, für die Weiterreise notwendigen Dinge besorgt und verstaut.Selbst das Dieselbunkern ist kein Problem, da direkt hinter ihrem Schiff eine Bunkerstation ist und sie sich der langen Schläuche dort bedienen können. Olaf hat ihnen noch einen Stapel verschiedener spanischer Zeitungen mitgebracht, in denen über ihre Heldentaten ausführlich, sogar mit vielen Fotos, berichtet wird. Die Catalina war gut getroffen und auch ein Großfoto von Max und Kolumbus an der Gangway ist dabei. „Ich werde die Berichte nachher alle vorlesen“ verspricht Theresa und umarmt ihren Patenonkel und Renate herzlich und bedankt sich für die schöne Zeit in Javea. Diesem Dank können Giorgio und der Rest der Crew sich nur anschließen, haben sie doch in der kurzen Zeit hier neue Freunde gefunden.

Weil er diese Reise bisher so unbeschreiblich zufrieden und glücklich erlebt hat, ertappt er sich seit kurzem dabei, auch seinen Onkel Victor in diese Zwiegespräche mit einzubeziehen. Er ist schließlich für diese gewaltige Veränderung in ihrem Leben verantwortlich, wofür ihm Giorgio unendlich dankbar ist. Deshalb liebt er diese Nachtwachen, anstatt ihn müde werden zu lassen, stärken ihn solche Momente und geben ihm neue Kraft.

Theresa und Max haben ihre Wache nacheinander erledigt und sich, mit einer Flasche Barolo und zwei Gläsern bewaffnet, in die Kabine zurückgezogen und machen es sich in dem weichen, breiten Bett gemütlich. Sie kuscheln sich aneinander und schwärmen noch einmal von dem schönen Ausflug, mit Renate und Olaf.  Vor allem Theresas Augen leuchten, wenn sie an die hübschen Dörfer mit den weiß getünchten Häusern, die romantischen Brunnen und die kleinen Blumengeschmückten Plazzas denkt, wo als Schattenspender in der Mitte eine schöne, große Palme steht. Das ist in ihren Augen noch ein Stück heile Welt. Theresa denkt an ihre Mutter, die als Kind diese Welt noch erlebt hat. Sie ist zwar nicht hier, sondern in der Nähe von Toledo geboren, hat ihre Ferien jedoch immer in Javea verbracht. Theresa kann sich gut vorstellen, wie ihre Mutter als Teenager ihre ersten Flirt Versuche an so einer Plazza begann. Bei dem Gedanken wird sie leicht sentimental und kuschelt sich noch näher an Max heran.

Der denkt darüber nach, wie schön es doch sein muss, so wie Theresa zwei Heimatländer zu haben, die jeweilige Mentalität und die Sprache zu kennen und sich in beiden Ländern sofort zu Hause zu fühlen. In diesem Moment drückt sich Theresa so eng an ihn, dass ihm die Luft wegbleibt und er spontan seinen Arm um ihre Hüften legt. Thea, wie sie nur in ganz romantischen Momenten und nur von Max genannt werden darf, stößt einen wohligen Seufzer aus, umschlingt Max jetzt und sucht seine Lippen für einen langen und fordernden Kuss. Diesen Kuss erwidert Max nur allzu gern, da er weiß, dass Theas Küsse ihn regelmäßig in den siebten Himmel katapultieren. Er kennt kein Mädchen, was so liebevoll, einfühlsam und dennoch leidenschaftlich küsst, wie Thea und führt das auf ihr spanisches Temperament zurück.

Nun fangen sie an, sich leidenschaftlich zu liebkosen. Thea beginnt leise, wohlig zu stöhnen. Sie setzt sich kurz auf, strahlt Max an und flüstert, „Was habe ich doch für ein schönes Leben. Diese tolle Reise mit dem Mann den ich liebe an meiner Seite.“ Erneute, leiden-schaftliche Küsse führen dazu, das den beiden warm, um nicht zusagen heiß wird. Sie verlieren sich in innigen Zärtlichkeiten und heftiger Erregung.

Die Welt um sie herum ist vergessen. Sie lieben sich so intensiv und einfühlsam, wie sie es in der ganzen Zeit ihres Zusammenseins noch nie erlebt haben. Beide haben das Gefühl, dass ihre Liebe zueinander von Tag zu Tag stärker und erfüllter wird. Besonders diese Reise und die gemeinsamen Vorbereitungen dafür, haben sie zusammen geschweißt und viele Gemeinsamkeiten erkennen lassen. Erschöpft aber glücklich umarmt Max Thea, die sich wohlig zufrieden an ihn schmiegt und flüstert. „Ich hoffe, dass unsere Liebe nie endet und wir uns auch in zwanzig Jahren noch so lieben können.“ „Es ist so schön mit Dir und wenn ich jetzt nicht so müde wäre, könnt ich gleich noch mal.“ lächelt sie ihn an. Meine ganz, ganz große Liebe“ flüstert Max zurück, „Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben. Du bist die tollste Frau der Welt, ich möchte immer für Dich da sein und auch in Hundert Jahren werden wir noch wilden Sex haben!“ ist er überzeugt.

Am nächsten Morgen, strahlt die Sonne bereits auf das Schiff und ihre Besatzung herab. Flo hat ein zünftiges Seemanns Frühstück mit Speck und Eiern gezaubert. Beim Frühstück teilt Giorgio seiner Crew erfreut mit, dass sie nach seinen Berechnungen bereits am Abend in Malaga einlaufen werden. Wenn wir nicht wieder in eine Flaute kommen,” fügt er vorsichtig hinzu. Damit uns nicht langweilig wird und wir im Hafen einen guten Eindruck machen, ist heute Schiff aufklaren und Deck schrubben angesagt!“ Ein leicht sadistisches Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Er stellt sich auf Protestgeschrei seiner Mannschaft ein. Um so erstaunter ist er, als er nur ein williges „Ay ay Sir,“ hört. Die restliche Strecke nach Malaga verläuft ohne Zwischenfälle, immer in Sichtweite der Küste. Das Schiff ist zwischenzeitlich blitzblank und strahlt mit der Sonne um die Wette.

Gegen fünf Uhr Nachmittags kommt der Hafen von Malaga in Sicht. Diese wunderschöne alte, andalusische Maurenstadt liegt eingebettet von den Bergen der Montes de Malaga. Zwei Flüsse, die dort ins Meer fließen, teilen die Stadt in drei Teile. Im östlichen Teil liegt die Altstadt mit dem urigen Hafenviertel El Palo, das mit unzähligen Restaurants und Szenetreffs gespickt ist. Auf der Ostseite liegt noch ein kleinerer Yachthafen, in dem auch die Catalina ihren Liegeplatz bekommt. Das heißt, sie liegen nicht an der Kaimauer, sondern an Dukdalben, also Pfählen, mitten im Hafenbecken. Sie müssen jeweils mit ihrem Beiboot übersetzen, was sie ja von Korsika schon gewohnt sind. Sie haben, wegen der Schiffsgröße keinen Platz am Kai bekommen. Giorgio ist aber nicht böse darüber, da die Liegegebühren hier fast nur die Hälfte kosten. Als sie im Hafen festmachen, sehen sie hoch über sich,

majestätisch auf einem Felsen thronend das Castillo de Gibralfaro. Ein altes Mauren Kastell aus dem vierzehnten Jahrhundert. Am Abend wunderschön beleuchtet. Giorgio sitzt mit seiner Crew um den Kartentisch und beratschlagt das Programm der nächsten drei oder vier Tage. Theresa und Giorgio wollen unbedingt mit einem Mietwagen einen Abstecher nach Granada machen um sich dort die Alhambra anzusehen. Nach den Infos, die Theresa von ihrer Mutter hat, muss man diese Maurenburg einfach gesehen haben.

Auch Pia, Max und Flo wollen sich das nicht entgehen lassen. Hier in der Gegend gibt es doch die berühmten weißen Dörfer.“ spielt Max wieder den Fremdenführer. „Das wäre doch auch noch was. Die Eltern eines Schulfreundes haben dort vor Jahren ein Haus gekauft und Leo war immer ganz begeistert.“ legt er nach. Flo rollt schon mit ihren, dunklen Augen und giftet genervt: „Du und Deine blöden Sehenswürdigkeiten. Wenn wir uns die Alhambra reinziehen, reicht das doch. Lasst uns lieber noch Malaga ansehen, hier gibt’ s bestimmt tolle Läden, oder Pia?“ Sie wirft einen Hilfe suchenden Blick zu ihrer Schwester. Da Giorgio ahnt, was kommt, verkündet er lieber schnell seinen Vorschlag. Also, Morgen werden wir hier in Malaga bleiben. Jeder kann dass machen oder Besichtigen, was er möchte. Übermorgen werden wir nach Granada fahren. Wir brauchen mit Sicherheit dafür den ganzen Tag. Am dritten Tag fahre ich mit dem, der mit will, hier ein bisschen in der Gegend herum und werde mir auch ein paar schöne Stunden am Strand gönnen. Die weißen Dörfer sind dann auch auf dem Programm. Außerdem möchte ich mir auf jeden Fall das Geburtshaus von Picasso nebst Galerie ansehen. Ihr könnt von mir aus Shoppen gehen, biss die Schwarte, äh ich meine der Geldbeutel kracht.“ Seine Vorschläge stoßen auf Breite Zustimmung aller Beteiligten und der Familienfrieden ist wieder hergestellt.

Am nächsten Morgen machen sich Giorgio, Theresa und Max früh auf den Weg in die Stadt. Sie haben sich als erstes das Castillo Gibralfaro vorgenommen, da man von dort oben einen fantastischen Überblick über die Stadt hat und gut weitere Besichtigungsziele festlegen kann. Flo und Pia wollen etwas länger schlafen, gemeinsam die Kombüse aufklaren und anschließend zu einem ausgedehnten Stadtbummel aufbrechen. Sie sind gerade mit dem Aufbrezeln fertig, als Pia siedend heiß einfällt, dass der Rest der Mannschaft ja bereits mit dem Beiboot an Land getuckert war. Das Dingi liegt jetzt gut vertäut am Kai. „Und wie kommen wir jetzt rüber?“ fragt Flo mit leichter Panik in der Stimme.

Sah sie doch ihre Shoppingtour buchstäblich in Wasser fallen. Auch Pia hat in dem Moment keinen Schimmer, was sie nun machen sollen und schaut recht ratlos drein. Plötzlich strahlt Flo wieder und ruft: „Mensch wir haben doch in dem Schapp hinter der Badeplattform noch ein aufblasbares Boot und Paddel sind auch dabei!“  Schon läuft sie zum Heck, untersucht den Verschlag und wird schnell fündig. Heraus kommen ein Gummiboot mit einem einlegbaren Holzboden, sowie zwei stabile Ruder und die dazugehörige Fußpumpe. Sofort setzt sie die Pumpe in Gang. Im Nu ist das Boot aufgeblasen und liegt Abfahrbereit im Wasser. Kolumbus will unbedingt mit und ist schon halb im Boot. Pia und Flo brauchen eine Weile, ihm klarzumachen, dass er das Schiff bewachen muss. Das passt ihm gar nicht. Er versucht es mit seinem besten traurigem Hundeblick. Als alles nichts nützt und die Mädchen hart bleiben, trollt er sich beleidigt auf das Oberdeck. Na da haben wir ja noch mal Glück gehabt, aber Du ruderst jetzt.“ bestimmt Pia.  Flo ist zu fast allem bereit, Hauptsache, sie kann shoppen. Fünf Minuten später stehen sie am Kai und vertäuen ihre Nussschale neben dem Dingi der Catalina.

Am Abend kommen Giorgio, Theresa und Max mit einem größeren Geländewagen zurück, in dem alle für ihre morgige Tour bequem Platz haben. Sie sind von der Schönheit der Stadt, mit ihren vielen Plazzas, sowie ihrer Umgebung begeistert und haben neben dem Picasso Geburtshaus auch noch das Museo Picasso und den maurischen Königspalast Alcazaba aus dem elften Jahrhundert besichtigt Ein ausgiebiger Stadtbummel mit Kaffeehaus Besuch rundet ihr Besichtigungsprogramm dann ab.

Die beiden Mädchen klappern fast sämtliche Boutiquen und ein paar Feinkostgeschäfte der Haupt Einkaufsstraße, Calle Larios sowie der Seitenstraßen ab und kommen, mit etlichen Tüten bewaffnet, todmüde zurück. Flo ist nicht mehr in der Lage, ein Abendessen zuzubereiten. Theresa opfert sich und macht aus den, von Flo und Pia mitgebrachten Spezialitäten, eine leckere Tapas Platte.

Um sieben Uhr Morgens sind sie wieder auf den Beinen, um möglichst früh die hundertzwanzig Kilometer nach Granada zu bewältigen. Diesmal darf auch Kolumbus mit, was er ihnen mit Freudentänzen und heftigem Schwanzwedeln dankt.Die Fahrt ins Andalusische Hinterland führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft.  Auch jetzt, Ende April sind die Berge der Sierra Nevada größtenteils noch schneebedeckt. Granada liegt am Fuße dieses größten Spanischen Gebirges in einem weitläufigen Tal. Von weitem können sie schon die Imposante, mächtige Festung der Alhambra auf einem gegenüberliegenden Hügel erkennen. Ich schlage vor, dass wir da zuerst hinfahren, da die Alhambra mit Sicherheit am interessantesten ist und die meiste Zeit benötigt!“ schlägt Giorgio vor. Max gibt wieder den Reiseführer, diesmal ohne Protest der drei Damen. „Die Alhambra, oder auch rote Burg ist eine der bedeutendsten Stadtburgen Spaniens mit einer Grundfläche von über dreizehn Hektar. Das schönste Beispiel islamischer Kunst überhaupt. Die Festung besteht aus vielen Gebäuden und ist von einer riesigen Festungsmauer umgeben. Die ausgedehnten Gartenanlagen des Generalife gehören zu den schönsten Arabischen Gärten überhaupt. Auch die zahlreichen Mosaiken in den verschwenderischsten Farben machen die Alhambra zu einer der berühmtesten und meistbesuchten Sehenswürdig-keiten der Welt,“ doziert er zufrieden. Der Rest der Familie sagt gar nichts und ist gespannt, was sie nun erwartet.

Nach fünf Stunden ausgiebiger Besichtigung, sind sie schwer begeistert und ergriffen vor so viel kunstvoller Schönheit. Vor allem Giorgio berauscht sich an der Jahrhunderte alten Kunst und Architektur. Jetzt ist mir aber nach einer Stärkung!“ läßt Flo wissen, alle stimmen ein und laufen den Berg hinunter in die Stadt, auf der Suche nach einer gemütlichen Taverne. wo man auch Kolumbus mitnehmen darf, was in Spanien nicht überall möglich ist. Nach wenigen hundert Metern werden sie fündig und lassen sich in die bequemen Rattan Sessel einer urigen Taverne fallen. Der dicke Wirt, der sogar etwas Deutsch kann, empfiehlt ihnen Ajo Blanco eine kalte Mandelsuppe, gefolgt von der Tortilla al Sacramonte einer typischen Spezialität dieser Stadt, einer besonderen Form des spanischen Omelett. Flo und Max gönnen sich noch Pestinos, eine der süßen Nachspeisen. Anschließend, nicht mehr ganz so frisch und unternehmungslustig schlendern sie durch La Alcaiceria, den uralten arabischen Seidenmarkt, der tatsächlich die Geschäftigkeit eines arabischen Basars verkörpert. Dann denken sie an den Rückweg und kommen gegen halb sieben im letzten Tageslicht wieder im Hafen an.

Am Kai stehen, wie bisher überall auf ihrer Reise, etliche Touristen und schauen sich die Fischerboote, aber vor allem die Catalina an. Manch neidvolle Blicke treffen ihr Schiff. Da die Catalina unter italienischer Flagge läuft, trauen die meisten, offensichtlich englischen und deutschen Urlauber sich nicht, die Besatzungsmitglieder anzusprechen und so bleiben ihnen lästigen Fragen meistens erspart. Als sie am Schiff ankommen, springt zuerst Max auf die Badeplattform um das Beiboot fest zu machen. Kolumbus will mit einem Riesensatz hinterher, rutscht aber mit den Vorderpfoten ab und landet mit lautem Platsch im Wasser. Er zappelt und winselt heftig, macht dann Schwimmbewegungen, aber leider in seiner Panik, vom Schiff weg. Giorgio und die Mädchen, die noch im Beiboot sind, versuchen ihn heran zu ziehen. Max hat sich einen Bootshaken gegriffen, um ihn am Halsband packen zu können. Er ist aber schon zu weit weg. Giorgio bleibt nicht anderes übrig, als den Motor wieder zu starten und hinter dem zappelnden Kolumbus her zu spurten. Er war jetzt so verstört, das er alle Versuche, ihn ins Boot zu ziehen, erfolgreich abwehrt. Pia kann die Panik, die Kolumbus erfasst hat, nicht mehr mit ansehen und springt kurz entschlossen ins Wasser. Sie versucht ihn zu beruhigen und kann ihn endlich am Halsband packen und hinter sich her ziehen. Halt Dich an der Leine fest, wir ziehen Dich bis zur Catalina!“ ruft Giorgio. Kaum angekommen zieht Max den Hund mit dem Bootshaken, während Flo und Theresa vom Boot aus und Pia von unten versuchen, vierzig Kilo nassen Schäferhund an Bord zu hieven. Kaum auf der Badeplattform, stellt Kolumbus fest, das vier seiner Leute noch nicht nass sind und fängt sofort an, dass zu ändern, indem er sich kräftig schüttelt. So haben schließlich alle was von seinem unfreiwilligen Bad.

Tags darauf machen sich Giorgio, Max und Theresa mit Kolumbus auf, die weißen Dörfer zu besuchen und unterwegs an einem schönen Strand zu baden. Der Hund hat sein unfreiwilliges Bad offensichtlich schon vergessen und springt fröhlich und schwungvoll ins Beiboot. Pia und Flo wollen sich nun doch das Museo Picasso ansehen, nachdem der Rest der Familie davon so geschwärmt hat. Außerdem haben sie Lust, sich an eine Plazza zu setzten, etwas zu trinken und einfach das spanischen Leben und Treiben zu genießen.

Am folgenden Vormittag legt Giorgio, um den speziellen Wunsch der drei Damen zu erfüllen, Richtung Marbella ab. Er hat mit dieser Schickeria Hochburg überhaupt nichts am Hut, aber gegen seine Mädels hat er keine Chance. Max steht am Ruder und ruft: „Kurs West, West, Süd!“ Die Ankunftszeit in Marbella hat Giorgio auf ungefähr fünf Uhr Nachmittags berechnet. Er besteht darauf, vor der Mole von Porto Banus auf Reede zu liegen, weil er nicht bereit ist, die übertriebenen Liegegebühren im Hafen zu zahlen. Während des kurzen Törns haben die Kinder das Deck aufgeklart, da sie mit ihrem Schiff bei den Schönen und Reichen einen guten Eindruck machen wollen. Du Pap´s“. Allein diese Anrede läßt Giorgio schon zusammenzucken, „Du Pap´s, können wir nicht wenigstens unter vollen Segeln so weit wie möglich an unseren Liegeplatz heran robben, dass macht doch einfach mehr her!“ versucht Flo ihren Vater zu bezirzen. Ich mach mich doch nicht zum Popanz von diesen Neureichen. Wir segeln so lange, wie es sinnvoll ist und wenn es keinen Sinn mehr macht, werden wir unseren Volvo anschmeißen und unter lautem Geknatter zu unserem Liegeplatz rauschen!“ erwidert er leicht grantelt. Zu Flo´s Beruhigung ist tatsächlich Segeln bis kurz vor ihrem Ankerplatz möglich. Auch das Segel einholen klappt wie am Schnürchen. Der Käpt´n versucht die Catalina mit Hilfe des Echolots so nah wie möglich an die Hafeneinfahrt von Puerto Banus zu bringen, damit der Weg mit ihrem Dingi nicht zulang wird.

Als ihr Schiff dann fest verankert ist und die Mannschaft Zeit zum Luftholen hat, muss selbst Giorgio zugeben, dass das tiefblaue Meer mit den strahlend weißen Häusern von Puerto Banus dahinter, ein wirklich schöner Anblick ist. Dennoch hat er eine tiefe Abneigung gegen diesen Tummelplatz der Reichen und Neureichen, da ihm Leute, die nicht arbeiteten und dem lieben Gott den Tag stehlen, zutiefst zuwider sind. Es bedarf schon der Überredungskunst aller Besatzungsmitglieder, ihn zu bewegen, mit ihnen hier an Land zu gehen. Pia wirft ein: „Giorgio, was macht das für einen Eindruck, wenn nur die Besatzung ohne ihren Kapitän an Land geht!“ Theresa versucht es mit „Giorgio, ich war mit meinen Eltern schon zweimal hier, ich kann Dir versichern, es gibt auch hier ne Menge netter Leute und nicht nur Spinner. Außerdem macht es Spaß, diesen Jahrmarkt der Eitelkeiten mal zu besichtigen!“ Flo und Max haben auch entsprechende Kommentare bereit und schließlich gibt Giorgio sich geschlagen und brummt. „Okay, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Also Abfahrtzeit ist in einer halben Stunde!“

Ein dreistimmiger Schrei der Entrüstung kam von den Mädchen. „Wir müssen uns doch noch aufhübschen, oder denkst Du, wir können uns so, wie wir sind, dort blicken lassen. Wir brauchen mindestens eine Stunde und das ist schon knapp!“ Alle drei sehen ihn mit funkelnden Augen an. Die Männer blicken sich vielsagend an. Giorgio beeilt sich zu korrigieren. „Okay, es ist jetzt zehn vor fünf, um sechs legt das Boot ab. Mit oder ohne Euch!“ Die Mädchen sind wie der Blitz unter Deck verschwunden.

Als ihr Dingi dann am Kai von Puerto Banus anlegt, kommt sofort ein schlanker und teuer gekleideter Mann auf sie zu. Theresa schätzt ihn auf Ende Dreißig. Er spricht Giorgio auf englisch an und stellt sich zunächst vor: „Mein Name ist Enrico Cortaz, ich bin der Präsident vom Segelclub Puerto Banus. Ich nehme an, Sie sind der Capitano von diesem schönen Schiff?“ blickt er fragend Giorgio an. An seine guten Manieren denkend, beeilt Giorgio sich, seine Crew und sich selbst ebenfalls vorzustellen. Senór Cortaz war mit dem, was er sah und hörte offenbar zufrieden und spricht dann auf deutsch weiter:

Ah, Sie kommen aus Deutschland, wir haben mehrere Schiffe aus Deutschland hier, aber kein Segler ist so schön und prächtig, wie Ihr Schiff. Warum liegen Sie draußen auf Reede? Ihr Schiff muss in den Hafen, es wäre uns eine Ehre, sie hier als Gast begrüßen zu können. Ist doch tolle Werbung für unseren Hafen.“ fügt er verschmitzt hinzu. Pia denkt sofort an den zusätzlichen Zeitaufwand, wenn die Catalina noch mal umgesetzt würde und antwortet schnell: „Senór Cortaz, wir bedanken uns für Ihre Einladung, aber da wir morgen früh schon weitersegeln, wollen wir hier nicht so viele Umstände machen!“ Sie strahlt ihn mit ihrem schönsten Lächeln an. Senór Cortaz schmilzt dahin, wie Butter in der Sonne. Dann gestatten Sie mir wenigstens, Sie heute Abend zum Dinner in unseren Club einzuladen, Sie müssen meinen Freunden und mir unbedingt Ihre Erlebnisse mit diesem schönen Schiff erzählen!“ Er hat jetzt nur noch Augen für Pia und riskiert einen vorsichtigen Blick in ihren offenherzigen Ausschnitt.

Da Max den Hilfe suchenden Blick von Pia erkannt hat und daran dachte, dass sie ja eigentlich von Marbella etwas sehen und nicht die ganze Zeit in einem feinen Segelclub smal talk machen wollen, beeilt er sich zu sagen: „Das ist sehr nett, Senór Cortaz, aber wir sind bereits mit Geschäftsfreunden meines Vaters in der Stadt verabredet. Deshalb können wir Ihre Einladung leider nicht annehmen. Aber bei unserem nächsten Törn in diese Gegend, kommen wir gern darauf zurück!“ Senior Cortaz sieht nun betrübt in die Runde. Beim Anblick von Pia legt sich seine Stirn noch mehr in traurige Falten. „Nun, man kann dann nichts machen, aber Sie müssen mir versprechen, beim nächsten Mal, Sie segeln in den Hafen und lassen sich von mir zum Dinner einladen, okay?“ Er sieht wieder etwas hoffnungsvoller drein und verabschiedet sich dann höflich von ihnen. Zum Schluss drückt er Pia schmachtend die Hand, schaut ihr tief in die Augen und flüstert; „Sehen wir uns hoffentlich bald wieder, Senorina. Wenn Sie kommen, ich lege Ihnen Marbella zu Füßen?“ Mit einem letzten tiefen Blick auf ihren Ausschnitt verschwindet er Richtung Clubhaus.

Als sie dann endlich in einem gemütlichen Restaurant an der Plazza de los Naranjos bei einer Pizza sitzen, lästert Max: „Pia, mir tut es leid, dass ich Dich von Deinem Verehrer weg gelotst habe. Aber wir können Dich ja auch hier lassen und auf dem Rückweg so in zwei bis drei Jahren wieder abholen. Dann hast Du Zeit, Deinen reichen Playboy richtig kennen zu lernen!“ Flo springt sofort auf den Zug auf und wirft grinsend ein: „Wer weiß, vielleicht ist sie dann sogar schon verheiratet, hat ein paar Bambini´s und fühlt sich Pudelwohl beim Jet Set!“ Ihr seid Idioten, alle Beide. Wenn ich mich nicht geopfert hätte, würdet Ihr jetzt nicht hier sitzen, sondern in dem piekfeinen Club jede Menge blöde Fragen beantworten müssen. Außerdem hat der Mann doch Geschmack bewiesen, wenn er sich für mich entschieden hat, oder?“ Sieht sie halb beleidigt, halb belustigt in die Runde. Nach dem Essen mit einem gutem Rioja, ziehen sie Schaufenster bummelnd durch die engen Gassen und werfen, kurz vor Mitternacht noch einen kurzen Blick in eine der angesagten Discotheken in der Nähe des Hafens.

Giorgio staunt über das flippige Discovolk. Auch die jüngere Generation, die ja aus Hamburg bereits einiges gewöhnt ist, bekommt große Augen, angesichts der schrillen Aufmachung der Damenwelt. „Da  ist die Hamburger Disco Szene ja nur Kindergeburtstag.“ spricht Flo aus, was alle denken. Nach ein paar Drinks verziehen sie sich Richtung Dingi und machen, dass sie auf die Catalina kommen. Nach ausgiebigen Frühstück, sitzt Giorgio am Kartentisch und berechnet den Kurs und die Dauer ihres nächsten Törns. Jetzt wollen sie nach Casablanca in Marokko und damit für lange Zeit Europa ade sagen.

Nachdem Kombüse und Deck aufgeklart und die Anker eingeholt sind, dreht Giorgio die Catalina in Richtung offenes Meer und gibt das Kommando: „Setzt Segel!“ Schon kommt das nächste Kommando: „Kurs Süd, Süd, West!“ „Ay, ay, Sir gibt Max, der am Ruder steht zurück.

 

Kapitel 12

12. Schau mir in die Augen, Kleines

Am Horizont auf der Backbordseite können sie im Morgendunst bereits das Rifgebirge von Marokko erkennen. Giorgio hat für den Törn nach Casablanca ungefähr einen Tag berechnet. Der Wetterbericht bringt für die Straße von Gibraltar Nordwestwind der Stärke Fünf, was bedeutet, dass sie heftig kreuzen, oder sogar den Motor benutzen müssen. Nach der Meerenge würde der Wind für sie günstiger stehen, da dann ihr Kurs wieder Richtung Süd, Süd, West geht.

Die Straße von Gibraltar gehört zu den am meisten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Da bald ein reger Schiffsverkehr einsetzt und Giorgio zwischenzeitlich erfahren hat, dass hier eine extrem starke Westströmung herrscht, hervorgerufen durch fast eineinhalb Meter Gefälle vom Atlantik zum Mittelmeer, die Segelschiffen schon seit Jahrhunderten das Leben schwer gemacht hat. Also beschließt er, sobald sie in die Schifffahrtsroute kommen, die Segel einzuholen und mit Motor weiter zu fahren. Die Meerenge ist teilweise nur vierzehn Kilometer breit. Es wäre viel zu gefährlich, hier zu kreuzen.

Sie haben einen grandiosen Blick, auf der Backbordseite auf das Marokkanische Gebirge und auf der Steuerbordseite auf den Felsen von Gibraltar. Flo hat sich ein starkes Fernglas geholt und hofft, die Affen auf dem Felsen erkennen zu können, aber leider wird das nichts. Sie brummt enttäuscht, „Da muss ich wohl mit Euch Affen vorlieb nehmen.“ Die Strömung ist tatsächlich so stark, dass sie selbst mit ihren beiden Motoren nur langsam vorwärts kommen und die Passage wesentlich länger dauert, als gehofft. Gegen sieben Uhr Abends haben sie es endlich geschafft, die Strömung wird deutlich schwächer, die Kontinente treten an beiden Seiten zurück und Giorgio kann nun auf Kurs Süd, Süd, West steuern. Bald darauf wird auch der Schiffsverkehr weniger, so dass sie das Großsegel setzen können. „Mehr Tuch wäre nicht sinnvoll, da wir sonst zu schnell werden und ich nicht mitten in der Nacht in Casablanca ankommen will.“ Also teilt Giorgio die Nachtwachen ein und berechnet, dass sie bei dieser Geschwindigkeit etwa gegen sechs Uhr Morgens den Hafen ansteuern können.

Gegen drei Uhr Nachts schiebt Max Wache. Er steht am Ruder und achtet darauf dass die Catalina nicht vom Kurs abkommt. Ab und zu wirft er einen Blick auf das Echolot um auch gegen Untiefen gewappnet zu sein. Das Schiff liegt ruhig und er hört nichts außer der Gischt der Wellen und dem Wind, der durch die Segel streicht und die Takelage leise zum Knarren brachte. Er denkt gerade an Theresa, wie glücklich sie miteinander sind, als er in der Ferne Motorengeräusch hört, was schnell näher kommt. Er weiß erst nicht, woher das Geräusch kommt und kann auch keine Positionslampen sehen, geschweige denn sonst irgendwas. Ein Blick auf den Radarschirm läßt erkennen, dass das fremde Schiff von achtern Backbord kommt und offensichtlich über sehr starke Motoren verfügen muss.

Da die Nacht absolut dunkel ist, weder vom Mondlicht noch von den Sternen erhellt wird und er in der Richtung der Motorengeräusche absolut nichts auf dem Meer erkennen kann, wird ihm die Sache langsam unheimlich. Er beschließt Giorgio schnellstens per Sprechfunk zu wecken. Schließlich sollen auch an der Westafrikanischen Küste häufiger Piratenüberfälle vorkommen. Normalerweise viel weiter im Süden an der Mauretanischen und an der Nigerianischen Küste, aber man kann ja nie wissen. Giorgio! Hallo Giorgio! Wach auf und komm schnell auf die Brücke, hier stimmt was nicht, Giorgio, bitte beeile Dich!“ Er ist jetzt überzeugt, es mit Piraten zu tun zu haben, da das Motorengeräusch nur noch höchstens dreihundert Meter entfernt ist. Er kann immer noch keine Positionslichter ausmachen. „Max, ich komme.“ hört er ein Krächzen aus dem Mikro. Eine Minute später stand Giorgio neben ihm und Max klärt ihn über die Lage auf.

Drüben werden zwischenzeitlich die Motoren gedrosselt und ein starker Scheinwerfer auf die Catalina gerichtet. Max schalt sofort die Suchscheinwerfer am Großmast, am Bug und am Heck ein und weckt schnell die anderen, ich fürchte, Du könntest Recht haben, mit der Seeräuber Vermutung. Bringt die Waffen mit und zieht Euch vorsichtshalber Schwimmwesten an. Flo soll dafür sorgen, dass Kolumbus sich ruhig verhält. Wenn ihr hoch kommt, haltet Euch auf der abgewandten Seite auf und lasst Euch nach Möglichkeit nicht sehen.“ Gibt Giorgio ruhig aber präzise Anweisungen.

Die drei großen Scheinwerfer tauchen das Meer und das gegenüber fahrende Schiff jetzt in gleißendes Licht. Giorgio erkennt einen schnellen, wendigen Kajütkreuzer von ungefähr fünfzehn Meter Länge. Der Rumpf und auch die Aufbauten sind ganz in schwarz gehalten. Am Bug ist weder ein Name noch irgendeine Kennzeichnung zu erkennen. Ebenso wenig am Heck eine Beflaggung. Es ist auch niemand an Deck zu sehen. Giorgio nimmt nun ein Megaphon und ruft auf Englisch rüber: „Wer sind Sie und was wollen Sie!“ Mit der anderen Hand ist er bereits am Sprechfunkgerät und funkt über die internationalen Seerettungsfrequenz 16 die marokkanische Küstenwache an.Achtung! Hier spricht das Segelschiff Catalina, Heimathafen Porto Maurizio, Italien. Wir werden von einer namenlosen, schwarzen Motoryacht bedrängt. Das Boot fährt ohne Positionslichter neben uns her, hat keinerlei Registrierung oder Flagge und reagiert nicht auf Rufe. Können Sie uns helfen?“ Dann gibt er noch ihre Position durch und wartet auf Antwort.

Ihm gehen in Sekundenbruchteilen die wildesten Gedanken durch den Kopf. Er macht sich jetzt Vorwürfe, seine Familie solch einer Gefahr auszusetzen. Allerdings hat er in diesen Gewässern auch nicht mit Überfällen gerechnet. Zwischenzeitlich ist Max mit Pia und Theresa fast geräuschlos neben ihm aufgetaucht. Max flüstert, dass sich Flo mit Kolumbus am Niedergang verschanzt hat und auf Zuruf sofort auftauchen kann. Alle halten sich im Schatten der Deck Aufbauten versteckt. Giorgio versucht es erneut mit dem Megaphon „Hallo, wer sind Sie und was wollen Sie von uns?“

Er hat das Megaphon kaum zur Seite gelegt, als die marokkanische Küstenwache sich meldet und mitteilt, dass sie keine schwarze Motoryacht kennen, ihnen die Situation jedoch auch merkwürdig vorkommt und vorsichtshalber ein Schnellboot schicken, was nur ungefähr vierzig Seemeilen entfernt patrouilliert. In etwa fünfzig Minuten können die bei der Ihnen sein. Die Besatzung der Catalina solle vorsichtig versuchen, die Yacht solange hinzuhalten. Die haben Nerven, ich bin froh, wenn die endlich abhauen!“ entrüstet sich Giorgio.

In dem Moment taucht hinter den Yacht Aufbauten ein dunkel gekleideter Mann auf, in dessen Hand eine Waffe blitzt. Er sieht zu ihnen rüber, sagt aber kein Wort..Wie viele sind das bloß?“ fragt Pia und nimmt vorsichtshalber eine der Pistolen, die Max mitgebracht hat, an sich. Giorgio ist froh, dass alle seine Kinder, gegen seinen damaligen Rat, vor zwei Jahren eine Schießausbildung beim Schützenverein Hamburg Walddörfer gemacht haben. Er weiß, dass sie im Ernstfall eine Waffe benutzen und auch treffen können. Zwischenzeitlich kommt das unheimliche Boot immer näher an die Bordwand der Catalina heran und ist jetzt höchstens noch dreißig Meter entfernt. Giorgio greift wieder zum Megaphon und warnt jetzt in schärferem Ton: Wenn Sie uns nicht den Grund ihres Auftauchens nennen, drehen Sie ab und verschwinden Sie. Sollten Sie näher kommen, machen wir von unseren Waffen Gebrauch!“

Er hat sich in Hamburg vor ihrer Reise ausreichend mit Waffen eingedeckt.

Da sie durchaus auch in brenzlige Momente kommen können und für alle mitgeführten Waffen Berechtigungsscheine benötigen. Dass diese brenzligen Momente jedoch so schnell eintreffen, damit hat keiner von ihnen gerechnet. Er hofft, dass seine Worte wenigstens ein bisschen Eindruck machen und diese schwarzen Ganoven vorerst auf Abstand halten kann. Offensichtlich ist das nicht der Fall, denn in diesem Augenblick taucht eine zweite, genauso dunkel gekleidete Gestalt auf. Auch dieser Kerl ist offensichtlich bewaffnet. „Es müssen also mindestens drei sein“ stellt Theresa gerade fest, als der erste schwarze Kerl plötzlich auch ein Megaphon in der Hand hält und rüber brüllt: Stopp your ship, Stopp your ship now!“

Jetzt hat auch Max eine Schnellfeuerpistole in der Hand. Giorgio legt sein Schnellfeuergewehr, mit dem er große Distanzen erreichen kann, griffbereit neben den Steuerstand. Den Gefallen werden wir euch bestimmt nicht tun, sondern das Gegenteil. Max start sofort beide Maschinen und hohlt alle Segel ein. Mit Motorkraft sind wir wendiger. Ich hoffe nur, dass die Küstenwache bald auftaucht!“ knurrt Giorgio und sieht in diesem Moment einen dritten Kerl auftauchen, der eine starke Leine in der Hand hält, an deren Ende deutlich ein Enterhaken zu sehen ist.

Die Yacht ist jetzt bis auf etwa zehn Meter an die Catalina herangekommen. Der Kerl mit der Leine fängt an, diese wie ein Lasso zu schwingen um den Haken an ihrer Reling zu verankern. Mit einem hässlichen, metallischen Klirren verhakt sich die Leine an der Reling. Die erste Verbindung zu ihrem Schiff besteht. In diesem Moment taucht Floh, ebenfalls ganz in schwarz gekleidet, wie aus dem Nichts auf, hechtet zu dem Haken an der Reling und haut mit einem Gegenstand, den Giorgio vom Ruderhaus nicht erkennen kann, auf die Leine ein. Sie schafft es, die Leine mit einem Hieb zu durchzuschlagen, sodass der Haken auf Deck fiel und die Leine ins Wasser rutscht.

Schon ist Flo wieder im Niedergang verschwunden. Giorgio dreht das Schiff jetzt scharf nach Steuerbord um aus der Gefahrenzone heraus zu kommen und gibt zusätzlich einen Warnschuss ab. „Die nächste Kugel trifft!“ brüllt er auf Englisch hinüber. Da zwischen beiden Bordwänden ein Höhenunterschied von über zwei Metern zu Gunsten der Catalina besteht, sind sie auf jeden Fall im Vorteil. Der Vorteil der Seeräuber ist, dass sie eindeutig das schnellere Schiff haben und im Nu die Drehung der Catalina nachvollziehen und schon wieder längsseits sind. Der Heisere ruft erneut: „Stopp your ship, but quick!“ und fuchtelt wild mit seiner Waffe umher.

Schon fliegt der nächste Haken auf ihr Schiff, diesmal weiter vorn, direkt vor dem Niedergang. Max ahnt was nun kommt und er richtet vorsichtshalber seine Waffe auf die Ganoven um Flo Feuerschutz zu geben. Das ist offensichtlich nicht nötig, da Flo sich auf dem Bauch liegend, langsam an die Reling robbt und von der Yacht nicht gesehen wird. Sie schafft es erneut mit einem Hieb die Leine zu durchtrennen.

Diesmal hängt allerdings bereits einer der Seeräuber daran und versucht geschickt und schnell an der Bordwand hochzuklettern. Als Flo zuschlug, war er schon fast oben, und fliegt mit einem lauten Schrei ins Wasser. Flo hat sich wieder zurückgezogen und Giorgio ruft geistesgegenwärtig: „Pia, mach schnell das Licht aus, dann brauchen sie länger den Kerl wieder ins Boot zu holen!“ Schon sind alle Lampen auf der Catalina erloschen und man hört nur die verzweifelten Schreie des verhinderten Enterers. Die schwarze Yacht stoppt und macht sich daran, nach ihrem Kumpel zu suchen. Die Catalina hat dadurch etwas Luft bekommen.

Der Heisere stößt unterdessen wilde arabische Flüche aus. Giorgio kann sich denken, wen er damit meint. Er dreht nun auf volle Kraft voraus und hofft dadurch genügend Vorsprung zu bekommen. „Langsam könnte die Küstenwache eintrudeln, sonst liefern wir uns hier doch noch eine wilde Schießerei und das möchte ich eigentlich nicht erleben!“ Giorgio denkt an seine Kinder und die Verantwortung, die er für sie und natürlich auch für Theresa hat. Er wird jäh aus seinen Gedanken gerissen, da der Motor der schwarzen Yacht aufheult und das Boot mit Volldampf hinter ihnen her jagt.

Verteilt Euch auf dem Deck, aber bleibt unbedingt in Deckung. Theresa, Du übernimmst das Ruder. Wir werden denen, wenn sie näher kommen, mal tüchtig einheizen. Scharf geschossen wird aber nur im Notfall oder in Notwehr. Ich möcht nicht noch in ein Mordverfahren der marokkanischen Justiz verwickelt werden. Die Lampen schaltest Du erst wieder ein, wenn sie direkt längsseits liegen, Theresa!“ gibt Giorgio knappe Anweisungen. Und Du Flo, halt den Hund unter Deck, damit er nicht abgeschossen wird, schnapp Dir eine Waffe und bleib am besten am Niedergang!“ Giorgio verschanzt sich jetzt am Großmast, Max am Heck und Pia am Bug hinter der Ankerkiste.

Die Ganoven kommen schnell näher, verfügten offensichtlich über sehr starke Motoren. Kaum sind sie auf einer Höhe mit der Catalina und ungefähr zehn Meter von deren Bordwand entfernt, als der Heisere mit seiner Waffe einen gezielten Schuss auf das Ruderhaus abgibt, jedoch noch keinen Schaden anrichtet. Der zweite Typ fängt jetzt an, Schüsse in die Luft zu feuern und schreit zu ihnen rüber: „Stopp your engine now, but very quick, or we kill you all!“ Giorgio richtet seine Waffe nun direkt auf das Maschinenhaus und hofft, dort den größten Schaden anrichten zu können. Er zielt gerade, als er einen leisen Zuruf von Max hörte: „Giorgio, die Küstenwache kommt auf der Steuerbordseite schnell näher!“ Erleichterung liegt in seiner Stimme. „Bleibt in Deckung, und schießt in die Luft. ich hoffe, dass die Ganoven damit abgelenkt werden und das Schiff nicht so schnell sehen.“ antwortet Giorgio. Max läßt sich dass nicht zweimal sagen und feuert nun direkt über die Köpfe der Angreifer. Er kann dadurch seine angestaute Anspannung etwas abbauen.

Die Seeräuber haben das Schiff der Küstenwache noch nicht bemerkt, obwohl es jetzt bereits bis auf eine viertel Seemeile heran ist. Sie haben sich auch hinter Aufbauten verschanzt und ballern wild in Richtung Catalina. Eine Kugel prallte von der Ankerwinsch ab. Der Querschläger verirrte sich dann auf dem Meer. Eine andere trift den Pfosten vom Ruderhaus und kommt damit Theresa gefährlich nahe. Auch Giorgio hält, durch permanentes Feuern, die Ganoven in Schach und beobachtet erfreut, dass das Küstenwachschiff nun schon so nahe ist, dass er für die Seeräuber kaum noch Chancen sieht, rechtzeitig zu verschwinden.

Jetzt hören sie eine Stimme durch ein starkes Megaphon auf Arabisch und Englisch rufen: „Sofort Feuer einstellen, hier spricht die Küstenwache des Königreichs Marokko. Stellen Sie sofort das Feuer ein, legen die Waffen sichtbar an Deck und kommen sie mit erhobenen Händen an die Reling.“ Kaum war dieser Satz verklungen, als der starke Motor der schwarzen Yacht aufheult. Die Seeräuber versuchen sich seewärts in Sicherheit zu bringen.

Die Männer der Küstenwache rechnen offensichtlich damit, denn ihr Schiff nimmt sofort Fahrt auf und jagt hinterher. Da ihr Schiff offensichtlich noch stärkere Motoren hat und über eine großkalibrige Bordkanone verfügt, ist die Jagt nach einer halben Seemeile durch einen gezielten Schuss vor den Bug bereits zu Ende. Kurze Zeit später kommen drei Beamte an Bord der Catalina und unterziehen die Besatzungsmitglieder einem umfangreichen Verhör. Sie schildern, wie sie diesen Überfall erlebt haben und Giorgio zeigte die Schäden, die die Ballerei auf der Catalina angerichtet hat, die aber zum Glück gering ausfallen. Sie erfahren, dass auf der schwarzen Yacht fünf Personen waren, die jetzt in Arrestzellen auf dem Küstenwachboot ihrer Strafe entgegen schmoren.

Theresa fragt, ob es sich wirklich um Piraten handelt, oder nur um gewöhnliche Kriminelle. Die Uniformierten, die in ihrer blau weiß roten Uniform mit goldenen Litzen fesch und majestätisch aussehen, erklären. „Genau können wie das noch nicht sagen, es können Drogenschmuggler sein, aber auch eine Bande, hinter der wir schon lange her sind und die sich tatsächlich der Seeräuberei verschrieben hat. Aber wir werden es bald wissen. Wir haben da so unsere Methoden!“ Pia will sich diese Methoden lieber nicht im Detail ausmalen, obwohl sie einen der drei eigentlich ganz süß findet, mit seinem schwarzen Oberlippenbärtchen, der markanten Nase und den dunklen, lustig funkelnden Augen. Sie schätzt ihn auf ungefähr dreißig und mindestens 185 cm groß.

Wenn wir jetzt alleine wären, könnte der mir schon gefährlich werden, sinniert sie. Aber im nächsten Moment denkt sie ärgerlich: Du dumme Kuh, wir sind dem Tod gerade erst von der Schippe gesprungen und du hast nichts als Kerle im Kopf.

Nachdem das Protokoll unterschrieben ist, verabschiedeten sich die Beamten und erklären, dass für weitere Verhöre, einige Kollegen in Casablanca noch einmal an Bord kommen werden, sie aber nun ihre Fahrt fortsetzen können. Der mit dem Schnauzer lächelt Pia zum Abschied freundlich an, drückt lange ihre Hand, schaut ihr tief in die Augen und flüstert auf Deutsch „Auf Wiedersehen.“ Pia bekommt einen roten Kopf und ist zu keiner Reaktion fähig. Da der Rest der Familie diese Abschiedsszene natürlich mitbekommen hat, feixen sie, kaum das die Beamten weg sind. „Wir sind noch nicht mal in Casablanca, aber bei Pia heißt es jetzt bereits, schau mir in die Augen Kleines. Das lässt ja in dieser Stadt einiges erwarten!“lästert Max. Alle, außer Pia, lachen und langsam weicht die Spannung der letzten Stunden von ihnen.Jetzt seht aber zu, dass ihr noch eine Mütze voll Schlaf bekommt, in zwei Stunden sind wir im Hafen!“ ruft Giorgio energisch. Die letzte Ruderwache übernimmt er selbst.

Casablanca, die größte marokkanische Stadt mit fast drei Millionen Einwohnern und auch dem größten Hafen des Landes, taucht gegen halb sieben langsam aus den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne vor ihnen auf und macht mit den vielen weißen Häusern seinem Namen alle Ehre. Die Crew ist schon wieder an Deck versammelt, da nach der nächtlichen Aufregung an Schlaf sowieso nicht zu denken ist. Flo und Pia stehen am Bug und staunen über die Größe des Hafens. Es herrscht reger Schiffsverkehr. Mehrere große Fracht- und Containerschiffe laufen ein oder aus, zwischendrin wimmelt es nur so an Barkassen, Schleppern, arabischen Dschunken und kleinen Ruderbooten mit Außenborder. Giorgio hat sich bereits gestern Abend von der Hafenkommandantur einen Liegeplatz zuweisen lassen und ist froh, trotz des Gewimmels, dass zugewiesene Hafenbecken auf anhieb zu finden.

Diesmal müssen sie in einem Frachthafen anlegen, in einer Lücke zwischen einem mittelgroßen Stückgutfrachter, von dem gerade ein Kran nagelneue LKWs und Busse abläd und einem portugiesisches Segelschulschiff, was noch um einiges größer als die Catalina ist. Eine herrliche Dreimastbark mit schneeweißem Rumpf und dunkelblauen Decks Aufbauten. Na dann sind wir ja in bester Gesellschaft!“ äußert sich Max zufrieden. Jetzt mach ich erst mal ein kräftiges Frühstück, das können wir nach der Nacht wohl brauchen!“ verkündet Flo, während Giorgio mit den Hafenbehörden den Papierkrieg erledigt. Als er zurückkommt sieht er ziemlich griesgrämig drein und berichtet, dass die Kriminalpolizei alle gegen zwei Uhr Nachmittag noch mal wegen des Überfalls vernehmen möchte. Damit ist der ganze Tag zerrissen, aber es muss wohl sein,“ mault er. Pia fragt sich hoffnungsvoll, ob wohl der süße Offizier von letzter Nacht dabei sein würde? Sie muss wohl etwas zu offensichtlich geträumt haben, denn Max, der die Mimik seiner Schwester natürlich kennt, grinst sie an und lästert: Na Pia, wenn Dein neuer Verehrer auch mitkommt, hast Du ja bestimmt genug Programm für heute Abend, oder?“ Pia merkt ärgerlich, dass sie schon wieder einen roten Kopf bekommt und würde ihren Bruder am liebsten über Bord werfen.

Auf dem Kai und in den dahinter liegenden Lagerschuppen ist ein typisch orientalisches Gewusel. Alle möglichen Waren werden an den unterschiedlichsten Stellen gestapelt. Hafenarbeiter, Verkäufer und Geschäftsleute aller Art laufen scheinbar ziellos durcheinander. Trotz der frühen Stunde sind auch schon zahlreiche Huren auf der Suche nach Kundschaft. Etliche Straßenhunde schnüffeln, sehr zum Ärger von Kolumbus, die auf dem Kai gelagerten Kisten ab. Er steht oben an der Reling und bellt sich die Seele aus dem Leib. Über allem liegt eine herbe Duftmischung aus Gewürzen, Maschinenöl und Kaffee und benebelt einem die Sinne.

Die jetzt im Mai schon recht heiß scheinende Sonne und die Aufregung der letzten Nacht tun ihr Übriges, die Besatzung der Catalina schläfrig an Deck herumliegen zu lassen. Um fliegende Händler davon abzuhalten, auf das Schiff zu kommen, haben sie die Gangway vorsichtshalber hochgezogen. Pünktlich um zwei fuhr ein Polizeiwagen vor. Drei Polizisten steigen aus. Max läßt die Gangway herab und die Drei kommen an Bord. Pia registriert enttäuscht, dass ihr Typ nicht dabei ist, überhaupt, was sind das für Uniformen. Die können mit denen der Küstenwache überhaupt nicht mithalten. Vielleicht ist es auch besser so. Der Typ ist sicher verheiratet, hat bereits sieben Kinder. Außerdem, was will ich mit einem Kerl hier in Marokko. Sie fragt sich in diesem Moment selber, ist das nur ein Flirt oder bin ich etwa verliebt. Sie weiß auch keine Antwort darauf und ärgert sich selbst über ihr Gefühlschaos.

Die drei Beamte nehmen im Salon Platz. Die Crew der Catalina musste ausführlich über ihre nächtlichen Erlebnisse berichten und die Einschusslöcher zeigen. Die hohe Obrigkeit schreibt alles fein säuberlich auf und nach fast zwei Stunden wird wieder ein Protokoll unterschrieben. Die drei Herren verabschieden sich zufrieden. Sie erfahren allerdings noch, dass es sich bei ihren nächtlichen Besuchern tatsächlich um die lang gesuchte Piratenbande handelt. Außer den fünf Ganoven auf der Yacht können noch drei weitere an Land verhaftet werden. Ein riesiges Lager mit gestohlener Ware aller Art wird dabei entdeckt. So ganz nebenbei hören sie auch noch, dass diese Kerle bereits vier Morde auf dem Gewissen haben und eine ausgeraubte spanische Yacht samt Besatzung bis heute verschwunden ist.

Mensch, was haben wir für ein Glück gehabt, dass wir da so gut raus gekommen sind. Wenn ich daran denke, was das für Kerle sind und was die mit uns gemacht hätten, wenn sie unser Schiff geentert hätten, mag ich mir gar nicht vorstellen!“ stöhnt Pia und ihr läuft nachträglich ein kalter Schauer den Rücken runter. Vermutlich wären Giorgio und ich über Bord geworfen worden und Euch würden sie wahrscheinlich an irgendeinen orientalischen Harem verschachern und allein damit ein Vermögen verdienen. Der Catalina hätten sie sicherlich einen anderen Anstrich und einen neuen Namen verpasst und mit gefälschten Papieren weiter verkauft. So wären wir und unser Schiff auf nimmer Wiedersehen verschwunden und kein Hahn hätte mehr nach uns gekräht!“ Auch Max schauert es bei dem Gedanken.

Giorgio blickt ernst auf seine Kinder und Theresa und meint: „Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass unsere Reise nicht nur vergnüglich ist, sondern auch ernste Gefahren auf uns lauern können. Je weiter wir fahren und je mehr wir in andere, fremde Kulturen eindringen, um so mehr kann auch passieren. Wir müssen ständig aufpassen, unsere Wachen ernst nehmen und unsere Verteidigungsmöglichkeiten immer in Stand halten. Vielleicht sollen wir uns auch über zusätzliche Sicherungs-maßnahmen Gedanken machen. Wenn Ihr also Ideen habt, dann raus damit. Zum Schluss muss ich Euch jedoch sagen, dass ich sehr stolz auf Euch bin. Ihr habt in dieser kritischen Situation einen kühlen Kopf behalten, klug und besonnen reagiert und seid keine unnötigen Risiken eingegangen. Wenn wir uns bei zukünftigen Gefahren auch so verhalten, haben wir gute Chancen, dass wir lebend nach Hause kommen!“

Am späten Nachmittag einigen sie sich darauf, noch die zweitgrößte Moschee der Welt, nach der Moschee in Mekka, zu besichtigen.

Die Hassan II Moschee ist auf einem riesigen Areal über den Klippen ins Meer gebaut  (siehe Bild vorher) und bietet über 100.000 Gläubigen Platz zum Beten. Diese monumentale Architektur interessiert Giorgio, aber auch seine Kinder besonders. Sie haben ein Taxi gerufen und fahren durch eine westlich geprägte, moderne Großstadt mit breiten, palmengesäumten Avenuen und schönen blumengeschmückten Plätzen. Flo und Theresa sind etwas enttäuscht, weil die Stadt nur wenige marokkanische Elemente zeigt. In den Vorstellungen der Mädchen hat die Stadt so gar nichts von Tausend und Einer Nacht. Und hier soll Humphrey Bogart der Ingrid Bergmann ins Ohr geflüstert haben, schau mir in die Augen, kleines, wie unromantisch!“ entrüstet sich Flo. Giorgio lacht und erklärt: „Der Film spielte vor fast sechzig Jahren und da war das hier noch wesentlich stärker vom französischen Kolonialismus geprägt und sah nicht so modern aus wie heute. Außerdem wurde das meiste im Studio in Hollywood gedreht und nur wenige Einstellungen hier in der Stadt.“

Das Taxi fährt direkt vor die Moschee und der freundliche Fahrer gibt ihnen noch den Typ, mit einem Fahrstuhl auf das höchste Minarett zu fahren, da man von da oben einen herrlichen Blick über ganz Casablanca hat. Der Bau ist gewaltig. Die Welten-bummler sind erschlagen von der massigen Architektur. Überall sind kleine und größere Plätze mit Brunnen oder Wasserbecken, unterbrochen von Gebetssälen mit prachtvollen Säulen. Das höchste Minarett hat ganz oben, drei riesige goldene Kugeln. Direkt darunter ist eine Aussichtsplattform. Da Sie nur Teilbereiche der Moschee besichtigen dürfen, fahren sie mit dem Fahrstuhl nach oben und genießen den Blick über das Meer und die Stadt. Auf der Westseite können sie einen phantastischen Sonnenuntergang beobachten, auf der Ostseite kriecht langsam die Dunkelheit herauf. Zahllose Lichter lassen über Casablanca doch noch so etwas wie Romantik aufkommen. Plötzlich erhellt ein, nach Osten gerichteter Laserstrahl den Himmel. Ein Wächter erklärte ihnen, dass dieser Strahl genau nach Mekka gerichtet ist. Die Laserkanone steht auf einem gegenüber liegenden Minarett und taucht die ganze Kuppel in ein warmes gelbes Licht.

Wieder unten, erkundigt sich Max bei einem Einheimischen, wo man den in Casablanca noch so etwas wie arabisches Flair finden könne und bekommt die Empfehlung, zur neuen Medina zu fahren. Dort gibt es einen schönen Souk für Kunsthandwerk. Aber auch Schuhe, Gemüse, Fische und alles Mögliche und Unmögliche sind dort zu haben. Also schwingen sie sich wieder in ein Taxi und lassen sich durch das Abendgewühl kutschieren. Kaum im Stadtteil Habbous angekommen, tauchen Giorgio und seine Crew in das reale arabische Leben ein. Ein Gewimmel an Menschen und eine wahren Reizüberflutung an Farben und Gerüchen. In engen Gassen stapeln sich Lederwaren neben Fischen, Blumen, Kupferwaren, Gewürzen, Schuhen und Gemüse. Es ist ein scheinbar wildes Durcheinander, was jedoch offensichtlich einer eigenen und geordneten Logik folgt. Alle fünf sind von diesem Treiben, den Farben und Gerüchen fasziniert. Die Marokkaner, zum größten Teil Männer, wiederum von der Schönheit der Mädchen schwer beeindruckt und starren sie unentwegt und recht unverfroren an.

Giorgio und Max passen höllisch auf, dass sie nicht auch noch begrabscht werden und nehmen die drei zwischen sich. Giorgio, wenn wir unsere Reisekasse aufbessern wollen, haben wir jetzt Gelegenheit dazu. Wir würden für jede einzelne unserer Mädels bestimmt mehr als fünfzig Kamele bekommen!“ feixt Max. Die Mädchen, die nicht so recht wissen, ob sie weinen oder lachen sollen, werfen Max einen vernichtenden Blick zu und Pia giftet schlagfertig: „Ich stelle mir gerade vor, wie Ihr mit einhundertfünfzig Kamelen auf unserem Kahn weitersegelt. Aber für Dich Max wäre dass sicherlich die angemessenere Gesellschaft!“ alle lachen.

Das Warenangebot ist verlockend, die Mädchen handeln wie die Kesselflicker und kaufen sich jede ein paar Schuhe und eine Tasche. Flo und Giorgio stöbern für ihre große Atlantiküberquerung in Gewürzen, Tees und anderen exotischen, Köstlichkeiten. Da Flo sich mit Gewürzen vorher beschäftigt hat, weiß sie genau, was sie für ihre Küche,   äh Panrty braucht. Die Händler haben angesichts des weiblichen Charmes auch nicht den Hauch einer Chance und akzeptieren fast jeden vorgeschlagenen Preis der Mädels. Max hat plötzlich eine Idee und kauft unter unverständlichen Blicken seiner Familie zwei große Kanister Schmierseife. „Was willst Du denn damit?“ blickt Theresa ihn ratlos an. Er schaut vielsagend und meint: „Das ist eine Abwehrmaßnahme für die nächsten Piraten. Damit schmieren wir bei einem Angriff die Bordwand und die Reling ein. Dann werden die beim entern ihre wahre Freude haben“ grinst er verschmitzt. Flo bemerkt trocken: „Manchmal bist Du doch nicht so blöd, wie Du aussiehst!“

Giorgio ruft nun besorgt, mit Blick auf die immer größer werdende Männermeute um seine Mädchen herum: Jetzt lasst uns zurück zum Schiff fahren, bevor Ihr tatsächlich noch in irgend einem Harem landet. Ihr werdet schließlich noch gebraucht.“ Auch Flo, Pia und Theresa fühlen sich, angesichts diese Menge an Kerlen um sie herum, etwas unwohl und sind nur allzu gern bereit, diesem Trubel zu entkommen. Zurück am Schiff führt Kolumbus einen Freudentanz auf und macht sich sofort über die Fleischbrocken her, die sie ihm mitgebracht haben. Erst auf den zweiten Blick fallen ihnen zwei Polizisten auf, die jeweils vor und hinter der Catalina, leicht verdeckt offensichtlich Wache stehen. Giorgio geht zu einem hin und fragt ihn, was los ist. Er erfährt, dass sich die Küstenwache noch nicht sicher sei, alle Ganoven erwischt zu haben. Sie haben daher die Anweisung, das Schiff bis zum Auslaufen zu Bewachen und vor Rache Anschlägen zu schützen. Das wäre eine reine Vorsichtsmaßnahme. Wie beruhigend, dann können wir ja diese Nacht unter Polizeibewachung schlafen und brauchen keine Wache!“ wirft Theresa ein. „Kommt gar nicht in Frage“ kontert Giorgio. Wir wissen nicht, wie ernst die Beiden ihre Aufgabe nehmen oder ob die geschmiert sind. Außerdem kann sich ja auch jemand von der Wasserseite heranschleichen, was unsere beiden Uniformträger überhaupt nicht mitkriegen würden. Also die Deckswache bleibt wie gehabt. Wir werden morgen früh noch Proviant auf dem Zentralmarkt einkaufen und sobald alles verstaut ist, lautet das Motto Leinen los und ab zu den Kanaren. Dann sollen die hier Piraten jagen, so lange sie wollen, aber ohne uns!“

Am Morgen brennt die Sonne erbarmungslos vom Himmel. Flo, Pia und Giorgio machen sich auf zum Zentralmarkt von Casablanca, dem Marche Municipale am Boulevard Mohammed V. Hier können sie günstig frische Fische und Meerestiere aller Art sowie Lebensmittel und Getränke einkaufen. Sie nehmen ihren kleinen Anhänger mit, da Giorgio der Meinung ist, dass sie vieles für ihre Atlantiküberquerung bereits hier und nicht erst auf den Kanaren einkaufen sollten, weil es hier mit Sicherheit deutlich billiger als auf Teneriffa oder La Palma ist und die Auswahl sicher auch größer.Das Angebot ist riesig, schnell stapeln sich Wasserkanister, Cola, Reis, Nudelpakete, Olivenöl, Obst und vieles mehr auf dem Anhänger. Zum Schluss kaufen sie noch fangfrische Fische, die Flo an Bord einfrieren will. Als sie dann gerade dabei sind, ihre Einkäufe unter Deck zu verstauen, kommen zwei amtlich aussehende Anzugträger an Bord und stellen sich als Staatsanwalt Mohammed el Kabir des Königreichs Marokko und Gerichtsschreiber Yussuf Boiuni vor. Giorgio schaut etwas verblüfft und knurrt leise „Was wollen die noch, wir haben doch alles bereits zweimal zu Protokoll gegeben. Beamte scheinen überall auf der Welt gleich nervig zu sein.“ Der Staatsanwalt meint ungerührt, dass es notwendig wäre, alles für die Gerichtsverhandlung noch mal genau zu protokollieren, da sie ja wegen ihrer Weltreise während der Verhandlung nicht als Zeugen aussagen können. Also müssen ihre Aussagen möglichst genau und umfassend sein, damit der Piratenanwalt nicht noch einen Freispruch konstruieren kann.

Sie setzen sich alle an den großen Tisch am Ruderhaus und wiederholen erneut die Erlebnisse der vorletzten Nacht. Die ganze Prozedur dauert geschlagene drei Stunden. Giorgio wird langsam unruhig, da sie ja eigentlich seit zwei Stunden auf See sein wollten. Nachdem die Staatsdiener sich endlich gegen halb drei verabschieden, nicht ohne hinreichende Komplimente über die Catalina zu versprühen, drängt Giorgio sofort zum Aufbruch. Er befiehlt seiner Crew das Schiff klar zum Auslaufen zu machen, während er selbst beim Hafenkommandanten den Papierkrieg erledigen will. Erfreut kommt er nach kurzer Zeit zurück und berichtet, dass die Hafengebühren vom marokkanischen Staat übernommen werden, da wir ja nur für die Ermittlungen den Hafen anlaufen mussten. Giorgio erwähnt natürlich nicht, dass sie das sowieso vorgehabt haben. „Maschinen an und Leinen los!“ ruft er und steuert das Schiff langsam aus dem Hafenbecken in Richtung Atlantik.

Er hat gerade den Kurs Südsüd West festgelegt, als er einen Funkspruch der marokkanischen Küstenwache bekommt. Die teilte ihnen mit, dass sie für die nächsten einhundert Seemeilen vorsichtshalber Geleitschutz bekommen. Tatsächlich schiebt sich das Küstenwachboot in ungefähr sechzig Meter Entfernung neben die Catalina. Mehrere Offiziere winken herüber. Als Pia durch das Glas sieht, ist sie wie vom Donner gerührt, da sie drüben ihren schnauzbärtigen Verehrer erkennt. Der winkt fröhlich herüber und wirft ihr Kusshändchen zu. Max hat das natürlich sofort gemerkt und lästert. „Pia sollen wir Dich mit dem Dingi rüber fahren? Dass ist die letzte Gelegenheit, doch noch an einen Arabischen Märchenprinzen zu kommen. Als Zweitfrau nimmt der Dich bestimmt!“ Bevor Pia etwas entgegnen kann, ist Flo zur Stelle. „Pia, gib dem Quatschkopf gar keine Antwort, der ist es gar nicht Wert, dass sich zivilisierte Mitteleuropäer mit ihm unterhalten!“ Pia hat ihre Gefühle diesmal besser unter Kontrolle, lächelt nur und winkt zurück.

Ein interessanter Mann wäre er ja schon, aber es soll halt nicht sein. Andere Mütter haben auch nette Söhne, sagt sie sich und schließt damit dieses Kapitel innerlich ab. Kaum hat sie zu Ende gedacht, löst sich ein schnelles Beiboot vom Schiff der Küstenwache und fährt zu ihnen herüber. Pias Verehrer ist jedoch nicht dabei, sondern zwei Offiziere in ihren schmucken Uniformen. Einer entert den Segler und erzählt in gutem Englisch, dass diese Eskorte und auch die Bewachung im Hafen notwendig ist, da das beschlagnahmte Schiff der Piraten, trotz guter Bewachung, aus dem Gewahrsam der Hafenpolizei gestohlen wurde. Damit ist klar, dass sie noch nicht alle Bandenmitglieder gefasst haben. Das ist der Küstenwache äußerst peinlich und der Grund dafür, keinerlei Risiken einzugehen und deshalb diese Eskorte zur Verfügung zu stellen. Giorgio vermutet Korruption hinter diesem Schiffsdiebstahl, äußert dies jedoch nicht laut, sondern bedankt sich artig für den Geleitschutz und hilft dem Offizier wieder in sein Beiboot.

Mensch Giorgio, was haben wir Glück gehabt, wenn das so eine große Bande ist, was hätte alles noch passieren können!“ entfährt es Theresa erleichtert. Zwischenzeitlich haben sie alle Segel gesetzt und Glück mit dem Wind. Er kommt mit Stärke vier aus Nordwest und treibt die Catalina mit zehn Knoten in Südwestliche Richtung. La Palma ist nun ihr nächstes Ziel.

Giorgio telefoniert gerade mit Henriette Herzig, um mit ihr die Flugzeiten für die versprochene Reise nach La Palma abzusprechen. Er ist wie vom Donner gerührt, als er von ihr hörte, dass sie nicht kommen könne, weil sie sich bei ihrem Umzug nach Amrum die Bandscheibe angeknackst hat und nun das Bett für mindestens noch drei Wochen hüten muss. Giorgio ist sichtlich traurig und wünscht ihr gute Genesung. Als Pia, Flo und Max das hören, sind sie sehr geknickt, da sie sich auf ihren Mutterersatz Henriette gefreut haben. „Die hat bestimmt zu viele Kisten geschleppt!“ vermutet Flo´s.

Also ist der nächster Hafen Puerto Tazzacorte auf der Westseite von La Palma. Giorgio rechnet für die Reise, wenn das Wetter so bleibt, ungefähr 4-5 Tage ein. Er hat vor, bis in Höhe Agadir noch in Sichtweite der marokkanischen Küste zu segeln und dann auf Westkurs zu gehen um die Sahara Winde aus Osten auszunutzen. Bis Agadir haben sie noch den marokkanischen Geleitschutz neben sich. Obwohl sie nicht an einen zweiten Überfall glauben, haben sie dadurch doch ein Gefühl der Sicherheit. Die Nacht vergeht ohne besondere Vorkommnisse und ist zum Segeln wie geschaffen. Das Schiff pflügt ruhig durch die leichte Dünung. Ihr Begleitschiff dampft gleichmäßig neben ihnen her. Als im Osten das erste Tageslicht über den Horizont kommt, hat die Catalina bereits die Höhe von Agadir erreicht. Giorgio, der gerade Wache hat, dreht jetzt das Schiff auf Kurs West… Über Funk informiert er das Begleitschiff. Nach ein Paar Seemeilen dreht das Küstenwachboot unter lautem tuten des Signalhorns und heftigem Winken ab.

Pia, der das Winken insbesondere gilt, schlummert jedoch noch in ihrer Koje und wird erst von dem Tuten aus dem Schlaf gerissen. Sie ahnt sofort, was das bedeutet, ist im Nu aus der Koje, wirft sich ihren Bademantel über, springt den Niedergang hoch, an Deck. Da ihr Verehrer jedoch nur Giorgio an Deck erkennen kann, greift er zum Megaphon und brüllt in holprigen Englisch herüber: „Lovely greetings for your nice daughter!“ Giorgio winkt dankend zurück. Pia, die vom Großmast halb verdeckt wird, läuft es angesichts dieser offenen Verehrung heiß den Rücken runter. Sie traut sich nun doch hinter dem Mast hervor und winkt heftig hinüber, bis die Schiffe sich soweit von einander entfernt haben, dass die Menschen an Deck nur noch als winzige Punkte zu erkennen sind. Dann läuft sie, sich ein paar Tränen aus den Augen wischend, schnell den Niedergang runter, in ihre Kabine. Giorgio staunt, dass es seine Älteste offensichtlich doch stärker erwischt hat, als vermutet. Er ist froh, dass der Rest der Familie nichts mitbekommen hat und nicht auf Pia´s Kosten gelästert wird.

Nach anfänglichem, leichten Kreuzen erwischen sie den Sahara Wind und segeln gemütlich Richtung Westen. „Wenn uns nicht noch eine Flaute erwischt, müssen wir übermorgen Abend da sein!“ hofft der Skipper. Neptun meint es jedoch gut mit ihnen. Sie erreichen tatsächlich am übernächsten Tag gegen vier Uhr Nachmittags La Palma. Die über zweitausend Meter hohen Berge ragen langsam vor ihnen auf. Sie können sogar schon die fruchtbaren Hänge, mit Bananen, Avocado und Ananasplantagen erkennen. Max steuert die Westseite der Insel an und sucht den einzigen Hafen auf dieser Seite, Puerto Tazzacorte. Von der Wasserseite macht die Insel einen eher unwirklichen Eindruck. Mit den schroffen, steil zum Meer hin abfallenden Felsen und

vielen, teilweise unter der Wasseroberfläche liegenden Grotten, erinnert alles an eine Mondlandschaft. Weiter oben ist La Palma jedoch sehr fruchtbar und ermöglicht jede Art von Landwirtschaft. Nach einer weiteren Stunde kommt auf der Steuerbordseite das Aridanetal in Sicht, mit Bananen und Weinanbau. Dieses weitläufige Hochtal, zieht sich langsam die Hänge herunter und beherbergt sowohl den Hafen, den sie ansteuern wollen, wie auch die zweitgrößte Stadt der Insel, Los Llanos.

Die Westseite von La Palma ist trockener und wärmer. Auch die Familie Emden hat sich auf dieser Seite in einem alten Kanarischen Haus angesiedelt. Als der kleine Hafen in Sicht kommt, beginnt der Sonnenuntergang über dem Meer und taucht die Landschaft in, orangefarbenes Licht.

Puerto Tazzacorte ist noch kleiner als der Hafen von Javea und besteht nur aus einer mächtigen Mole, die das Hafenbecken von den gewaltigen Wellen des Atlantiks abschirmt. Jetzt liegen drei Fischerboote und eine 15 Meter Yacht aus England im Hafen, die offensichtlich auch eine Atlantiküberquerung vor sich hat. Sie bekommen einen Liegeplatz im vorderen Teil der Mole zugewiesen und sind noch mit dem Anlegemanöver beschäftigt, als schon ihr Empfangskomitee in Form von Ehepaar Emden auftaucht und sie herzlich begrüßt. Beide staunen über die Größe und Schönheit der Catalina, die sie ja noch nicht gesehen hatten und warten ungeduldig, bis die Gangway endlich herabgelassen wird. Kaum an Bord, überreicht Frau Emden einen großen Korb mit frischen Bananen, Zitronen, Avocados und Apfelsinen. Sie meint treuherzig: „Damit sie auf dem langen Weg über den Atlantik nicht verhungern.“

Giorgio und seine Crew laden die Beiden zu einem Glas Wein ein und spielen den Fremdenführer auf ihrem Schiff. Frau Emden ist vor Staunen und Begeisterung völlig sprachlos. Das will bei ihr was heißen. Anschließend laden Dr. Emden nebst Gattin die ganze Familie Lindner inklusive Kolumbus zum Essen in ihr Haus ein. Sie werden in einen großen Van verfrachtet und Dr. Emden schraubt sich die kurvige Straße hoch in Richtung Las Manchas. Dieses kleine Dörfchen liegt ruhig und idyllisch oberhalb von Los Llanos und verfügt über einen prachtvollen Blick über das Aridane Tal, die Stadt und den Atlantik.

Das Häuschen des Anwalts entpuppt sich als altes, typisches Kanarisches Bauernhaus. Eigentlich sind es drei Häuser, die mit viel Geschick und Geschmack durch Anbauten zu einem Haus zusammengefügt wurden. Gerade die Mischung zwischen den alten, schön restaurierten Gebäuden und den modernen Verbindungselementen, machen den Reiz aus und vergrößeren das Ganze auf immerhin 200 Qm. Wohnfläche. Eine riesige Terrasse zieht sich um die Westseite, nur unterbrochen von den herrlichsten Blumen und Agaven. Für Schatten sorgen eine mächtige Zeder und zwei alte, schöne Palmen. Auch innen ist das Haus geschmackvoll im kanarischen Stil eingerichtet. Es hat so gar nichts gemein mit der etwas biederen Einrichtung ihrer Hamburger Wohnung. Hinter dem Haus versteckt sich zwischen Hibiskus Hecken und Oleander ein schöner Pool und gibt einen tollen Blick auf die Berge und die Caldera del Taburiente frei, einem der größten Krater der Welt, der heute Nationalpark ist und zum Wandern einlädt.

Frau Emden hat ein typisch Kanarisches Essen vorbereitet, bestehend aus geschmortem Kaninchen in einer Rotweinsoße mit Gofio und einem großen gemischten Salat. Dazu einen Tenenguia, ein leichter Weißwein, der ganz im Süden der Insel angebaut wird. Sie sitzen auf der Terrasse, lassen sich das Essen schmecken und sehen auf das Lichtermeer unter ihnen. Dabei wundern sie sich, dass alle Lampen ein orangefarbenes Licht verströmen und fragen Dr. Emden nach dem Grund. Auf dem Roque de los Muchachos liegt eines der berühmtesten Observatorien der Welt.

Damit die da oben in die Sterne sehen können, soll das Licht hier unten möglichst gering sein. Man hat festgestellt, das orangefarbenes Licht lange nicht so hell wie gelbes abstrahlt und die Sternengucker werden nicht gestört,“ doziert er glücklich, sein Wissen endlich mal anbringen zu können. Dann müssen die Weltenbummler ausgiebig über ihre bisherigen Erlebnisse, seit ihrer Abreise aus Hamburg berichten und haben in den Emdens dankbare Zuhörer.

Erst gegen Mitternacht bringt Dr. Emden sie zurück zur Catalina. Beim Aussteigen fragt er Giorgio noch: „Wie lange bleiben Sie auf unserer schönen Insel?“ „Da wir unseren Kahn noch für den Törn über den großen Teich klarmachen und einiges an Vorräten und Materialien bunkern müssen, denke ich so drei bis vier Tage!“ entgegnet Giorgio und registriert ein Strahlen auf dem Gesicht seines Nachbarn. Dann möchten wir Ihnen Übermorgen gern mal die Insel zeigen und laden Sie zu einer Spritztour ein, einverstanden?“ Die Einladung nehmen wir gern an und freuen uns drauf!“ entscheidet Giorgio schnell, ohne die Reaktion seiner Crew abzuwarten. Kaum an Bord, regt sich Flo auf und zischt ihren Vater an: „Warum bestimmst Du eigentlich über unsere Köpfe hinweg, was wir hier machen wollen, wir leben doch nicht in einer Diktatur!“ schmollt sie. Nun reg Dich wieder ab, ich will nur allen Diskussionen zuvorkommen. Ihr habt doch gewusst, dass Emdens uns die Insel zeigen wollen. Sie schwärmen doch so lange von La Palma. Außerdem sind sie nett, hilfsbereit und als Nachbarn gibt es weiß Gott schlechtere. Im Übrigen kannst Du froh sein, dass Du noch mal etwas anderes siehst, denn die nächsten Wochen hast Du nichts als Wasser um Dich herum. Habt Ihr auch etwas dagegen?“ blickt er fragend den Rest der Crew an.

Nein Pap´s, ist schon in Ordnung, die kennen sich ja hier gut aus und können uns bestimmt Interessante Sachen zeigen. Außerdem sind sie gar nicht so übel“ meint Pia versöhnlich. Auch Theresa und Max nicken. Ich will doch hier noch mal in die Disco, bevor wir über den großen Teich schippern!“ mault Flo. Max kichert und tippt sich an die Stirn: „Mann, bist Du blond. Du glaubst doch nicht im ernst, dass es hier auf der Insel ne gute Disco gibt. Selbst wenn, dann geht man ja wohl abends in die Disco und nicht tagsüber. Emdens haben uns für tagsüber eingeladen, falls Du das nicht geschnallt haben solltest!“ Blöder Hammel“ ist der einzige Kommentar für ihren Bruder. Sie rauscht beleidigt, in ihre Kabine.

Am kommenden Morgen ist die Stimmung an Bord wieder prächtig. Flo hat ein tolles Frühstück gezaubert und sogar so etwas wie eine Entschuldigung raus gequetscht, was ihr bestimmt nicht leicht gefallen ist.Giorgio ist bereits in seine Seekarten und Wetterprognosen vertieft und bittet Theresa und Flo eine Liste für ihre Einkäufe zu erstellen. Überprüft alles genau, auch Medikamente und Verbandszeug, Werkzeug, Ersatzteile und was wir sonst noch alles in den nächsten Wochen brauchen können. Wir gehen diese Liste nachher alle gemeinsam durch. Pia und Max machen bitte am Vormittag noch einen ausführlichen Sicherheitscheck!“ Zwei Stunden später ist der Check zur Zufriedenheit der beiden abgeschlossen. Sie berichten Giorgio das mit dem Rumpf, den Maschinen, Stromaggregaten, Diesel, Wassertanks, der Elektrik und natürlich der Takelage und den Segeln alles im grünen Bereich ist. Allerdings sollten wir noch zusätzlich Wasser und Diesel bunkern, die Tanks sind nicht voll und die Schwimmwesten müssen noch mit Notbeleuchtung nachgerüstet werden. Für unsere Rettungsinsel brauchen wir noch Taschenlampen und Batterien für das Sprechfunkgerät, Seenot Raketen fehlen auch noch. Alles andere ist da und voll einsatzbereit!“ meldet Pia.

Theresa und Flo haben eine drei Seiten lange Proviantliste geschrieben, die jetzt gemeinsam besprochen wird. Neben den üblichen Lebensmitteln sind auch diverse Medikamente, gegen alle möglichen Krankheiten und Verletzungen dabei. „Wir brauchen unbedingt noch ein Mittel gegen Seekrankheit“ verlangt Giorgio. „Wofür das denn, außer Flo haben wir doch alle kein Problem mehr mit Seekrankheit“ wirft Max ein. Bisher nicht, aber Ihr habt auch noch keine Atlantik Überquerung gemacht, das ist was anderes als die Pfützen durch die Ihr bisher gesegelt seid. Es kann ganz schön zur Sache gehen,“ warnt der Skipper. Außerdem habe ich beschlossen, dass wir noch einen weiteren Satz Rettungswesten kaufen. Eine große solide Angel will ich auch noch haben. Eine halbe Stunde später ruft Giorgio Dr. Emden an, der sich angeboten hat, sie mit seinem Van zum Einkaufen in die richtigen Geschäfte zu fahren.

Pia und Max kümmern sich um Frischwasser und Diesel, während Giorgio mit Theresa, Flo und Dr. Emden nach Los Llanos zum einkaufen fährt. Obwohl der Van einiges laden kann, wird der Platz angesichts der Fülle von Lebensmitteln, Obst, Gemüse, Getränken, Medikamenten und sonstigen Gerätschaften langsam knapp. Ganz zum Schluss quetscht Giorgio noch die fünf neuen Automatikschwimmwesten obendrauf. In den Wagen passt nun keine Maus mehr.Der Anwalt fährt wie auf rohen Eiern die Serpentinen hinunter, Richtung Hafen. Eine weitere Stunde dauert das Ausladen und verstauen der Vorräte. Flo freut sich, so viele Kühl- und Lagermöglichkeiten zu haben. Pia und Max haben zusätzlich noch zehn zwanzig Liter Kanister mit Trinkwasser herangeschleppt, außerdem zwei Kanister Maschinenöl und fünf zwanzig Liter Kanister Diesel als eiserne Reserve. Alles wird zur besseren Ballastverteilung in der Bilge verstaut.

Wasser- und Dieseltank sind jetzt gut gefüllt. Giorgio blickt zufrieden auf seine Lieben und verkündet. „Morgen früh werden wir uns von Emdens die Insel zeigen lassen. Morgen Abend machen wir ein ausführliches Briefing für unseren Törn über´n Teich. Übermorgen früh gegen sechs Uhr werden wir in See stechen!“ verkündet der Käptn.

Santa Cruz de Palma

Um acht Uhr am Morgen stehen ihre Nachbarn fröhlich am Kai und freuen sich sichtlich darauf den, noch etwas verschlafenen, Seefahrern ihre schöne Insel zeigen zu können. Die Fahrt führt sie über eine kurvige Höhenstraße mit phantastischen Ausblicken in Richtung Süden nach Fuencaliente. Dort ist das Vulkangebiet mit den jüngsten Vulkanen der Kanaren. Frau Emden hat extra ein rohes Ei mitgenommen um ihnen zu zeigen, dass man dieses Ei in einer der Erdspalten kochen kann. Tatsächlich, nach etwa vier Minuten zieht sie triumphierend ein gekochtes Ei heraus. Weiter geht es, nun auf der Ostseite der Insel Richtung Inselhauptstadt St. Cruz. Die Stadt selbst hat etliche alte Kanarische Häuser mit schönen Holzbalkonen zu bieten. Die Mädchen genießen den Bummel durch die kleinen Gässchen mit ihren Bars, Geschäften und Restaurants. Dr. Emden will ihnen unbedingt den originalgetreuen Nachbau der Santa Maria, dem Schiff von Kolumbus zeigen, der in einem kleinen Park am Stadtrand aufgebaut ist. „Mensch, die war ja kleiner als unser Kahn, nur höher!“ stellt Flo staunend fest.Weiter geht die Fahrt Richtung Norden zum Roque de los Muchachos, dem höchsten Berg der Insel, wo sich das, von Dr. Emden erwähnte Observatorium befindet.

Großes Teleskop

Mit einem der Astronomen ist Dr. Emden befreundet und hat für sie extra eine Führung durch die Sternwarte arrangiert. Da das Observatorium für Besucher normalerweise nicht zugänglich ist, schon etwas Besonderes. Alfonso Becker, ein Deutsch Chilene begrüßt sie herzlich und beginnt sofort eine einstündige, spannende Führung durch den Weltraum. Er bietet den Weltenbummlern Einblicke in das Universum, die sie sich so bisher nicht vorstellen konnten. Sie sind begeistert. Frau Emden stößt immer wieder verzückte Schreie aus. Am Ende der Führung werden sie ganz still. Pia bringt es mit ihrer Bemerkung auf den Punkt. „Da sieht man erst, wie klein und bedeutungslos wir mit unserer Erde in diesem riesigen Universum sind. Ich glaub, es grenzt schon an Arroganz, wenn wir glauben der einzige Planet zu sein, auf dem Leben ist.“

Dass wir bisher noch kein Leben im All gefunden haben, bedeutet nicht, das es keins gibt!“ erklärt Alfonso und fügt hinzu: „Die meisten Wissenschaftler sind sogar von Leben in anderen Galaxien überzeugt!“Warum hat man das Observatorium gerade hier hin gebaut?“ will Flo wissen. Weil diese Insel, mitten im Atlantik am wenigsten vom Lichtschmutz befallen ist. Hier auf über zweitausend Meter Höhe haben wir die besten Lichtverhältnisse um auch sehr entfernte Galaxien beobachten zu können. Diese Forschungsstation arbeitet International. Es sind über zwanzig Länder daran beteiligt.“ „Aha und wenn doch irgendwann die kleinen grünen Männchen auf die Erde kommen, erfahren Sie es als erste?“ fragt Max etwas respektlos. Alfonso Becker lacht. „Na klar, hier oben sind über vierzig Sprachen vertreten, irgendeine werden die Männchen schon verstehen.“

Sie bedanken sich für die tolle Führung und sehen anschließend noch über den Kraterrand fast zweitausend Meter tief in die Caldera hinunter. Dieser Blick ist nicht weniger spektakulär als die Blicke in´s Weltall.

Mit neun Kilometern Durchmesser ist er einer der größten senkrecht Krater der Welt. Ganz unten mit Wäldern und Flüssen durchzogen. „Das ist das bekannteste Wandergebiet auf der Insel“ erklärt Elisabeth. Danach fahren sie über die fruchtbare Hochebene von Tijarafe zurück ins Aridanetal nach Puerto Tazzacorte. Am Schiff angekommen, bedanken sich Giorgio herzlich für den schönen, interessanten Ausflug. Auch Flo ist jetzt angetan von der Insel und hat das Gefühl, den Emdens mit ihrer anfänglichen Maulerei Unrecht getan zu haben.

Giorgio läd die Beiden noch zu einem letzten Glas Wein ein. Dann geht es endgültig ans verabschieden. Alle wünschen sich gegenseitig Glück und gute Reise. Frau Emden zerquetscht ein paar Tränen, als sie von Bord geht. „Kommt alle gesund wieder!“ ruft sie unter heftigem Winken. Die Schiffsbesatzung winkt und bellt zurück.

In einer halben Stunde treffen wir uns auf Deck zum Briefing!“ ordnet Käpt´n Giorgio an und hört ein dreifaches: „Ay,ay, Sir!“ Als alle versammelt sind, beginnt Giorgio, der auf dem großen Tisch jede Menge Seekarten ausgebreitet hat, mit dem Briefing, soll heißen, das Vorhaben, die Lage und die Aufgaben werden besprochen, die jeder Einzelne zu übernehmen hat. Wir sind jetzt, Anfang Juni bereits spät dran, den in spätestens vierzehn Tagen beginnt in der Karibik die Hurrikan Saison.

Ich habe mich nach reiflicher Überlegung und vielen Telefonaten mit unserem Club in Hamburg trotzdem entschlossen, noch los zu segeln. Wenn wir uns möglichst südlich halten, können wir die Gefahr einigermaßen umgehen. Die Hurrikans entstehen fast alle Nordwestlich der Kapverden. Da sind sie aber noch nicht mehr als ein kräftiger Sturm. Wir sollten also sehen, dass wir dieses Gebiet möglichst schnell hinter uns bringen. Da wir die Passatwinde ausnutzen, ist es eigentlich zu schaffen.“ Er zeigt auf den Seekarten seine geplante Route. „Ich habe für die ganze Reise von hier bis Barbados zwischen vierzehn und zwanzig Tagen angesetzt, vorausgesetzt, wir erleben keine Flaute. Eine Atlantiküberquerung mit einem Segler ist aber kein Kinderspiel, sondern eins der letzten richtigen Abenteuer, was hoffentlich jedem klar ist. Vor allem sind die Kreuzseen und Squalls eine nicht zu unterschätzende Gefahr.“

Was´n das?“ will Flo wissen. „Kreuzseen sind Wellen, die plötzlich quer zur üblichen Dünung kommen und durch irgendein weit entferntes Tiefdruckgebiet entstanden sind. Diese Wellen, meist sind es drei hintereinander, können teilweise ganz schön heftig sein und das Schiff schon mal in Schieflage bringen. Auf jeden Fall muss alles zu jeder Zeit gut gesichert sein. Was gebraucht wird, muss nach Gebrauch sofort wieder verstaut werden. Squalls treten meist sehr plötzlich Nachts auf und sind kurze, aber heftige Unwetter mit viel Regen und teilweise heftigsten Windböen.

Bei den ersten Anzeichen müssen wir daher sofort einen Großteil der Segel bergen und nur die Genua oben lassen. Da ein Squall selten länger als zwanzig Minuten dauert, kann das ganz schön stressig werden. Pia, Dich möchte ich bitten, täglich unsere Etmale zu berechnen. Am besten immer um Zwölf Uhr Mittags!“ „Was sind denn Etmale?“ fragt Theresa erstaunt.

Lass mich, Pap´s!“ Pia will unbedingt ihre frisch erworbenen Kenntnisse anbringen. „Also, ein Etmal ist die Strecke, die man innerhalb von 24 Stunden in Seemeilen zurücklegt. Das wird meistens mittags gemessen und dann genau zwischen Deinem Mittagsstandort und dem des Vortags mit Hilfe von GPS berechnet!“ Toll, wie Du aufgepasst hast!“ lästert Max und applaudiert. Giorgio macht ungerührt weiter: „Die Etmale müssen wir so berechnen, dass wir wegen der Untiefen und Riffe vor den Karibischen Inseln den Landfall auf jeden Fall tagsüber hinbekommen. Ich möchte trotz Tiefenmesser und Echolot nicht nachts zwischen den Riffen herumirren müssen.

Nun der nächste Punkt. Bei schwererem Sturm bleibt die Küche kalt. Es ist viel zu gefährlich, bei unruhiger See mit kochenden Töpfen zu hantieren. Es gibt dann nur Kaltverpflegung. Außerdem müssen wir alle bei unruhiger See ein Auge auf Kolumbus haben. Wenn es zu schlimm wird, muss er angeschnallt werden. Außerdem bekommt Kolumbus an Deck immer seine Rettungsweste umgeschnallt. Jeder von uns muss darauf achten. Wir alle werden, sobald es etwas unruhiger wird, unsere neuen Rettungswesten anlegen. Ist das klar?“ „Ay, ay, Sir!“Dann sollt Ihr Euch angewöhnen, auf Vorrat zu schlafen, da es durchaus sein kann, dass Ihr Nachts nicht zum schlafen kommt, oder wir wegen des Wetters eine Doppelwache einteilen müssen. Sonst behalten wir unseren Wachplan bei, da er sich bewehrt hat.

Für die Küche, die Vorräte und die Einteilung derselben ist Flo zuständig und verantwortlich. Sie führt Buch über die Vorräte. Jeder, der irgendwas haben will, muss sich an sie wenden. Es gibt, außer bei den persönlichen Vorräten, keine Selbstbedienung mehr. Für die Technik und die Sicherheit an Bord ist Max zuständig. Außerdem ist er unser Schiffsarzt bei ernsthafteren Verletzungen, da er beim Bund die beste Ausbildung dafür bekommen hat. Theresa ist für das Aufklaren des Schiffes verantwortlich, vor allem auch dafür, dass bei schwererer See nichts ungesichert herumfliegt. Weil Du Dich bisher so geschickt angestellt hast und wohl jetzt auch seefest bist, ernenne ich Dich hiermit zum Vollmatrosen, der überall wo es nötig ist, Hand anlegt. Theresa wird vor Stolz und Freude rot. Pia schließlich ist für den Kurs, die nautischen Berechnungen und das Funken zuständig, also praktisch mein erster Offizier. Zum Schluss noch das Wichtigste. Ich erwarte, dass keiner unnötige Risiken eingeht. Sicherheit steht vor allem anderen. Jeder passt auch mit auf jeden auf. Wenn wir diese Regeln eisern befolgen, werden wir hoffentlich einen schönen und entspannten Törn haben. Soweit alles klar Männer, oder habt Ihr noch Fragen?“

Haben sie im Moment nicht. Giorgio kann in den Gesichtern seiner Lieben Vorfreude, aber auch eine gewisse Skepsis ablesen und denkt, es geht ihnen auch nicht anders als mir, nur darf ich mir das nicht anmerken lassen. Er ist sehr stolz auf seine Mannschaft. Wie sie so da sitzen in ihren Bikinis und Badeshorts, mit tief sonnengebräunten Körpern und einem gelösten Gesichtsausdruck, wie er es bei ihnen vorher noch nie erlebt hat, weiß er erneut, dass diese Reise für sie alle das Richtige ist.

So, jetzt noch schnell eine Kleinigkeit essen und dann ab in die Kojen. Morgen früh um sechs stechen wir in See!“ verkündet er.

Nächsten Freitag geht´s weiter….

13. Meer, Meer und noch mehr Meer

 

 

09. Korsika wir kommen

Kapitel 09  und  Kapitel 10

09. Korsika wir kommen

Wie schon bei der Reise nach Elba, erfasst sie auch diesmal nach etwa drei Meilen ein günstiger ablandiger Wind, bläht die Segel voll auf und führt die Catalina in einer leichten Schräglage genau auf den richtigen Kurs. Giorgio und Flo liegen entspannt in den Deckchairs auf dem Sonnendeck und schauen verträumt in die vollen Segel.

Pap´s“, Giorgio ist schlagartig alarmiert, denn Pap´s sagt Florentine nur, wenn irgendetwas im Busch war. „Pap´s, was wäre das schön, wenn Mam dass miterleben könnte. Meinst Du sie hätte sich anders entschieden? „Das habe ich mich in den letzten Monaten oft gefragt, aber heute bin ich mir sicher, sie hätte genau die gleiche Entscheidung getroffen. Eure Mam war doch immer reiselustig und den bildungsmäßigen Wert solch einer Reise hätte sie bestimmt auch erkannt. Aber Du hast Recht, es wäre schön, wenn sie jetzt an unserer Seite sein könnte.“ Er spürt, dass solche Gedanken von Flo nicht aus einer traurigen Stimmung heraus kommen, sondern eher im Gegenteil. Flo ist so glücklich, das sie ihr Glück mit ihren Lieben teilen will und dazu gehört eben auch ihre Mutter, auch wenn sie nicht hier sein kann.

Pia steht am Ruder und genießt es, das dieses schöne Schiff ihr so willig gehorcht. Der Wind spielt mit ihren langen blonden Haaren. Giorgio hat das Gefühl, das auch Pia gerade ähnliche Glücksmomente, wie ihre Schwester durchlebt. Max ist mit den verschiedenen technischen Geräten im Ruderhaus beschäftigt, nimmt hin und wieder eine Peilung vor und stößt plötzlich aufgeregt hervor: Das gibt’s doch gar nicht, Giorgio, komm mal schnell! Ich glaub unser Echolot ist kaputt. Die ganze Zeit hat es eine Tiefe zwischen fünfzig und hundertfünfzig Metern angezeigt und jetzt plötzlich innerhalb einer halben Minute sind es über dreitausend Meter. Was kann das sein?“ Na dann schau doch mal in die Seekarte, da siehst Du, das wir eben den Festlandsockel verlassen haben und uns jetzt auf dem tiefen Teil des Meeres befinden. Übrigens hat mir Luigi erzählt, dass es an dieser Stelle des Öfteren auch zu Tsunamis kommt. Das Gestein ist an der Kante des Grabens sehr weich und das Geröll was aus den Flüssen heran geschwemmt wird, rutscht dann in größeren Mengen über den Abhang und reißt oft ganze Hänge mit in die Tiefe. Durch diese Wasserverdrängung können auch hier an der Riviera kleinere Tsunamis entstehen.“ Heute ist davon jedenfalls nichts zu spüren, sie genießen den warmen Frühlingswind und die Sonne.

Wenn das so weitergeht, sind wir in zwei Stunden schon da, die Insel ist schon schwach im Dunst zu erkennen!“ ruft Max. Sie haben vor, den Korsischen Hafen Bastia anzusteuern und sich bereits vorher bei den Hafenbehörden einen Liegeplatz zuweisen lassen, da ihr fünfundvierzig Meter Schiff ja nicht überall anlegen kann. Bastia hat drei Häfen und man hat ihnen Vieux Port, den südlichsten zugewiesen, womit Giorgio äußerst zufrieden ist. Hat er doch im Reiseführer gelesen, dass dies der schönste der Häfen sein soll, da er mitten in der Altstadt liegt. Der Nachteil ist, dass sie keinen Liegeplatz am Kai bekommen, sondern einen Ankerplatz auf der Innenseite der Mole, also auf Reede liegen müssen und nur mit dem Beiboot an Land kommen.

Als Orientierungspunkt steuern sie zunächst auf das Cap Corse zu um es östlich zu umrunden. Diese, wie ein langer Finger Vorgelagerte Landzunge ist, wenn man von Italien kommt, ein prächtiges Erkennungsmerkmal und Schiffen eine gute Orientierungshilfe. Die Catalina hält unter vollen Segeln auf das Cap Corse zu und ist noch etwa eine halbe Seemeile davon entfernt, als Giorgio Segel reffen läßt, was kein großes Problem darstellt, da ihr Schiff über eine moderne Rollreffanlage verfügt. Die Catalina verliert langsam an Fahrt und auch die, bis dahin beibehaltene Schräglage. Giorgio steht selbst am Ruder und ändert den Kurs gemächlich um das Cap herum Richtung Süden. Durch diese Kursänderung müssen sie auf plötzlich auftretende Fallböen achten. Die Catalina rollt plötzlich unangenehm in der starken Dünung. Giorgio hat sich schon lange gefragt, ob wohl einer der Kinder mit Seekrankheit zu kämpfen haben wird, dabei aber an Max, Pia, Flo oder Theresa gedacht. Aber derjenige, dem es jetzt wirklich schlecht geht und an den er nicht gedacht hat, ist ihr treuer Kolumbus. Der lag regungslos an Deck, alle vier Pfoten von sich gestreckt, den Kopf fest auf die Planken gepresst. Er hat sich mehrfach übergeben und bietet ein Bild des Jammers. Theresa kümmert sich rührend um ihn und hat sogar eine Tablette gegen Seekrankheit in Wasser aufgelöst und versucht, sie ihm einzuflößen. „Armer Kolumbus, bald geht’s Dir wieder besser. Aber wenn Du ein richtiger Schiffshund werden willst, musst Du da einfach durch,“ versucht sie ihn zu trösten.

Aber auch sie selbst und genauso Flo haben leichte Übelkeitsgefühle und kämpfen tapfer gegen die Seekrankheit an. Giorgio sieht das und ruft ihnen ungerührt und leicht grinsend zu: Besser am Anfang, da könnt Ihr Euch gleich richtig dran gewöhnen. Später habt Ihr dann keine Last mehr damit. Nehmt eine Tablette und in zehn Minuten ist alles vergessen!“ Kaum sind Sie um das Cap herum, beruhigt sich das Meer und das Rollen des Schiffes hört schlagartig auf. Sie fahren noch ungefähr zehn Meilen an der Ostküste entlang bis Bastia und haben einen herrlichen Blick auf die grün bewachsene Steilküste.

Wie lange wollen wir eigentlich in Bastia bleiben?“ fragt Pia. Solange es uns gefällt, schließlich wollen wir doch die Insel etwas erkunden, oder etwa nicht?“ Giorgio rückt seine Sonnenbrille zurecht und sieht auf die langsam in der Ferne auftauchende Stadt. „Ich habe in unserem Reiseführer gelesen, das Bastia ungefähr vierzigtausend Einwohner hat und sich den Berg hinaufzieht. Die mittelalterliche Altstadt ist jedoch unten um die Häfen angeordnet. Es gibt jede Menge Cafés, Restaurant´s und Boutiquen im Hafenviertel“ Die Shopping-verrückte Flo hört interessiert zu und überlegt schon, nach was sie wohl Ausschau halten soll. Max hat alle Segel eingeholt, Giorgio steuert langsam mit Motorkraft an den beiden ersten Häfen vorbei und hält Kurs auf die Einfahrt von Vieux Port. Auf der Backbordseite, hinter einem altertümlichen Fischerboot hat der Hafenmeister für die Catalina einen größeren Liegeplatz reserviert. Nach einer Ankerpeilung steuert Giorgio langsam darauf zu und gibt dann das Kommando „Werft Anker!“ Max läßt zunächst den Heckanker und Pia und Flo zusammen den Buganker zu Wasser.

Das Schiff fast Grund und liegt kurz darauf ruhig im Hafenbecken. Der Hafenmeister dümpelt mit einem knatternden Holzboot heran und will, nach kurzer Begrüßung, die Schiffspapiere, mit dem für Frankreich obligatorischen Zertifikat und die Pässe sehen. Außerdem das Impfzeugnis und den Nachweis eines Microchips von Kolumbus. Der hat bereits seine Seekrankheit vergessen und knurrt den Eindringling böse an. Er hat überhaupt keinen Respekt vor Amtspersonen. Dieser setzt eine amtliche Miene auf, drückt wichtige Stempel in die Schiffspapiere und läßt einen kurzen, bewundernden Blick über das Deck schweifen, klettert dann wieder in seine Nussschale und tuckert zurück. „Ich glaub, die Bürokratie in Frankreich ist auch nicht besser als bei uns,“ seufzt Theresa. Ach, da hab ich schon ganz andere Typen erlebt,“ raunzt Giorgio und gibt gleich darauf die Kommandos: „Deck klarmachen und Beiboot zu Wasser lassen!“

Ich hab gelesen, dass man auf Korsika besonders aufpassen muss, hier wird viel geklaut. Also Mädels, passt auf Eure Handtaschen auf. Auch Fahrräder sind eine beliebte Beute,“ gibt Max zum besten. Am sinnvollsten ist, gar keine Taschen mitzunehmen!“ schlägt Pia vor.Wenn wir an Land gehen, werden wir den Niedergang und das Ruderhaus gut abschließen und Kolumbus zur Sicherheit als Decks Wache hier lassen. Aber, da wir nicht am Kai liegen sonder sozusagen auf Reede, ist die Gefahr nicht ganz so groß,“ vermutet Giorgio.

Können wir dann los?“ drängt Max und hört sofort einen dreistimmigen Protest von Theresa und seinen Schwestern. „Du spinnst doch!“ Flo ist entrüstet. „Du kannst doch von uns nicht erwarten, dass wir so an Land gehen. Wir müssen erst Duschen und die Haare waschen und was ich anziehen soll, weiß ich auch noch nicht!“ Giorgio grinst nur und verkneift sich jeden Kommentar. Sein Sohn ist nicht so ängstlich und lästert: „Na, das kann ja dauern. Mit Weibern kann man einfach nichts spontan machen. Es ist zum Weinen!“ Theresa reicht ihm wortlos ein Taschentuch. Als er sie fragend ansieht, meint sie nur spöttisch: „Du willst doch weinen.“ Schon verschwinden die drei Schönen zum aufbrezeln in ihren Kabinen.

Nach anderthalb Stunden schließlich könnenen sie endlich das Beiboot entern und an Land fahren. Kolumbus steht an der Reling und bellt missmutig hinter ihnen her. Kaum haben sie den Kai verlassen, befinden sie sich schon mitten im Trubel der Altstadt. „Giorgio.“ Flo sieht ihren Vater mit unschuldigem Blick an, „können wir nicht ein bisschen Shopping machen?“ Also, ich schlage vor, wir machen erst einen kleinen Stadtbummel zur Orientierung. Max und ich setzen uns dann in irgendeine nette Bar und trinken einen Kaffee oder Pastis und Ihr könnt Euch auf die Boutiquen stürzen. Aber denkt dran, wenn Ihr das in jedem Hafen machen wollt, quillt unser Schiff bald über. Euer Geldbeutel hält das auch nicht lange aus!“ Ach Giorgio, man merkt, dass Du schon lange keinen Einkaufsbummel mehr mit einer Frau gemacht hast. Wir wollen doch nicht immer gleich einkaufen, sondern haben am Geschäfte durchstöbern oder anprobieren unseren Spaß.“ klärt Pia ihn nachsichtig auf. Na, dann ist es ja gut. Wenn uns das zu lange dauert, fahren wir zurück aufs Schiff, Ihr könnt uns ja dann anrufen, wenn das Wassertaxi gewünscht wird.“ brummt er leicht eingeschnappt.

Placa du Marché und Brunnen

Also bummeln sie langsam in Richtung Place du Marche an allerlei interessanten Gebäuden und Geschäften vorbei. Endlich erspähen sie ein kleines, typisch Französisch angehauchtes Bistro´. Giorgio steuert geradewegs darauf zu. Jetzt haben wir uns gerade erst an italienisch gewöhnt und schon ist wieder französisch gefragt,“ mault Flo, die in der Schule zwischen Französisch und spanisch wählen konnte, sich dann aber für spanisch entschieden hatte. Keine Angst Schwesterchen, Deine Stunde kommt auch noch. Spätestens an der Costa Blanca musst Du ran. Hier lass mal die Erwachsenen machen!“ Max, Du bist ein echter Spinner. Als wenn Du noch großartig was von Deinem Schulfranzösisch behalten hättest.“ unterstützt Pia ihre Schwester.

Der Kellner, der mitbekommen hat, das sie Deutsch sprechen, fragt amüsiert in akzentfreiem Deutsch: „Guten Tag, was kann ich Ihnen bringen?“ Mann, woher können sie so gut Deutsch?“ wundert sich Max. Ich bin Deutscher. Ich studiere in Marseille Meeresbiologie und hab grade Semesterferien. Da helfe ich einem Freund hier im Café´ aus.“ erklärt er. Siehst Du, jetzt kommst Du noch nicht mal in Verlegenheit!“ lästert Flo mit Blick auf Max und bestellt für alle Café.

Ich schlage vor, wir ziehen jetzt los,“ schlägt Theresa nach einer Weile vor und die drei Schönen schreiten zielstrebig in Richtung der zahlreichen Boutiquen. Giorgio und Max sehen ihnen hinterher und Max stellt nüchtern fest: „Unsere drei Mädels sind schon ein schöner Anblick, auch wenn es manchmal ganz schöne Zicken sein können.“ Giorgio grinst und meint: „Die müssen wegen ihres Aussehens hier im Süden aufpassen, das sie nicht einen ganzen Rattenschwanz von Verehrern hinter sich herziehen. Vor allem Pia mit ihren langen, blonden Haaren, aber auch Flo, mit ihrer sexy Figur. Theresa geht ja schon eher als südländischer Typ durch, aber wir sollten ein bisschen die Augen offen halten!“ „Die bringt doch jeder freiwillig sofort zurück, Giorgio,“ lästert Max. Sprich nicht so respektlos von Deinen Schwestern und Deiner Freundin, sondern pass lieber auf, dass Dir kein anderer Theresa wegschnappt. So einen Goldschatz findest Du nicht so oft im Leben und jetzt lass uns weitergehen. Wir schauen uns noch ein bisschen die Stadt an und fahren dann zurück aufs Schiff. Ich möchte Kolumbus beim ersten Mal nicht zu lange allein lassen und außerdem soll er auch noch Gassi gehen!“

Zitadelle mit rundem Turm und dem Gouverneurspalast

Sie sehen sich noch die Zitadelle mit dem Gouverneurspalast und das Operngebäude an. Dann schlendern sie langsam zurück zum Hafen. Max sieht direkt am Hafenrand einen Vespa Verleih und ruft: „Das ist es, ich werde morgen mit Theresa einen Ausflug über die Insel mit so einem Ding machen. Das ist doch viel besser als ein Auto und auch nicht so teuer, oder?“Aber seid vorsichtig, die Straßen hier sind nicht so gut und als tolle Autofahrer sind die Korsen nicht gerade berühmt.“

Sie kommen an die Stelle, wo sie ihr Beiboot vertäut hatten und starren jetzt nur auf das dunkle Wasser. „Das gibt’s doch nicht!“ ruft Giorgio, sein Blick geht sofort zur Catalina hinüber. Aber auch da war kein Beiboot zu entdecken. Ihr Schiff liegt ruhig an seinem Ankerplatz und es ist nichts Auffälliges zu sehen. Nur das Kolumbus an Deck unruhig hin und her läuft. Soviel zum Thema, auf die Mädchen aufpassen, Giorgio. Den Streich haben die doch ausgeheckt und lauern hier irgendwo hinter einem der Schiffe, beobachten uns und lachen sich halb tot über unsere dämlichen Gesichter.“ Glaub ich nicht, so kindisch sind sie nicht. Da steckt was anderes hinter. Lass uns zunächst mal den Kai entlanggehen, bis hinten zur Bude des Hafenmeisters. Dem können wir den Diebstahl auch gleich melden.“ Sie laufen an der Wasserkante entlang und gucken hinter jedes Schiff, in der Hoffnung, ihr Dingi irgendwo zu sehen.Sie sind schon fast am Büro des Hafenmeisters, als Max plötzlich ihr Boot mit der Aufschrift „Piccolo Catalina“ entdeckt. Es liegt fest vertäut an der alten Treppe, die dort ins Wasser führt. Kein Mensch war zu sehen.

Giorgio stürmt jetzt leicht gereizt in das Büro des Hafenmeisters und knurrt ihn auf englisch an, was das denn solle und warum man ihr Boot mehrere Hundert Meter weiter hierher geschleppt hat. Der schaut Giorgio wieder mit seiner amtlichen Miene an und erklärt ihm in holprigem englisch, das Jugendliche das Boot losgemacht haben und es herrenlos im Hafenbecken herumgetrieben sei. Er hat es, bevor ein Schaden passieren kann, eingesammelt und hierher gebracht. Er ist jetzt sehr freundlich und schenkt den verhinderten Seefahrern erst mal einen Pastis zur Beruhigung ein, entschuldigt sich sogar für die Jugendlichen und lädt Giorgio und Max ein, sich zu ihm zu setzen. Er erzählt jetzt wie ein Wasserfall von seinen Erlebnissen hier im Hafen. Nach dem vierten Pastis, oder war es schon der fünfte oder sechste, zeigt dieser langsam seine Wirkung. Alle drei witzeln und lachen und sind bereits beste Freunde. Nach einer ganzen Weile klingelt Giorgios Handy. Er meldet sich mit nicht mehr ganz nüchterner Stimme „Commandante Vieux Port!“ Gustave, ihr neuer Freund schreit fast vor lachen, so das Giorgio kaum verstehen kann, wer anruft. Ach, unsere Ladys wollen aufs Schiff gebracht werden. Wir sollen an Land kommen und sie holen. Ihr Süßen, wir sind an Land. Die hohe Obrigkeit hat unser Boot geklaut und jetzt ist es wieder da, aber nicht da, wo Ihr seid, sondern hier wo wir sind. Also kommt her und feiert mit.“

Wo seid Ihr denn?“ ruft Flo völlig irritiert, da sie ihren Vater noch nie so benebelt erlebt hat. „Na hier bei Gustave, unserem Freund und Hafenmeister von diesem gottverlassenen Hafen.“ Er legt auf und genehmigt sich noch einen Pastis. Zehn Minuten später geht die Tür auf und die Mädchen kommen herein. Pia überblickt das Chaos als Erste und ruft: „Mädels, ich glaub es gibt Arbeit. Die beiden Seebären sind jedenfalls absolut fahruntüchtig und gehören in die Koje, also fast mit an, wir bringen sie zum Boot, oh, Männer!“ Giorgio und Max versuchen einen schwachen Widerstand und wollen ihnen auch einen Pastis einschenken, aber die Mädchen greifen nun resolut durch und schleifen die verhinderten Seefahrer zu ihrem Boot. Zum Glück ist es jetzt so dunkel, das uns keiner mehr sieht. Wäre schon peinlich, wenn andere sehen können, wie ein besoffener Käptn und ein besoffener Leichtmatrose sich von der weiblichen Mannschaft aufs Schiff bringen lassen müssen.“ Pia amüsierte die Situation sehr. Flo und Theresa lachten ebenfalls.

Ihr neuer Freund Gustave schläft bestimmt schon friedlich in seinen Bürosessel,“ vermutet Flo. Giorgio und Max waren jetzt merkwürdig still. Die Mädchen hieven sie mit vereinten Kräften an Bord der Catalina und schleifen sie dann in ihre Kojen, wo Giorgio und Max sofort einschlafen. Kolumbus vollführt einen Freudentanz, das er nun nicht mehr alleine ist. Theresa bemerkt trocken, „Ihr habt´s gut Mädels, Ihr könnt alleine schlafen. Ich hab nun so einen besoffenen Bettgenossen in meiner Koje, der schnarcht bestimmt!“Ach, wenn´s zu schlimm wird, kannst Du ja zu mir oder zu Flo ins Bett krabbeln.“ Ich mach uns jetzt erst mal was zu Essen. Kolumbus muss auch noch was haben!“ Flo denkt pflichtbewusst an ihre Aufgabe und lästert: „Wenn der Käptn schon blau ist, muss wenigstens der Smutje nüchtern bleiben.“

Nach einem gemütlichen Abendessen bei Kerzenschein auf dem Sonnendeck, steuern die Mädchen auch langsam die Koje an. „Hätte nie gedacht, dass man hier Mitte März Abends um zehn noch draußen sitzen kann,“ wundert sich Flo und verschwindet in ihrer Koje. Theresa hat sich im Bad ausgezogen, geht dann im Nachthemd in ihre Kabine, wo Max friedlich, ohne Schuhe und Hose, aber sonst noch voll angezogen auf dem Bauch liegend, seinen Rausch ausschläft.Sie ist noch keine fünf Minuten im Bett, als er sich auf den Rücken dreht und kurz darauf anfängt, fürchterlich zu schnarchen. Theresa rüttelt ihn, aber das hilft nur für einen Moment. Sie überlegt ob sie Wasser zu Hilfe nehmen soll, findet das aber dann doch zu brutal. Da sowohl Flo, als auch Pia ihr angeboten haben, bei ihnen zu schlafen, greift sie sich kurz entschlossen ihr Bettzeug und marschiert aus der Kabine. Sie überlegt einen Moment, zu wem sie ins Bett kriechen soll und entscheidet sich dann für Pia, da Flo ja auch schon Kolumbus beherbergt.

Sie macht leise die Tür von Pias Kabine auf und stellt fest, das noch Licht brennt. Pia sitzt, nur noch mit einem schmalen Slip bekleidet, an ihrem Schminktisch und lackiert sich ihre Fußnägel. „Darf ich Dein Angebot annehmen, Pia,“ fragt Theresa. „Max sägt ganze Wälder ab, das ist nicht zum aushalten.“  Sie bewundert wieder einmal Pias makellosen, gut gewachsenen Körper. „Wieso hast Du bei so einer Figur eigentlich keinen Freund? Dir müssen die Kerle doch in Scharen nachlaufen!“ Erstens hatte ich, wie Du weißt bereits mehrere Freunde, aber der Märchenprinz war noch nicht darunter und zweitens bin ich auch etwas anspruchsvoll und warte lieber auf den Richtigen. Außerdem brauchst Du Dich mit Deiner Figur und Deinem Gesicht ja wohl auch nicht verstecken, oder?“ Sie betrachtet, süffisant lächelnd Theresas feste Brüste, die sich unter dem dünnen Nachthemd gut abzeichnen. „Du bist doch auch kein Falter, der von einem Ast zum anderen flattert und nichts anbrennen lässt. Du hast mit Max Glück gehabt. Das sage ich, auch wenn er mein Bruder ist, aber solche Männer findet man heute nicht so oft.“ Das stimmt, Pia, Max ist wunderbar und ich liebe ihn sehr. Wenn ich ihn nicht hätte, würde ich mich wahrscheinlich auch schwer tun, mit den Kerlen.“

Ich hoffe, Du kannst das nach unserer Reise auch noch sagen. Es ist schon eine Belastungsprobe für die Liebe, so lange und so eng zusammen zu leben. Ich wünsche Euch, dass Ihr das schafft. Du, als Schwägerin, das wäre schon toll. So, nun lass uns ins Bett kriechen und schlafen.“ „Deine Familie ist schon was besonderes Pia, so viel Harmonie und Verständnis findet man auch nicht so oft.“ War aber auch nicht immer so. Wir sind durch Mam´s Tod so zusammengeschweißt worden. Ich glaub, das war für uns alle überlebensnotwendig. Früher sind unter uns Kindern ganz schön oft die Fetzen geflogen. So, jetzt halt die Klappe und lass uns schlafen.“Schläfst Du immer nackt?“ will Theresa noch wissen. „Nee, im Winter nie, aber sonst finde ich es toll, man fühlt sich so frei.“ Mach ich ja eigentlich auch, aber hier hab ich mich nicht getraut,“ sprach´s, streift sich ihr Nachthemd ab und kuschelt sich an Pia. „Theresa ich glaub, wir sollten lieber die Tür abschließen, sonst kommen die anderen bloß auf blöde Ideen und halten uns am Ende noch für Lesben.“

Bloß das nicht, dazu ist es mit Max viel zu schön. Obwohl, ehrlich gestanden wüsste ich schon gern mal wie das ist mit einer Frau, nur so interessehalber,“ gesteht Theresa und Pia flüstert: „Ich eigentlich auch, aber irgendwie hab ich auch Angst davor. Wir sind halt etwas konservativ erzogen. Sie umarmten sich und fühlten beide ein heftiges Kribbeln im ganzen Körper. „Du, vielleicht sind wir zwei ja Bi?“ überlegt Theresa. Mit Max ist die Liebe toll, aber mit Dir kann ich mir das auch vorstellen, aber irgendwie anders, mehr so sexuell, verstehst Du?“ Ich glaube, dass Frauen sich eher auf beide Geschlechter einlassen können als Männer.“ sinniert Pia. „Aber bevor wir jetzt noch auf dumme Gedanken kommen, lass uns lieber schlafen.“ Sie drehen sich um und schliefen sofort ein.

Am nächsten Morgen, oder besser gesagt Vormittag wachen die beiden Pastis Vernichter mit ziemlich dickem Kopf auf. Flo hat bereits ein Frühstück inklusive Kopfschmerztabletten hingestellt Die Mädchen liegen, in ihre knappsten Bikinis gezwängt, auf dem Vordeck und nehmen ein Sonnenbad. „Wollt Ihr nicht heute eine Vespa mieten, Theresa?“ fragt Flo. Ja, aber der Herr kommt ja nicht aus dem Bett und muss dann bestimmt erst seinen Kater pflegen. Also heute wird das wohl nicht mehr viel. Aber wollt Ihr nicht fahren?“ Nöö, zwei Mädchen alleine durch die Gegend, da denken die Kerle doch bestimmt gleich wieder, wir wären Freiwild. Aber wenn Ihr morgen fahrt, frage ich Giorgio, ob wir nicht auch ein Auto für einen Tag mieten können, um die Insel zu erkunden, aber der muss erst mal wieder nüchtern werden,“ grinst Flo.

Also, ich habe freiwillig das Führen des Logbuch´s übernommen und das werde ich jetzt mal beginnen.“ Pia steht auf und läuft in den Salon. Wofür ist so ein Logbuch eigentlich gut, Flo?“ will Theresa wissen. Ach da wird alles rein geschrieben, was wir auf See oder in den Häfen erlebt haben, der Kurs, besondere Vorkommnisse, Wetterbedingungen, Probleme mit der Mannschaft oder dem Schiff, Proviant Aufnahme, Tanken und so weiter!“ „Dann muss da ja auch rein, das der Käpt´n und der Leichtmatrose besoffen waren!“ kichert Theresa und Flo stimmte ein.Als Pia zurückkommt meint Flo gleich: „Pia, schreib als Erstes rein, das ein Teil der Mannschaft und der Käpt´n besoffen waren!“ Wenn ich das schreibe, holt Giorgio uns Kiel oder hängt uns am Mast auf,“ lacht Pia.

Eine Stunde später ist auch der männliche Teil der Besatzung wieder vollzählig versammelt, wenn auch mit etwas leidendem Gesichtsausdruck. Giorgio fragt Theresa in ihrer Eigenschaft als Proviant Meisterin: „Welche Vorräte müssen ergänzt werden und was habt Ihr entdeckt, was unbedingt fehlt und was wir hier besorgen müssen?“ Eigentlich nur Frischwaren, also Obst, Gemüse und Fleisch, Wurst und Käse. Und Nähzeug haben wir vergessen. Alles andere haben wir gut geplant und ist reichlich vorhanden, Käpt´n Giorgio,“ meldet Theresa pflichtbewusst. Dann werden wir das nachher besorgen, Theresa!“ Danach erzählt Giorgio den Mädchen, was gestern überhaupt passiert ist, wie es zu dem Besäufnis kam. Er kann selbst schon wieder darüber lachen. Wir sollten die Leine vom Boot lieber irgendwie abschließbar machen, damit uns das nicht noch mal passiert“, schlägt Max vor. Gute Idee, ich hab drüben an dem kleinen Platz ein Geschäft für Segelausrüstung gesehen, da müssen wir mal gucken, Theresa.“ Giorgio ist schon wieder fast der Alte.

Außerdem schlage ich vor, das wir den Tag zum Einkaufen nutzen. Heute Nachmittag kann jeder machen, was er möchte und morgen können Theresa und Max wunschgemäß ihre Vespatour machen. Wir Drei mieten uns ein Auto, wenn Ihr wollt und erkunden ein bisschen die Insel.“ Er sieht Pia und Flo fragend an. Das wollte ich auch vorschlagen,“ ruft Flo dazwischen.

„Übermorgen, gegen acht laufen wir dann zu unserem Nächsten Ziel, Marseille aus, wenn es den Herrschaften recht ist,“ doziert der Käpt´n ungerührt weiter. Du bist der Käpt´n und bestimmst hier“ schleimt Flo grinsend. So ist an diesem Nachmittag jeder mit seinen persönlichen Dingen beschäftigt. Flo zaubert zwischendurch eine kleine Stärkung in Form einer großen Platte köstlichem Bruschetta, die bei allen heiß begehrt sind.

Nachdem Giorgio mit seinem Partner telefoniert hat, erscheint er bester Laune wieder an Deck und verkündet zufrieden: „Ich muss nur wegfahren und schon läuft der Laden. Wir haben endlich den Zuschlag für das neue Gebäude der Hafenverwaltung in der Hafencity bekommen. Die Vorentwürfe haben Hubertus und ich schon vor fast einem Jahr gemacht und jetzt ist endlich die Entscheidung gefallen und wir haben den Zuschlag bekommen. Das bedeutet, dass unser Büro für mindestens ein Jahr ausgelastet ist. Bloß gut, dass wir noch einen Ingenieur eingestellt haben. Einige Berechnungen werde ich auch zwischendurch von hier aus machen und Hubertus per Email zuschicken. Dann kommen wir ganz gut zurecht. Das ist heute Abend eine gute Flasche Wein wert!“ ruft er fröhlich. „Wieso Wein, bei solchen Anlässen trinkt man hier Champagner, schließlich gehört Korsika zu Frankreich!“ verkündet Flo. „Na gut, dann eben Champagner,“ gibt Giorgio nach.

Abends feiern sie in einem kleinen Altstadt Restaurant und verwöhnen sich mit der korsischen Spezialität Bastellee. Das ist in Olivenöl gedämpfte Ochsenzunge, die im Brotteig gebacken und mit reichlich Kräutern und Römerkohl serviert wird. Als Nachspeise gibt es verschiedenen korsische Käse. Es bleibt auch nicht bei einer Flasche Champagner, nein Giorgio musste gleich zwei Flaschen springen lassen. „So einen Auftrag erhält man ja schließlich nicht alle Tage,“ bemerkt Pia trocken.

Bereits um 8°° Uhr am Morgen machen sich Theresa und Max zu ihrer Vespa Tour auf während Pia, Flo und Giorgio sich in der Altstadt einen Fiat für einen Tag mieten. Flo wartet mit Kolumbus draußen, um endlose Diskussionen mit dem Autovermieter wegen des Hundes zu vermeiden.Max und Theresa wollen in den Westen der Insel, Richtung Ajaccio und sich die Geburtsstadt Napoleons ansehen. Anschließend an den breiten Stränden dort in der Nähe ein erstes Bad im Mittelmeer nehmen, nachdem sie gehört haben, dass das Wasser dort bereits über zwanzig Grad warm sein soll. Pia vermutet jedoch „Die wollen bloß mal zu zweit alleine sein und nicht immer die Familie im Schlepptau haben.“

Was haltet Ihr davon, erst mal nach Süden zu fahren in Richtung Bonifacio um uns da umzuschauen. Dann können wir uns später auch in Ajaccio Napoleons Geburtsstätte ansehen. Von dort dann langsam zurück über die Berge nach Bastia.“ Spannend klingt das ja nicht gerade, Giorgio, aber wir können ja mal losfahren,“ meint Pia gönnerhaft. Sie fahren die Berge hinauf in Richtung Corte. Kolumbus stolz wie ein Spanier auf dem Rücksitz. Für ihn ist nur wichtig, dabei zu sein.

Corte war früher die Haupt-stadt der Insel. Sie hat eine Universität, aber nur knapp sechstausend Einwohner. Sehenswert soll die schöne Altstadt sein. Die sollten wir uns mal ansehen,“ zitiert Pia aus dem Reise-führer. Na klasse, hier kann ich doch studieren, Giorgio. Hier gibt’s bestimmt keinen Numerus Clausus und wegen Überfüllung haben die hier sicher auch keine Probleme,“ vermutet Flo. Natürlich, wo Du so gut Französisch sprichst,“ grinst er.

Nach einem ausgedehnten Bummel durch die Altstadt, fahren sie weiter Richtung Süden über höchst mittelmäßigen Bergstraßen.Wir hätten besser einen Geländewagen mieten sollen!“ jammert Pia, die hinten ziemlich durchgeschüttelt wird. Nach ungefähr fünf Kilometern sehen sie schon von weitem zwei Figuren am Straßenrand neben einem Motorroller hocken. Mensch, das sind ja Max und Theresa, was haben die denn?“ Flo hat die besten Augen. Beim heranfahren sehen sie, das Theresa einen blutüberströmten Knöchel hat und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Stein hockt. Max versucht Autos anzuhalten und war heilfroh, plötzlich seine Familie vor sich zu haben. Was ist denn passiert?“ Giorgio sah sich Theresas Knöchel an. „Ach, auf dieser blöden Schotterpiste bin ich mit dem Vorderrad weggerutscht und mit der Kiste gestürzt. Theresa hat sich auf dem Schotter den Knöchel auf geschrammt. Verbandszeug haben wir natürlich nicht dabei!“ Wie lange ist das her?“ will Giorgio wissen. „Ungefähr zehn Minuten,“ vermutet Max. Theresa hat jetzt doch Tränen in den Augen, teils vor Schmerzen und teils aus Erleichterung, das sie hier nicht länger in der Wildnis sitzen müssen.

Pia durchsucht den Fiat nach einem Verbandskasten und findet ihn unter einem der Vordersitze. Sie tränkt ein Tuch mit Wasser aus ihrer Wasserflasche und säubert vorsichtig die Wunde. Trotz des vielen Blutes, hat Pia den Eindruck, dass der Knöchel nicht verletzt ist und es sich offensichtlich nur um eine Fleischwunde handelt. Die Hautabschürfungen sind sicherlich schmerzhaft. Nachdem Pia die Wunde vorsichtig gesäubert und desinfiziert hat, kann Max fachmännisch einen Verband anlegen. Sie steht schon wieder auf, humpelt noch ein bisschen und stellt dann aufgeregt fest: „Max, Du hast ja auch was abbekommen. Was ist denn mit Deinem Arm los. Du hast ja ein Loch in der Jacke.“ Pia, die schon mehrfach erste Hilfe Kurse mitgemacht hat, sieht sich den Arm ihres Bruders an und stellt erleichtert fest: „Das ist nur eine Schramme, bis auf das Loch in der Jacke nicht weiter schlimm.“ Was machen wir jetzt, Theresa will ja wohl kaum noch weiter mit der Vespa fahren und die Straßenverhältnisse sind wohl für Motorroller auch nicht gerade günstig.“ Giorgio sieht die Unglücksraben fragend an. Ach Unsinn, ich fahre mit Max weiter. Ich bin ja von Dr. Pia und Dr. Max bestens versorgt worden und Max fährt jetzt noch vorsichtiger. Von so einer kleinen Schramme lässt sich eine Lauritzen nicht umhauen!“ Hat die Vespa auch was abbekommen oder fährt sie noch,“ will Flo wissen. Ach Quatsch, der Roller ist okay, ich hab auch nichts und wenn Theresa weiterfahren will, fahren wir jetzt nach Ajaccio und sehen mal, ob wir nicht doch baden können. Salzwasser soll ja eine heilende Wirkung auf Wunden haben.“

Max ist dieser Unfall sichtlich peinlich, er versucht das Geschehen runter zu spielen.Bei dieser Straße braucht Ihr mindestens noch eine Stunde, bis an die Küste. Aber Reisende soll man ja nicht aufhalten. Ihr seid alt genug, um zu wissen, was Ihr tut.“ Giorgio ist doch etwas besorgt. Bei dieser kurvigen und schlechten Straße frage ich mich, ob wir wirklich noch bis Bonifacio fahren sollen. Wir sind bestimmt noch über zwei Stunden unterwegs. Ich hab die Entfernung wohl unterschätzt. Was haltet Ihr den davon, wenn wir auch direkt nach Ajaccio fahren, wir hätten dann einfach mehr Zeit, uns alles anzusehen. Sonst sitzen wir die meiste Zeit nur im Auto, was ja für Kolumbus auch nicht so schön ist?“ „Du willst ja bloß Theresa und Max hinterher fahren um zu sehen, ob sie gut ankommen, Du alte Glucke,“ lästert Flo. „Aber von mir aus können wir das machen?“ Pia nickt auch zustimmend. Richtung Ajaccio wurde die Gegend wildromantisch, mit bizarren Felsformationen, steil abfallenden Schluchten und herrlichen Ausblicken auf das Meer.

Ajaccio ist ein lebhaftes Städtchen mit unmöglichen Verkehrsverhältnissen. Giorgio, der von Italien ja nun schon einiges gewohnt ist, kam hier aber doch an seine Grenzen. Vorfahrt hat grundsätzlich derjenige, der die besseren Nerven hat und das waren meist die Einheimischen. Nach endloser Sucherei wegen eines Parkplatzes finden sie schließlich eine Parklücke, nahe am Hafen. Giorgio entscheidet: „Hier fahre ich erst wieder weg, wenn wir nach Hause wollen.“ Pia hat sich über Handy bei Theresa nach deren Befinden erkundigt und ist beruhigt, als sie hört, dass die Beiden fünf Kilometer hinter Ajaccio ein verschwiegenes und menschenleeres Plätzchen an einem kleinen Strand gefunden haben. Ihrem Knöchel geht es wohl besser, Schmerzen hat sie kaum noch. „Um die müssen wir uns keine Sorgen machen,“ erklärt sie Giorgio. „Die schweben im Himmel der Verliebten.“

Napoleons Geburtshaus

Sie sehen sich zuerst das Geburtshaus Bonapartes an. Anschließend entern sie ein kleines Bistro. Danach wollen sie sich noch die Chapelle Imperiale ansehen und die Kathedrale. Ajaccio soll auch mehrere interessante Museen haben, aber dazu reicht die Zeit nicht mehr und Giorgio will seine Töchter auch nicht mit zu viel Kultur überfordern. Die Mädchen wollen sich vor der Rückfahrt unbedingt noch die schönen Sandstrände ansehen. Giorgio fährt also ein Stück an der Küste entlang, Richtung Norden und wird auch bald fündig. Ein kleiner, aber feiner menschenleerer Sandstrand liegt vor ihnen. Pia meint: „Ich überlasse das Meer doch nicht nur Theresa und Max, Ich hab meinen Bikini bereits untergezogen und werde jetzt mal schnell in die Fluten hüpfen!“ Du bist gemein, ich hab nichts dabei und würde auch gern eine Runde schwimmen!“ Selbst Schuld, Schwesterchen, man muss immer auf alle Situationen vorbereitet sein.“ Hast Du wenigstens ein Handtuch für mich?“ Flo sieht Pia flehend an. Das kannst Du haben, aber einen zweiten Bikini hab ich nicht.“ Das interessiert Flo jetzt auch nicht weiter. Sie hat beschlossen nackt zu baden.

Giorgio hat mich schon mal nackt gesehen und Du auch und wenn hier irgendwelche Spanner im Gebüsch hocken, kriegen die endlich mal was Knackiges zusehen!“ Schon hat sie sich ausgezogen und rennt Richtung Wasser. Pia hinterher. Beide trifft ein kleiner Schock, als sie sich in die Fluten stürzen. Max ist ein Spinner, von wegen über zwanzig Grad. Das Wasser hat höchstens sechzehn Grad. Jetzt weiß ich auch, warum hier noch niemand ist!“ klappert Flo mit den Zähnen. Auch Pia versucht, sich warm zu schwimmen. Kolumbus ist jetzt auch nicht mehr zu halten und tobt wie ein wilder im Wasser herum. Die Mädchen haben nach fünf Minuten genug und schwimmen zurück.

Giorgio, der sich das kalte Erlebnis erspart, genoss sichtlich den Anblick seiner schönen Töchter und warf ihnen die Handtücher zu. Jetzt geht’ s mir besser,“ verkündet Pia und Flo stimmt zu. „Wenn man die Kälte erst mal überwunden hat, ist es herrlich, Giorgio.“ Nee, Ihr kriegt mich nicht dazu, ins Wasser zu gehen, ich werde erst reingehen, wenn wir weiter südlich gesegelt sind!“ verkündet er. Auf der Rückfahrt nach Bastia will Pia unbedingt mal fahren. Giorgio, dem die ewige Kurvenfahrerei sowieso langsam nervt, ist teils froh darüber, teils auch nicht. Fahr nicht so weit in der Mitte, achte auch auf den Gegenverkehr, fahr nicht so schnell, schneide die Kurven nicht so!“ Als Beifahrer ist er denkbar ungeeignet, bremst immer mit und kann sich auf seinem Sitz nicht entspannen.

Was willst Du eigentlich, Pia fährt doch Super. Diese blöden Pisten hier sind doch wirklich nicht leicht zu fahren und fürs erste Mal ist ihre Fahrweise richtig gut!“ verteidigt Flo ihre Schwester. „Ihr könnt bloß nicht ab, wenn Frauen auch etwas gut oder sogar besser können als ihr Machos!“ „Giorgio hält jetzt lieber die Klappe. Innerlich musste er zugeben, dass seine Älteste recht souverän fuhr.

Als sie den Fiat in Bastia zurück gegeben haben und langsam zum Hafen runter schlendern, sehen sie schon von weitem die Catalina in ihrer ganzen Schönheit in der Abendsonne glänzen. Pia entfährt ein Seufzer: „Mensch Giorgio, was hat sich unser Leben im letzten halben Jahr verändert. Ich glaub oft, dass ich das alles nur träume. Ich bin Onkel Victor für das Erbe ewig dankbar und froh, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Es ist alles so aufregend schön. Jeden Abend beim einschlafen, freue ich mich auf den nächsten Tag.“ Sie hat glänzende Augen und in diesem Moment fällt Giorgio wieder die große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter auf. Er legt zärtlich seinen Arm um sie. Wir stehen ganz am Anfang unserer Reise. Ich wünsche mir, dass wir alle das am Ende auch noch sagen können. Aber Du hast Recht, wir müssen Onkel Victor wirklich dankbar sein!“

Flo stellt entsetzt fest, das ihr Beiboot schon wieder nicht mehr an seinem Platz an der Kaimauer lag. „Wer von Euch hat denn heute Morgen abgeschlossen?“ will sie wissen.

Max hat abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen,“ erinnert sich Giorgio. „Seht mal, an Bord brennt doch Licht und unser Boot ist am Rumpf vertäut. Was ist denn da los? Theresa und Max können doch noch nicht zurück sein.“ Pia sieht im Geiste schon das ganze Schiff ausgeraubt oder zumindest durchwühlt. Ich ruf Max mal an,“ entscheidet Flo und hört kurz darauf von Max, das sie schon vor zwei Stunden zurückgekommen sind, weil Theresas Knöchel doch noch angeschwollen ist und sie damit nicht mehr laufen kann. „Sie muss beim Sturz wohl umgeknickt sein und den Knöchel verstaucht haben.“ Er holt uns gleich ab“, ruft Flo. Pia ist erleichtert, das die Erklärung so harmlos ist: „Wenn Max das nicht schon gemacht hat, werde ich Theresa einen Umschlag mit Essigsaurer Tonerde machen, damit die Schwellung zurückgeht. Viel mehr kann man nicht machen. Sie muss den Fuß nur schonen!“

 

Kapitel 10  –  Marseille, oh la, la…

Am Morgen um halb acht hat Giorgio seine Mannschaft auf dem Sonnendeck ver-sammelt um das Ausfahrtmanöver und den Törn nach Marseille zu besprechen. Theresas Knöchel ist, dank der Behandlung von Pia und Max kräftig abgeschwollen. Sie humpelt schon wieder fröhlich herum. „Also Männer,“ beginnt der Käpt´n in Anspielung auf die fast nur männlich besetzte christliche Seefahrt, ohne Rücksicht darauf, dass die Hälfte seiner Besatzung weiblich ist, Also, jetzt müssen wir zum ersten Mal unser Querstrahlruder einsetzen um aus diesem engen Hafenbecken raus zu kommen. Wir werden zunächst den Heckanker einziehen und dann den Rumpf drehen. Danach hoch mit dem Bug Anker und schon haben wir es geschafft. Segel setzen wir erst eine viertel Meile vom Land entfernt. Da wir fürs Erste Gegenwind haben werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als zu kreuzen. Ich hab mir den Wetterbericht geben lassen. Sonne, blauer Himmel, zweiundzwanzig Grad warm und Wind in Stärke vier aus Nordnord Ost. Nach meinen Berechnungen müssten wir bis Marseille ungefähr zweieinhalb bis drei Tage brauchen. Also los, holt das Beiboot ein und hievt Anker!“ Giorgio stellt sich ans Ruder und überwacht das Ablegemanöver.

Bei ihrer Hochsee Ausbildung scheinen sie doch eine Menge gelernt zu haben, freut er sich, denn sie führen alle Handgriffe routiniert aus. Er hat das Gefühl, das man sich auch in kritischen Situationen auf sie verlassen kann. Das Segelsetzen übernehmen Max und Pia. Theresa wird zum Logbuch schreiben verdonnert, da sie dabei ihren Fuß hochlegen kann, während Flo das benötigte Seekartenmaterial zusammenstellt und anschließend einen Vormittagssnack in Form einer herzhaften Gemüsesuppe serviert. Sie stellt fest, dass an dem Sprichwort: „Seeluft macht hungrig,“ durchaus was dran ist. Sie selbst, wie auch der Rest der Mannschaft können an Bord eigentlich immer essen.

Der Wind frischt, kaum das sie um Cap Corse herum sind, erheblich auf. Die ganze Crew hat mit dem ständigen kreuzen alle Hände voll zu tun. Zum Glück ist das Mittelmeer hier nicht so befahren, sodass ihnen nicht ständig andere Schiffe in die Quere kommen. Langsam verschwindet Korsika am Horizont. Sie haben jetzt nichts als Himmel und Wasser um sich. Die Catalina gleitet so elegant durch die Wellenkämme, dass sie fast das Gefühl bekommen, auf Schienen zu fahren. Wieder kommt der Ruf, „Klar zur Wende? „Ist klar!“ „Ree!“ „Über vorn!“ Schon dreht das Schiff sich wieder in den Wind und sie nehmen Fahrt auf. „Kurs West West Nord“ ruft der Kapitän.

Am späten Nachmittag dreht der Wind plötzlich auf Nordost und wird etwas stärker. Bei Windstärke fünf entwickelt sich eine höhere Dünung, die das Schiff trotz seiner Größe auf und ab tanzen läßt. Da Giorgio mit Vollzeug segelt und der Wind jetzt aus der gewünschten Richtung kommt, pflügt die Catalina mit etwa dreizehn Knoten durch das Wasser. Sie genießen diesen Ritt auf den Wellen. Keiner hat heute Probleme mit der Seekrankheit, auch Kolumbus nicht. Flo hat ihn vorsichtshalber mit langer Leine am Brustgeschirr angeleint, das er nicht bei einer schlingernden Bewegung über Bord gehen kann.Plötzlich tauchen neben ihnen, zum entzücken von Kolumbus, Delphine auf und begleiten das Schiff. Theresa, die im Bikini im Klüvernetz vor sich hin döst und dabei ihren Fuß hochlegen kann, bricht in Begeisterung aus, versucht mit ihnen zu spielen und ist glücklich, als sie mit großen Sprüngen aus dem Wasser springen um sich gegenseitig zu beäugen.

Genau so schnell, wie sie gekommen waren, sind sie auch wieder verschwunden.

Am Abend erklärt Giorgio: „Wenn der Wind so bleibt, sind wir morgen Abend schon da!“ Beim Essen legen sie fest, wie die Wachen eingeteilt werden sollen. Auch Theresa besteht auf einer Wache, aber Giorgio meint, das sie zuerst mehr Kenntnisse über die Seefahrt haben muss, um das Schiff alleine zu steuern. „Wenn Du uns beim Steuern und der Navigation öfter über die Schulter schaust, kannst Du bald auch mal ne Wache übernehmen, aber jetzt ist das noch zu früh. Außerdem kommen wir langsam in stärker befahrene Gebiete. Im Übrigen sollst Du Deinen Fuß noch ein bisschen schonen.“ Theresa mault etwas und meint, dass sie sich doch gerne nützlich machen möchte, muss Giorgios Entscheidung jedoch akzeptieren.

Also übernimmt Flo die Wache von acht bis elf, dann Max von elf bis zwei, Giorgio von zwei bis fünf und Pia von fünf bis acht. Alle nehmen ihre Wache sehr ernst und haben Order, bei den geringsten Vorkommnissen Giorgio zu wecken. Der hat zu diesem Zweck extra eine Gegensprechanlage angeschafft, die ihn ständig in Rufbereitschaft hält. Diese Nacht verläuft absolut friedlich.

Morgens bläst der Wind nur noch mit Stärke zwei bis drei, was ihre Fahrt stark verlangsamt. Die Sonne brennt ordentlich vom Himmel. Flo hat sogar ein Sonnensegel gespannt, da man sich auf See schnell einen Sonnenbrand holen kann.

Sie sitzen gutgelaunt um den Tisch am Steuerhaus herum. „Was hast Du berechnet, Giorgio, wann sind wir in Marseille?“ fragt Theresa. „Ich vermute, wenn der Wind uns weiterhin so gut gesonnen ist, das wir Marseille heute Abend gegen neun erreichen. Wir müssen daran denken, dass das ein riesiger Hafen ist. Ich überlege, ob es nicht besser wäre, wenn wir heute Nacht vor der Küste ankern und morgen früh in den Hafen fahren. Das spart auch Liegegebühren. Ich habe vorhin mit der Hafen Kommandantur gesprochen. Wir können einen Liegeplatz im Vieux Port, dem alten Hafen bekommen, allerdings sind für unsere Schiffsgröße nur begrenzt Liegeplätze vorhanden. Es kann daher sein, das wir am ersten Tag auf Reede liegen müssen.“ Der Hafen von Marseille besteht eigentlich aus drei Häfen. Dem alten Hafen, dem riesigen Stadthafen und etwas weiter nördlich dem Industriehafen, für Container- und Tankschiffe.Der alte Hafen, in dem Giorgio jetzt einen Liegeplatz zugewiesen bekommt, ist nicht nur der Schönste, sondern auch der Ursprünglichste, da dort außer Yachten, viele Fischerboote liegen und quirliges, südländisches Leben herrscht.

Nach einer hitzigen Debatte einigen sich die fünf darauf, Abends zu ihrem Liegeplatz zu fahren. Giorgio, der noch ein bisschen Bedenken vor dem fremden Hafengetümmel hat, gibt schließlich nach und seufzt: „Na gut, was uns nicht umwirft, macht uns nur härter. Aber da es das erste Mal ist, das ich mit einem so großen Schiff in ein solches Hafengetümmel fahre, müsst Ihr beim Navigieren helfen, ist das klar?“ Wir können auch einen Hafenlotsen bestellen!“ meint Max spöttisch und macht, dass er aus Giorgios Reichweite kommt, da er sonst einen nassen Lappen ins Genick bekommt. Kurz bevor sie Marseille erreichen, segeln sie an einer kleinen Inselgruppe vorbei, zu der auch die Ile d´If gehört, die durch Alexandre Dumas Roman „Der Graf von Monte Christo“ weltberühmt wurde.

Es ist schon dunkel, als sie die Hafeneinfahrt erreichen, aber Sie können sich gut orientieren, da sich links und rechts der Einfahrt zwei hell erleuchtete Zitadellen erheben. Die beiden, vom Sonnenkönig Ludwig dem vierzehnten erbauten Fort St.Jean und Fort St. Nicolas. Links von der imposanten Einfahrt befindet sich der große Stadthafen mit über zwanzig Kilometer Kaianlagen. Der Hafenkommandant dirigiert sie auf die Westseite und bedeutet ihnen, nicht längsseits, sondern Heck seitig an der Pier festzumachen. Der gesamte Hafen ist hell erleuchtet, sie haben daher keine Sichtprobleme.

Die Segel haben sie längst geborgen und tuckern mit langsamer Kraft zu ihrem Bestimmungsort. Als sie diesen erreichen, stoppt Giorgio die Maschine, dreht die Catalina mit Hilfe des Querstrahlruder´s in die gewünschte Richtung und schiebt das Schiff langsam rückwärts in eine Lücke zwischen zwei weiteren größeren Yachten, an die Pier. Dort steht bereits ein Helfer, fängt die Leinen auf, die Max ihm zuwirft und vertäut sie fachmännisch an zwei Pollern. Pia und Theresa werfen den Bug Anker, holen dann die Gangway, die normalerweise seitlich runter gelassen, aber jetzt am Heck gebraucht wird.

Kaum haben sie die Gangway abgesenkt, werden sie auch schon von den Eignern der Yacht zu ihrer linken freundlich auf Deutsch begrüßt. „Ahoi, wir hören, Ihr sprecht Deutsch, obwohl Ihr die Italienische Flagge gesetzt habt. Wo kommt Ihr denn her?“ An Deck auf der Nachbar Yacht stehen zwei unverschämt gut aussehende Typen, etwa Ende zwanzig und ein ebenso gut aussehendes Mädchen im Alter von Flo und grinsen fröhlich herüber. „Wir kommen von Genua,“ antwortet Giorgio zunächst ausweichend weil er nicht gleich jedem ihre Lebensgeschichte erzählen will. Von Lauenstein, Andreas von Lauenstein, das ist mein Bruder Tobias und das ist meine Freundin Olivia,“ stellt er sich vor. Wir kommen aus Frankfurt, aber unser Kahn hat hier seinen Liegeplatz. Wir wollen in zwei oder drei Tagen ein bisschen das Mittelmeer unsicher machen und vielleicht die Cóte hoch segeln. Mal sehen, was so läuft. Einen schicken Kahn habt Ihr da, wie lang ist der denn?“ plappert er, ohne Luft zu holen.

Giorgio kann diese Sorte Angeber überhaupt nicht ab und antwortet knapp. 45 Meter.“ „Donnerwetter, mehr als doppelt so lang wie unser. Können wir uns den Morgen früh mal ansehen?“ „Mal sehen, Morgen haben wir viel vor!“ Giorgio wird immer reservierter und schaut flehend zu Pia und Flo, die die beiden Männer mit sichtlichem Vergnügen mustern. Max hat vorsichtig ein Auge auf die hübsche Olivia geworfen, achtet aber darauf, es wegen Theresa nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Die beiden Kerle waren ihm genauso unsympathisch, wie seinem Vater. Als sie unter Deck sind, wettert Giorgio: „Mann, solche Typen kann ich leiden. Von Beruf Söhnchen reicher Eltern, riesengroße Klappe, aber im Leben noch nichts geleistet. -Wir werden vielleicht die Cóte hoch segeln. Mal sehen was so läuft. Wenn ich so was schon höre, schüttelt es mich!“ Aber Giorgio, Du musst doch zugeben, die Beiden sehen doch verboten gut aus, oder?“ Flo ist ganz hingerissen. „Schön und doof trifft es wohl am ehesten,“ grinst Pia etwas respektlos. Theresa pflichtet ihr bei.

Flo gibt aber nicht so schnell auf. „Dieser Tobias ist bestimmt nicht so doof wie sein Bruder und ist sogar noch solo. Den werd ich mir Morgen mal vornehmen!“ Sie setzt einen verträumten Blick auf und seufzt tief. Max sieht sie verständnislos an und raunzt: „Ich denke, Du liebst Laurin? Kaum ist er außer Sichtweite, schon machst Du fremde Kerle an, typisch Frau!“ Das musst Du gerade sagen, wer hat sich denn die Augen aus dem Kopf gestiert bei der schönen Olivia?“ „Ich hab nur höflichkeitshalber geschaut und nicht lüstern, so wie Du,“ kontert Max. Schluss jetzt mit Eurem Geplänkel. Wegen diesen netten Zeitgenossen, werden wir uns doch nicht in die Haare kriegen, oder?“ Pia ist mal wieder um Ausgleich bemüht.

Früh am Morgen scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel und verleitet die Crew der Catalina zu einem ausgiebigen Frühstück auf dem Sonnendeck. Nebenan rührt sich noch nichts. „Hoffentlich bleibt das noch ne Weile so,“ brummt Giorgio, der keine Lust auf eine Besichtigung der Catalina durch diese Angeber hat. Ich muss gleich noch mal zum Hafenkommandanten um unsere Pässe abzuholen. Ihr überlegt Euch bitte in der Zwischenzeit, was wir noch einkaufen müssen. Frischwasser und Diesel reichen noch, beides werden wir erst in Spanien bunkern. Haltet bitte das Logbuch immer auf dem aktuellen Stand. Im Übrigen hat Marseille viel zu bieten, also sollten wir uns Gedanken machen, was wir uns ansehen wollen!“ Ich glaub, ich bleib heute mal hier und relaxe ein bisschen in der Sonne. Zwischendurch klare ich die Kombüse auf“, erklärt Flo eilig.

Giorgio und Max sehen sich an und grinsen, da Flo´s Manöver zu durchsichtig ist. Was willste denn von diesem Strand Gigolo Schwesterlein, der ist doch mindestens drei Nummern unter Deinem Niveau?“ Max ist sichtlich entsetzt, auch Giorgio meint: Flo, Du hast so einen netten Freund, Ihr versteht Euch prima, plant sogar eine gemeinsame Zukunft, was soll also jetzt dieses Geplänkel mit so einem Vorstadt Casanova?“ Davon versteht Ihr sowieso nichts, Ihr seid doch nur Männer. Ich will ihn doch nicht gleich heiraten aber er ist sooo süß und sieht sooo gut aus!“ Pia schaltet sich ein: „Lasst sie ihn doch kennen lernen. Wahrscheinlich wird sie ganz schnell von ihrem Bazillus kuriert. Wenn er sich jedoch wirklich als nett und nicht so angeberisch wie sein Bruder entpuppen sollte, hat Flo wenigstens einen netten Tag gehabt!“ Na gut, aber Du machst keine Schiffsbesichtigung, zumindest nicht in unseren Kabinen. In Deiner kannst Du ja machen, was Du nicht lassen kannst,“ ruft Max aufgebracht.

So und wir können, wenn Ihr Lust habt eine Stadtrundfahrt durch Marseille machen,

da sieht man am schnellsten die interessantesten Ecken der Stadt,“ schlägt Theresa vor. Pia, Giorgio, und Max sind einverstanden. Nach dem ihre Familie zur Sightseeingtour aufgebrochen ist und sich auf dem Nachbarschiff immer noch nichts tut, nutzt Flo die Gelegenheit, die Kombüse aufzuklaren. Dann zieht sie sich ihren schicksten Bikini an und legt sich, mit Zeitschriften bewaffnet auf dem Sonnendeck, in Position.Sie hat sich in eine unmögliche Situation manövriert und weiß auch, dass Giorgio und Max Recht haben. Sie kann und will es aber nicht zugeben. Das abenteuerliche Prickeln in ihrem Körper, gepaart mit der Lust am flirten ist einfach zu übermächtig. Der Gedanke an Laurin schießt ihr zwar durch den Kopf, aber sie verdrängt ihn gleich wieder, in dem sie sich selbst einredet: „Wenn überhaupt, wird das nur ein kleiner Flirt und hat nichts mit Liebe zu tun. Zur Not kann ich die Sache ja jederzeit stoppen.“

Nach einer ganzen Weile regt sich auf dem Nachbarschiff etwas. Zunächst erklimmt eine ziemlich verschlafene Olivia das Deck. Außer einem schmalen Slip hat Sie nichts an. Gleich dahinter taucht das Objekt ihrer Begierde, der sehnsüchtig erwartete Tobias, auf. Er hat eine dunkelblaue Boxershorts an und schlurft, noch ziemlich verschlafen, Richtung Heck. Dort ist ein Tisch mit Rattan Stühlen zu sehen. Er pflanzt sich auf einen der Stühle und ruft heiser, „mach Kaffee Olivia?“ Dann dreht er den Kopf, sieht Flo in ihrem Deckchair liegen. Plötzlich ist er wie elektrisiert. Er springt auf, fährt sich mit den Fingern durchs Haar und grüßt freundlich herüber. „Hallo, so früh schon auf? Hast Du gut geschlafen? Willst Du nicht zum Frühstück rüber kommen?“ Er bricht etwas verlegen ab, mustert Flo ausgiebig von oben bis unten und man merkt, dass ihm gefält, was er da sieht. Auch Flo kommt, angesichts des gut trainierten Männerkörpers durchaus auf ihre Kosten.

Wenn Du aufstehst, bin ich bereits das erste Mal wieder müde. Wir haben immerhin bereits zwölf Uhr.“ Sie lacht ihn an und hört sich selbst verwundert sagen „Aber wenn Du Lust hast, kannst Du zu mir rüber kommen. Meine Familie ist schon auf Landgang und vom Frühstück ist noch genug da. Dein Bruder scheint ja noch zu schlafen und Olivia macht auch noch keinen sehr wachen Eindruck.“ „Wir waren gestern Abend auf der Piste und sind erst um fünf zurückgekommen. Aber Du hast Recht, und ich nehme Deine Einladung gern an. Ich mach mich nur etwas frisch und bin in fünf Minuten da!“

Flo wird jetzt wegen ihrer mutigen Einladung doch nervös. Andererseits gefällt ihr Tobias schon gut und gegen eine harmlose Unterhaltung ist doch nichts einzuwenden. Sie steht auf, holt das Frühstückstablett aus der Kombüse, deckt den Tisch lieber im Salon, da Sie nicht auf dem Präsentierteller sitzen will und keine Lust auf Tobias großmäuligen Bruder nebst Olivia hier auf dem Schiff hat. Ein paar Minuten später klopft es und ein frisch gewaschener und gut duftender Tobias springt den Niedergang herunter. Er trägt jetzt weiße Bermudas. Darüber ein eng anliegendes, ärmelloses, schwarzes T-Shirt, welches seinen muskulösen, braungebrannten Körper gut zur Geltung bringt. Er gibt Flo artig die Hand, bedankt sich für die Einladung. Dann sieht er sich im Salon um und stößt einen anerkennenden Pfiff aus. „Donnerwetter, hier ist ja alles vom Feinsten. Ist ja toll, hier könnt ich es auch aushalten.“ Er bewundert die elegante Einrichtung und schönen Vertäfelungen. „Möchtest Du Tee oder Kaffee? Ich kann Dir auch Spiegeleier machen!“ Flo bemüht sich, eine gute Gastgeberin zu sein und fährt auf, was ihre Kombüse zu bieten hat. Tobias ist hungrig und läßt sich Toast, Croissants, Spiegeleier mit Schinken und ein von Flo selbst gemachtes Müsli schmecken.

Er erzählt während des Frühstücks von dem Verhältnis zu seinem Bruder und dessen Freundin. Flo hat das Gefühl, dass es damit offensichtlich nicht zum Besten steht. Mein Bruder ist ein blöder Angeber, seit dem wir diese Yacht hier haben. Dabei gehört sie unseren Eltern und nicht ihm. Sie haben in Frankfurt ein Möbelgeschäft und lange für ihren Traum gespart. Vor drei Jahren haben sie sich die Yacht endlich leisten können. Im Urlaub fahren wir immer hier her, aber Andreas tut so, als wäre er der Besitzer und ich nur sein Matrose. Aber was soll ich machen?“ fragt er etwas resigniert. „Was macht er denn beruflich?“ fragt Flo. „Ach, der ist ewiger Student. Jura hat er bereits abge-brochen, weil es ihm zu schwierig war und nun versucht er es mit Soziologie und ist im fünften Semester. Aber bis der fertig ist, kann er schon Rente beantragen!“Und was machst Du?“ will Flo wissen. „Ich hab die Möbelfachschule in Köln besucht, dann BWL studiert und bin vor kurzem fertig geworden. Eines Tages werde ich wohl den Laden meiner Eltern übernehmen.“

Flo empfindet, wegen seiner Offenheit eine starke Sympathie für Tobias und denkt, dass er nicht nur unverschämt gut aussieht, sondern auch ein ehrlicher und einfühlsamer Typ ist. –  So ganz anders als Laurin.

Den Gedanken an Laurin schiebt sie vorsichtshalber schnell wieder beiseite und erzählt stattdessen lieber von ihrer Familie und dem kuriosen Umstand, wie sie an dieses Schiff gekommen sind. „Darf ich mir das Schiff mal ansehen?“ fragt Tobias beinahe schüchtern. Flo zeigte ihm bereitwillig die Kombüse und dann noch ihre große Kabine mit dem dazugehörigen Bad. Tobias kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, setzte sich auf ihr breites, bequemes Bett und meint: „Das ist ja ein Traum. Ich dachte, wir hätten schon eine tolle Yacht, aber gegen das hier ist unser Kahn gar nichts. Ich beneide Dich Florentine, mit solch einem Schiff und Deiner Familie eine Weltumseglung machen zu können.“ Sie setzt sich jetzt neben ihn und schaut ihm direkt in seine braunen Augen. „Ja, mit meiner Familie habe ich Glück gehabt. Seit dem Tod unserer Mutter verstehen wir uns auch ganz gut, aber das war nicht immer so!“

Tobias sieht ihr jetzt mit zärtlichem Blick tief in die Augen, beugt sich plötzlich zu ihr herüber und küsst sie vorsichtig auf den Mund. Flo ist so überrascht, dass sie nicht an Gegenwehr denkt. Als er das merkt, umschlingt er sie mit beiden Armen und küsst sie lang und leidenschaftlich. Sie blendet die Realität jetzt völlig aus, genießt die Zärtlichkeiten und gibt sich willig seinen Küssen hin. Plötzlich wird ihr bewusst, dass sie nichts weiter als ihren Bikini anhat. Sie will sich auf keinen Fall gleich beim ersten Date vernaschen lassen. Als Tobias dann auch noch versucht, ihr Oberteil zu öffnen, schiebt sie ihn, nach Luft schnappend, energisch zurück und flüstert: „Meinst Du nicht, dass das für den Anfang reicht. Wir kennen uns ja kaum. Für One Night Stands bin ich nicht zu haben!“

Er sieht sie leicht verlegen an und raunt mit erregter Stimme: „Entschuldige, aber Du küsst so wunderbar, ich habe das Gefühl, als ob wir uns schon ewig kennen. Ich fühle mich an Deiner Seite so wohl wie schon lange nicht mehr. Das muss wohl so eine Art Seelenverwandtschaft sein.“ Er legt seinen Arm wieder um ihre Schultern und zieht sie sanft an sich. Flo ist völlig verwirrt. Einerseits fühlt auch sie sich zu ihm hingezogen, genießt seinen muskulösen Körper und den betörenden Duft seines Aftershaves. Andererseits hat sie Angst vor den Konsequenzen. Sie verflucht sich nun selbst, diese Situation heraufbeschworen zu haben.

Er küsst sie erneut, drückt sie dann sanft in die Kissen und merkt, dass ihr Widerstand zu schwinden beginnt. Als er die Schließe an ihrem Bikini Oberteil endlich geöffnet hat und anfängt mit seinen Lippen zärtlich ihre Brustwarzen zu liebkosen, ist es um ihren Widerstand endgültig geschehen und sie überlässt sich, wohlig stöhnend ihrem Schicksal.

Alle Bedenken, die sie vorher hatte, auch die Gedanken an Laurin sind plötzlich so weit weg. Sie genießt nur noch den Augenblick. Erregte Lippen auf ihrer Brust und forschende Finger auf ihrem Körper, die sich langsam tiefer in Richtung ihrer intimsten Stellen vorarbeiten, tun ihr Übriges. Ihre Finger krallen sich Lustvoll in seinen Rücken, als sie merkt, wie er langsam mit der einen Hand ihr Bikini Höschen nach unten schiebt und mit der Anderen anfängt, sie zärtlich zu streicheln.

Von ganz weit her dringt plötzlich eine Stimme in ihr Unterbewusstsein: „Hallo Catalina, ist jemand zu Hause?“ Sie denkt, nein niemand zu Hause und versucht die Stimme zu ignorieren, ist sie doch schon viel zu weit im Reich der amourösen Glückseligkeit.

Plötzlich wird ihr bewusst, dass die Stimme real ist und irgendwo aus der Nähe kommen muss. Sie reißt die Augen auf, schiebt Tobias energisch von sich weg, zieht ihren Slip hoch, schnappt sich, völlig verwirrt ihr Bikini Oberteil und bedeckt in Windeseile ihre Brüste. Da Tobias offensichtlich nichts gehört hat, fragt er erregt und irritiert: „Was ist los, hab ich was falsch gemacht?“ Nee, Du hast nichts falsch gemacht, aber ich hätte beinahe was falsch gemacht und zwar gründlich. Dein Angeber Bruder hat mich davor bewahrt. Ich glaub jedenfalls, das es Dein Bruder ist, der oben an Deck steht und nach uns ruft.“

Flo ist unendlich erleichtert, noch im letzten Moment die Kurve gekriegt zu haben. Sie zieht sich schnell noch ein Strandkleid über und ist schon auf dem Weg zum Niedergang und denkt: „Auch wenn du ein blöder Angeber bist, aber nun hast du genau das richtige Timing drauf gehabt und dafür bin ich dir dankbar. Ich könnte mich dafür Ohrfeigen, das ich so schwach war und um ein Haar meine Liebe zu Laurin aufs Spiel gesetzt hätte.Schon ist sie an Deck und begrüßt Andreas, der sich gerade auf dem Sonnendeck ausgiebig umsieht.

Hallo, ich habe Dich gar nicht gehört, Tobias und ich haben unten gefrühstückt und nichts gemerkt!“ stammelt sie verlegen.So so, Frühstücken nennt man das jetzt,“ grinst er anzüglich. Flo findet ihn in diesem Moment noch widerlicher und bemerkt, wie unterschiedlich die Brüder offensichtlich sind. Hinter ihr kommt Tobias den Niedergang hoch. Als Alibi hielt er ein angebissenes Croissant in der Hand. Er blafft seinen Bruder böse an: „Was willst Du denn hier, kann man nicht mal in Ruhe Frühstücken?“Flo merkt ihm an, dass er stinksauer wegen der verpassten Gelegenheit ist und denkt erneut, Gott sei Dank bist du blöde Kuh gerade noch rechtzeitig aufgewacht.

Olivia macht den Vorschlag, ob wir, also Du und Deine beiden schicken Schwestern und wir, nicht einen gepflegten Rolls Royce Cabrio oder was ähnliches mieten und damit die Gegend unsicher machen wollen!“ In dem Moment weiß Flo, dass Olivia wohl doch ganz gut zu ihm passt, da sie offensichtlich genauso hohl und oberflächlich ist wie er selbst. Sie sieht ihn nicht gerade freundlich an, als sie mit zuckersüßer Stimme ruft: Erstens ist nur eine meine Schwester und die andere die Verlobte meines Bruders. Zweitens ist der Rest meiner Familie unterwegs und schaut sich die Stadt an. Drittens habe ich keine Lust. Theresa und Pia sicher auch nicht, mit so einer Bonzen Schleuder durch die Gegend zu fahren und viertens, trotzdem schönen Dank für das Angebot!“

Sie hat sich in Rage geredet und kann die aufgestaute Erregung der letzten halben Stunde wieder etwas abbauen. Ach komm Du doch wenigstens mit, das kann doch schön werden mit uns!“ Tobias umfasst zärtlich ihre Taille und drückt sie wieder an sich.Flo reißt sich energisch los und schwindelt: „Ich kann nicht mitkommen, weil ich auf zwei sehr wichtige Anrufe aus Deutschland warte und meinem Vater versprochen habe, sie entgegen zu nehmen. Nur deshalb bin ich nicht mit den Anderen gefahren. Außerdem muss ich noch einige Briefe schreiben, habe also genug zu tun. Trotzdem wünsche ich Euch viel Spaß bei Eurer Bonzen Tour!“

Sie will nun unter allen Umständen die Brüder Lauenstein, Pardon, von Lauenstein so schnell wie möglich loswerden und hofft, dass sie ihr diese Notlüge abgekaufen.

Andreas bewegt sich auf die Gangway am Heck zu und höhnt: „Wer nicht will, der hat schon. Andere Mütter haben auch willige Töchter!“ Tobias trollt sich grinsend hinterher, dreht sich auf der untersten Stufe noch einmal um und ruft laut: Schade, wir hätten uns doch unterwegs noch wunderbar vergnügen können und das beenden, was wir in Deiner Kabine so schön begonnen haben, bevor Andreas uns die Tour vermasselte. Aber so entgeht Dir einiges!“ ruft er laut und ohne Hemmungen vor seinem Bruder. Er macht dabei eine anzügliche Geste. Flo steht fassungslos vor so viel Gemeinheit und hört Andreas dreckige Lache auf dem Kai: „Hat mein Brüderchen die Puppe angebaggert. Sie hat ihn nicht ran gelassen, So ein Pech aber auch!“ Dann setzt Tobias noch einen drauf und prahlt: „Ach die ist viel zu spröde und verklemmt, dass lohnt sich doch gar nicht!“ Flo zieht wütend, mit hochrotem Kopf die Gangway hoch, damit bloß keiner von diesem Pack mehr an Bord kommen kann.

Dann läuft sie unter Deck, reißt zum lüften ihrer Kabine die beiden Luken auf und zieht das Bettzeug ab, um den Geruch von diesem Kerl schnellstens loszuwerden. Sie streift ihr Kleid und den Bikini ab, nimmt eine ausgiebige heiße Dusche um alle Erinnerungen, sowie seine Finger und Lippenspuren auf ihrem Körper gründlich abzuwaschen. Dann wirft sie sich, nur mit Bademantel bekleidet, heulend auf ein Sofa im Salon. Sie ist maßlos enttäuscht, über soviel Gemeinheit. Ihr wurde fast übel bei dem Gedanken, was passiert wäre, wenn der widerliche Andreas nicht im letzten Moment aufgetaucht wäre. Ihr erst den verständnisvollen Freund vorzuspielen, aber in Wahrheit nur daran interessiert zu sein, möglichst schnell und ohne echte Gefühle eine Frau flach zu legen. Was können Männer doch gemein sein. Als sie daran denkt, wie kurz er vor seinem Ziel war, überkam Flo großer Ekel. Wenn sie überlegt, wegen dieses Westentaschen Casanovas beinahe ihre große Liebe aufs Spiel gesetzt zu haben, kann sie schier verzweifeln.

Warum hat sie nicht auf Max und ihren Vater gehört. Die haben, was andere Männer angeht, wohl doch die bessere Menschenkenntnis. Sie nimmt sich vor, künftig mehr auf sie zu hören und beschließt, niemandem etwas von diesem peinlichen Erlebnis zu erzählen und es möglichst schnell zu vergessen. Langsam fühlt sie sich wieder besser, setzt sich an den großen Tisch und verfasst einen langen, zärtlichen Brief an Laurin.

Die anderen Besatzungsmitglieder sehen sich, kaum dass sie das Hafengelände verlassen haben, zuerst die riesige Kathedrale de la Major an.

Dieses, im elften Jahrhundert erbaute Gotteshaus gehört zu den schönsten und größten romanischen Kirchen Europas und überragt alles in der Umgebung. Nach ausgiebiger Besichtigung erwischen sie direkt auf dem Vorplatz einen Doppeldeckerbus der Stadtrundfahrt. Giorgio meint: „In fremden Städten ist es immer ganz informativ, zunächst eine Stadtrundfahrt zu machen. Man bekommt eine gute Orientierung und kann sich dann gezielt die Dinge raus suchen, die einen interessieren.“ Sie klettern auf das Oberdeck und haben dort den besten Überblick. Zuerst geht die Tour zu einem berühmten Obst und Gemüsemarkt. Eine spannende Mischung aus Arabischen, Italienischen und Französischen Einflüssen schlägt ihnen entgegen. Die Vielzahl an Farben und Gerüchen allein ist schon ein Erlebnis.

Die Größe der Stadt beeindruckt die Weltenbummler als sie hören, dass die Stadtfläche doppelt so groß wie die von Paris sein soll. Diese Stadt an der Rhone Mündung wird durch viele Hügel begrenzt. Ihr nächster Halt führt sie zum höchsten Punkt der Gegend, zu Notre Dame de la Garde, von wo aus man einen prächtigen Blick über viele Stadtteile, die Rhone Mündung, die Häfen und das Meer hat. Von hier oben kann man auch die gewaltige Größe des Yachthafens gut erkennen. Sie sind deshalb froh, im alten Hafen untergekommen zu sein. Als kleinen Punkt erkennen sie sogar die Catalina.

Schade, das alles entgeht Flo, nur weil sie unbedingt ein Spiel mit dem Feuer beginnen muss. Ich hoffe nur, dass es das Wert ist,“ sinniert Giorgio.

Auf der weiteren Fahrt erfahren sie, dass Marseille vor 2600 Jahren von den Griechen gegründet wurde und man ständig noch Ausgrabungen aus der Zeit vornimmt. Überhaupt ist die Stadt für ihre kulturelle Vielfalt bekannt. „Mensch, hier könnte ich auch leben, die ganze Stadt ist ja die reinste Kunstgalerie!“ ruft Giorgio begeistert. Auch die architektonische Mischung aus alt und neu, fasziniert ihn. Besonders das alte Panier Viertel, in dem früher so mancher Gangster Film gedreht wurde und es auch heute nicht gerade zimperlich zugeht, ist behutsam restauriert worden und erstrahlt in seiner alten Ursprünglichkeit.

Hier entdecken sie auch den Marché des Capucins, den orientalische Markt, der alle Sinne anspricht. Safran, Muskat, Zimt, Koriander, frische Datteln und Feigen und der Duft von Minze Tee bestimmen das bunte Bild. Anschließen geht es zum Bahnhof Saint Charles.

Dieser Bahnhof, mit der prachtvollen Freitreppe bietet einen gigantischen Blick, hinunter zum Boulevard d´Athenes, über das Altstadtviertel, Notre Dame de la Garde, bis hin zum alten Hafen, wo ihr Schiff gut zu erkennen ist.Hier verlassen sie den Bus und schlendern zu Fuß weiter, die Canebiére hinunter, Richtung Hafen. Edelste Boutiquen, Delikatessgeschäfte, Kunstgalerien und Antiquariate wechseln sich in bunter Folge ab und lassen keinerlei Langeweile aufkommen. Pia staunt über die vielen verschiedenen Moderichtungen und nimmt sich vor, mit Flo noch einmal hierher zu fahren. Die wird hier völlig ausflippen.

Der lebhafte Verkehr besteht überwiegend aus hupenden Kleinwagen, jeder Menge Vespas und einem nicht abreißenden Strom von Fußgängern. Gerade als Theresa mit Max vor einer Boutique steht und dort aufgehängte Kleider durchstöbert, fährt eine Vespa mit hohem Tempo direkt an ihnen vorbei. Der Beifahrer beugte sich zu Theresa rüber und versucht, ihr blitzschnell die Handtasche zu entreißen. Nur weil Max gerade in diesem Moment eine leichte Drehung macht und aus den Augenwinkeln mehr instinktiv als real die Gefahr erkennt und seinen Arm hebt, kommt der Ganove nicht an die Tasche heran und streift Sie nur. Einen wilden Fluch ausstoßend verschwinden die Kerle schnell im Gewühl. Theresa, die den versuchten Raub überhaupt nicht registriert hat, wird es im Nachhinein noch heiß und kalt, wenn sie daran denkt, was alles in ihrer Handtasche ist.

Ich habe Euch zigmal gesagt, dass Ihr alles Wichtige im Tresor auf dem Schiff lassen sollt und höchstens ein paar Traveller Checks, etwas Bargeld und Euren Pass mitnehmt.

Am besten nehmt Ihr gar keine Handtaschen mit. Hoffentlich ist Euch dass jetzt eine Lehre. Was meint ihr, was wir für Laufereien haben, wenn in irgendeinem Dritte Welt Land Eure Papiere weg sind. Daran mag ich gar nicht denken,“ schimpft Giorgio. Max schlägt vor, das nächste Café anzusteuern und auf den Schreck einen Pernod zu trinken, was dankbar angenommen wird.

Hoffentlich ist bei Flo auf dem Schiff alles in Ordnung,“ sorgt sich Pia. Max hat schon sein Handy herausgezogen und ruft sie an. Er ist erleichtert, als Flo sich gleich meldet und erzählte ihr kurz, was ihnen passiert war. Dann will er wissen, ob bei ihr alles in Ordnung ist. „Du bist so einsilbig Flo, hast Du das Objekt Deiner Begierde nicht getroffen?“ Nöö, hier ist alles in Ordnung,“ nuschelt sie, wenig überzeugend. Nachdem er aufgelegt hat, vermutet er, dass Flo mit ihrem Rendezvous offensichtlich nicht zum Zuge gekommen ist. Nun schlendern sie langsam und wachsam die Straße runter, an der Kathedrale de la Major vorbei und steuern den alten Hafen an. An ihrem Schiff angekommen, wundern sie sich, warum die Gangway hochgezogen ist und riefen nach Flo. Sie erscheint mit unglücklichem Gesichtsausdruck und läßt die Gangway runter. Giorgio weiß sofort, dass mit seiner Jüngsten irgendwas nicht stimmt. Er hütet sich jedoch, sie mit Fragen zu bestürmen, sondern wartet ab, bis sie selbst reden will. Es dauert ungefähr eine halbe Stunde, bis Flo sich doch durchgerungen hat, ihren Frust loszuwerden und ihrem Vater reinen Wein einschenkt. Zumindest große Teile davon. Alle Details preiszugeben ist ihr doch zu peinlich.

Das war so gemein und so erniedrigend, Giorgio, als wenn ich die letzte Nutte wäre. Aber am meisten ärgere ich mich über mich selbst. Warum habe ich nicht auf Euch gehört. Warum wollte ich diesen Spinner überhaupt kennen lernen, wo ich doch so einen tollen und treuen Typen habe. So hinterlistig wie dieser Tobias, erst ganz lieb und einfühlsam tun, aber nur Sex im Kopf zu haben, das würde Laurin nie bringen, dazu ist er viel zu anständig!“ schnieft sie. Giorgio legt seinen Arm um sie und zieht sie an sich. Weist Du Flo, jeder kommt mal in die Situation, wo ihm sein gesunder Menschen-verstand einen Streich spielt und man Dinge macht, die man bei genauerem Nach-denken wohl nicht machen würde. Solche Fehler sind menschlich und wir lernen schließlich daraus. Auch mir ist so was schon passiert und nicht nur einmal. Hake das Ganze unter schlechte Lebenserfahrungen ab und vergiss diese Spinner ganz schnell. Ich schlage vor, dass das Gespräch unter uns bleibt. Sag Deinen Geschwistern und auch Laurin nichts davon. Es würde ihn nur verunsichern. Vielleicht weißt Du durch diesen Vorfall auch erst richtig, was Du an ihm hast und wie sehr Du ihn liebst.“

Danke Giorgio, wir sollten alle mehr auf Dich hören. In Lebenserfahrungen bist Du uns weit voraus.“ Sie lächelt schon wieder und schmiegt sich eng an ihren Vater. „Kunststück, das wäre auch schlimm, wenn´s nicht so wäre, immerhin bin ich mehr als doppelt so alt wie ihr.“ Er freut sich, seine Jüngste wieder lächeln zu sehen.

Theresa hat am Nachmittag versucht, mit ihren paar Brocken französisch einen Tisch im Restaurant Miramar zu bestellen, weil es dort laut Tipp von einem Geschäftsfreund von Giorgio die beste Bouillabaisse geben soll. Zehn Minuten lang spricht sie, teils fran-zösisch, teils spanisch und teils englisch, wild gestikulierend auf ihren Telefonpartner ein. Ich hoffe, er hat das richtig verstanden, ich hab einen Tisch für fünf Personen um acht Uhr bestellt. Entweder kann der noch schlechter französisch als ich oder mein französisch ist so grottenschlecht, dass mich keiner versteht.“ befürchtet sie betrübt.Dann haben wir ja genügend Zeit, uns richtig aufzubrezeln. Ich hab gehört, das die Französinnen sich für das Abendessen immer besonders schick machen, also müssen wir doch mithalten.“ Flo ist schon wieder guter Dinge.

Wenn ich Euch drei Weiber so ansehe, müssen die Französinnen sich aber verdammt anstrengen, wenn sie an Euch auch nur einigermaßen heranreichen wollen.“ versucht Max ein Kompliment. Pia schaut ganz irritiert. „Willst Du irgendwas von uns, oder hast Du was ausgefressen? Sonst werden wir mit Komplimenten von Dir auch nicht gerade verwöhnt.“Da meint man es mal gut und sagt die Wahrheit, dann ist es auch wieder nicht Recht“ mault er gekränkt.

Die Bouillabaisse ist tatsächlich so lecker, wie Giorgios Geschäftsfreund beschrieben hat. Pia und Flo, die noch nie eine gegessen haben, bedienen sich mehrmals aus dem großen Topf, der mitten auf dem Tisch steht. Flo versucht herauszufinden, was alles drin ist und hofft, so etwas mal nachkochen zu können. Das Geheimnis vermutet sie in der entsprechenden Kräutermischung. Alles was sie herausfinden kann, schreibt sie auf.

Als sie gegen Mitternacht zu ihrem Schiff zurückkommen, bleibt Flo wie angewurzelt stehen und stößt einen Freudenschrei aus. Leute, die Angeber Truppe von nebenan ist verschwunden. Die müssen sich heute Abend heimlich aus dem Staub gemacht haben. Na Gott sei Dank, dann kann ich das Decksleben ja wieder genießen!“ Alle starren auf den leeren Ankerplatz neben der Catalina. Giorgio freute sich, seine jüngste wieder unbeschwert zu sehen. Der folgende Tag, ein Sonntag, beginnt für Ende März recht warm und verleitet die Weltenbummler dazu, einen Faulenzertag einzulegen. Also ist Lesen, Briefeschreiben oder an Deck schlafen angesagt. Selbst Flo hat heute keine Lust zu kochen, sondern bereitet nur ein paar kleine Snacks zu, bei denen sich jeder bedienen kann. Am Nachmittag wollen Pia und Flo mit einer kleinen Fähre, die ganz in ihrer Nähe liegt, zur Ile d´If hinüber fahren und sich das Schloss ansehen, wo Alexandre Dumas Roman „Der Graf von Monte Christo“ spielte.

Die Crew döst in der Mittagssonne, als Giorgio plötzlich verkündet: „Übermorgen würde ich gern weiterfahren, wenn´s Recht ist. Morgen können wir uns noch einiges ansehen, von mir aus auch Shoppen gehen. Proviant müssen wir auch noch bunkern!“ Proviant Meisterin Theresa meint schläfrig, „Ay ay Sir, die Proviantliste ist bereits fertig und liegt im Salon.“

Am Abend, gegen acht, kommen Pia und Flo völlig erschöpft zurück. „Wir sind gelatscht, bis uns die Socken qualmten. Die Insel ist nicht klein und das Schloss riesig, aber schön,“ stöhnt Flo und freut sich auf eine erfrischende Dusche. Nach dem Abendessen sitzen sie bei Rotwein an Deck, verdrücken sich jedoch bald todmüde in ihre Kojen.

Am nächsten Morgen wird in unmittelbarer Nähe der Catalina der berühmte Fischmarkt im alten Hafen abgehalten. Es ist ein riesiges buntes Spektakel mit üppigem Lärmpegel. Theresa und Flo nutzen die Gunst der Stunde und decken sich mit frischem Fisch und vielen Kräutern und Gewürzen ein, die dort reichlich angeboten werden. Da dieser Teil vom Hafen eines der touristischen Zentren von Marseille ist, mangelt es ihnen während der Liegezeit nicht an neugierigen und bewundernden Blicken. Sobald man sich im Heckbereich aufhält, muss man unweigerlich viele Fragen nach dem Schiff, dem woher und wohin beantworten.

Flo überredet Pia und Theresa, mit ihr noch mal Shoppen zu gehen. Das heißt, viel überreden muss sie die Beiden eigentlich nicht. Sie wollen wieder auf den Boulevard d´Athenes, mit seinem riesiges Angebot an Geschäften. Giorgio hat vor, sich die architektonischen Höhepunkte der Stadt noch einmal näher anzusehen. Vor allem die Häuser von Le Corbusier, sowie das Palais Daviel interessieren ihn.

Max hat keine Lust wegzugehen und blieb mit Kolumbus an Bord. Er macht mit ihm aber eine ausgiebige Gassi Runde über den Fischmarkt. Kolumbus kann sich da, wegen der vielen tollen Gerüche gar nicht loseisen.

Die Mädchen kommen am späten Nachmittag, voll bepackt mit Tüten, zurück. Giorgio, der kurz vor ihnen eintrudelt, Max und Kolumbus müssen sogleich eine ausgiebige Modenschau über sich ergehen lassen und machen es sich dazu auf den Sofas im Salon bequem. Pia führt drei extravagante T-Shirts vor, die ihre Figur gut zur Geltung bringen und schon ein bisschen gewagt sind. Theresa hat ein schwarzes, sexy geschnittenes Strandkleid mit dazu passenden Schuhen gekauft und erntet einen anerkennenden Blick von Max. Flo schließlich ergattert einen äußerst knappen Bikini, zwei T-Shirts und ein tolles Sommerkleid, in dem sie hinreißend aussieht. Giorgio vermutet, dass Flo nach ihrem gestrigen Frusterlebnis, mit diesen Einkäufen ihr seelisches Gleichgewicht wieder herstellen musste. Zu Max gewandt, meint er nachdenklich: „Wenn ich daran denke, in welchen Häfen wir noch landen werden und mir dann unsere Mädchen so betrachte, ist es bestimmt sicherer, wenn wir uns noch einen Bodyguard zulegen.“ „Au ja Pap´s, aber bitte einen strammen, gut aussehenden!“ lacht Pia.

Früh um sieben am nächsten Morgen steht Giorgio im Büro des Hafenmeisters und bezahlt, leicht verschnupft, die extrem hohen Liegegebühren. „Bloß gut, dass wir nicht noch länger bleiben, das ist ja schon fast Wucher. Wenn wir noch mal herkommen, ankern wir draußen und fahren mit dem Dingi an Land!“ empört sich Pia.

 

11. Auf zu spanischen Ufern

 

07. Ein tränenreicher Abschied

Kapitel 07  und Kapitel 08

07. Ein tränenreicher Abschied

So rückt der Samstag vor der Abreise und damit auch das Abschiedsfest für ihre Freunde und Bekannte unaufhaltsam näher. Giorgio und seine Kinder haben jeder eine persönliche Gästeliste zusammengestellt. Insgesamt kommen sie auf fast vierzig Personen. Frau Herzig meint, dass das an der Grenze des Machbaren ist, da ja die halbe Wohnung bereits mit Kartons und Koffern voll gestellt ist. Sie ist, gemeinsam mit Flo und Bolle bereits seit zwei Tagen mit Vorbereitungen beschäftigt und plant ein großes Buffet. Ehrgeizig genug sind ja alle drei und Giorgio ist sich sicher, dass sie das fantastisch meistern werden. Max stellt auf der großen Dachterrasse mehrere Heizstrahler auf. Wegen der milden Witterung kann sie ohne Probleme mitbenutzt werden. Überall hat er Tische und Bänke und mehrere Sonnenschirme aufgebaut und die große Markise ausgefahren, um bereits Anfang März eine Frühlings Atmosphäre aufkommen zu lassen. Für die verfrorenen Besucher ist im Wohnzimmer und in der gemütlichen Küche genügend Platz vorhanden.

Ab halb Acht trudeln die ersten Gäste ein und eine Stunde später ist die Bude rappel voll und die Stimmung bombig. Nicht nur die Freunde der Kinder sind vollzählig versammelt, sondern auch Nachbarn aus dem Haus, einschließlich Dr. Emden mit seiner Elisabeth und alle Mitarbeiter von Giorgio und Hubertus. Dieser ist selbstverständlich mit Freundin erschienen. Auch Theo hat es geschafft, ihren Freund zu überreden, erst morgen seine Geschäftsreise nach London anzutreten. Einige Geschäftspartner und Kollegen von Giorgio haben es sich nicht nehmen lassen, die Weltenbummler gebührend zu verabschieden. Theresa´s Eltern sind selbstverständlich auch gekommen und wollen mit Giorgio sicherheitshalber noch einiges wegen der Obhut ihrer Tochter besprechen.

Mit etwas Verspätung trudeln auch Haberland´s, die Eltern von Pias Freundin Naina, die Giorgio schon seit langem kennt und bringen ihnen zum Abschied einen Reiseführer der speziellen Art mit. Naina´s Vater ist als Diplomat bereits in allen fünf Kontinenten gewesen und hat seine Kenntnisse, Tricks und Kniffe bei den ausländischen Behörden und Diplomatischen Kanälen in aller Welt extra für sie in einer Broschüre zusammengestellt, mit genauen Adressen, Telefonnummern und den jeweiligen Ansprechpartnern. „Wenn sie in Schwierigkeiten sein sollten, rufen sie die entsprechenden Leute an, sagen sie einen Gruß von mir. Ich bin sicher, Ihnen wird weitergeholfen,“ lächeld Dr. Haberland. Giorgio ist hocherfreut und weiß gar nicht was er sagen soll. Seit einer ganzen Weile war ihm im Kopf herumgegangen, wie sie es, und vor allem, was sie anstellen sollten, wenn sie in irgendeiner Bananenrepublik in Schwierigkeiten kommen sollten. Korruption und Vetternwirtschaft ist in diesen Ländern ja durchaus normal.

Wenn man dann die richtigen Adressen hat, kann das Gold wert sein, oder sogar Leben retten. „Diese Broschüre werde ich hüten, wie meinen Augapfel. Vielen Dank Dr. Haberland, den Wert dieser Adressen weiß ich durchaus zu schätzen!“  Auch Herr Lauritzen, Theresas Vater, der das mitbekommen hat und als Kaffeehändler viel in solchen Ländern unterwegs ist, meint: „Gute Kontakte und Beziehungen können dort mehr Wert sein als Geld. Ich bin schon manches Mal in Situationen gekommen, bei denen ich ohne Hilfe oder Vermittlung von Freunden in ernsthafte Schwierigkeiten gekommen wäre. Die Netzwerke in diesen Ländern sind bewundernswert. Sie werden erleben, das Ihnen von wildfremden Menschen weitergeholfen wird, nur weil der einen kennt, der wiederum einen kennt und dessen Bekannter der Cousin des Freundes ist, dessen Adresse sie bekommen haben.“

Der Abend schreitet feucht, fröhlich fort, biss plötzlich Giorgio aufsteht, mit einem Löffel an sein Glas klopfte und in die eintretende Stille hinein ruft: „Liebe Freunde, wir haben heute Abend nicht nur unseren Abschied zu feiern, sondern auch die Verabschiedung eines sehr lieben Menschen, der uns weit über zwanzig Jahre die Treue gehalten, Freud und Leid mit uns geteilt teilte, durch alle Höhen und Tiefen mit uns gegangen ist und den Humor trotzdem nie verloren hat. Der auch einen erheblichen Anteil daran hat, das aus meinen drei Kindern einigermaßen brauchbare Mitglieder der menschlichen Gesellschaft geworden sind und nicht zuletzt dafür sorgte, das wir in den letzten Jahren nicht verlottert sind und immer ordentlich zu essen hatten.

So bleibt es nicht aus, das sich alle drei Damen heulend in den Armen liegen und Frau Herzig mit hochrotem Kopf, verlegen und schluchzend stottert: „Danke für die schöne Rede, Herr Lindner. Auch ich habe die Jahre in Ihrer Familie, die im Laufe der Zeit ja auch meine Familie wurde, genossen. Mir fällt es sooo schwer, jetzt Abschied zu nehmen.“ schon heult sie wieder. Giorgio nutzt die Zeit und drückt ihr zunächst den kleinen Umschlag in die Hand.

Darin ist als Abschiedsgeschenk ein Scheck mit einer fünfstelligen Summe für ihren neuen Lebensabschnitt. Gleich danach übergeben die Kinder den großen Umschlag, in dem ein großes Foto von ihnen allen ist und ein ebenso großes Foto von dem neuen Strand-korb, den sie ausgesucht und gleich nach Amrum geschickt haben. Das ist zu viel für Henriette. Jetzt nehmen ihre Tränen freien Lauf und sie rennt aus dem Zimmer. Flo läuft hinter ihr her, um sie zu trösten. Max ruft erklärend: Frau Herzig hat für ihr Häuschen hinterm Deich auf Amrum einen Strandkorb von uns bekommen!“ und hört allgemeine Begeisterung.Nach einer Weile kommt Frau Herzig, mit leicht verheultem Gesicht, aber doch strahlend zurück und zeigt jedem die Fotos von ihrem neuen Strandkorb. Giorgio und seine Kinder freuen sich, dass ihr Geschenk so gut ankommt.

Je weiter der Abend fortschreitet, um so ruhiger und bedrückter wurden Naina, Laurin und Alexandra. Alle Drei haben jetzt doch große Probleme mit dem Abschied ihrer Freunde. Der Trennungsschmerz, unterstützt vom Alkohol, übermannt sie. Naina und Pia liegen sich mal wieder in den Armen und versprechen sich zum dreihundertsiebenundzwanzigsten Mal, mindestens zweimal in der Woche zu telefonieren und sich sobald wie möglich irgendwo auf der Welt zu besuchen.

Flo und Laurin hat es besonders schwer erwischt, sie verschwinden des Öfteren in ihrem Zimmer, um sich noch ein letztes Mal ganz nahe zu sein und kommen nach jeweils einer halben Stunde mit verheulten Augen wieder zum Vorschein. Aus dem letzten Mal wird dann noch ein allerletztes und danach noch ein aller allerletztes Mal. Es ist ja auch hart, sooo verliebt und dann sooo lange getrennt zu sein. Bolle wird in drei Wochen in die USA fliegen um dort seine erste Stelle als Koch in einem Luxushotel in New Orleans anzutreten. Sie rechnen sich entsetzt aus, dass sie sich erst Ende des Jahres in New Orleans wieder sehen können und Flo bricht erneut in Tränen aus. Bolle bringt plötzlich die Idee auf: „Liebste Flo, ich habe doch im Sommer Urlaub. Da fliege ich Euch einfach ein Stück entgegen, zum Beispiel nach Barbados und dann machen wir einen Teil des Törns bis Antigua zusammen, was hältst Du davon. Meinst Du, das Dein alter Herr damit einverstanden ist?“

Laurin glüht förmlich bei dem Gedanken. Flo hört schlagartig auf zu weinen, schmiegt sich eng an ihn und flüstert: „Mein großer Bär hat wieder mal die besten Ideen. So machen wir es. Giorgio hat mit Sicherheit nichts dagegen. Max und Theresa sind doch auch zusammen und Platz haben wir genug.“ Beide geben sich wieder einmal, diesmal deutlich unbeschwerter, der schönsten Nebensache der Welt hin und vergessen alles um sich herum.

Alles in allem ist es ein gelungenes Fest. Giorgio und die Kinder kommen erst gegen fünf Uhr morgens ins Bett, obwohl sie sich eigentlich für diesen Sonntag noch viel vorgenommen haben. Nachdem sie gerade mal fünf Stunden geschlafen haben, scheucht Giorgio alle wieder mit dem Ruf aus dem Bett: „Los, Leute aufstehen, sonst schaffen wir unser Pensum nicht. Wir wollen schließlich morgen früh losfahren!“ Vor allem Flo guckt ihn giftig und verschlafen an, da sie, auf Grund ihrer nächtlichen Abschiedsaktivitäten mit Laurin, die größten Schwierigkeiten hat. Es müssen noch alle möglichen Koffer und Seesäcke gepackt, die beiden VW Busse besorgt und diverse Briefe, Anträge, Formulare ausgefüllt werden. Giorgio achtet penibel darauf, dass er alle Visa, Dokumente und sonstige, wichtige Papiere von sich, seinen Kindern, Theresa und Columbus unter Verschluss hat, da er  unbedingt auf Nummer sicher gehen will.

An diesem Sonntag sieht die Wohnung wie ein Schlachtfeld aus. Alle laufen hin und her. Jeder sucht ständig irgendetwas. Endlich, am späten Nachmittag sind die meisten Koffer, Taschen und Seesäcke randvoll gepackt und der notwendige Papierkrieg erledigt. Giorgio und Max fahren gerade mit den beiden gemieteten VW Bussen vor und haben das Glück, fast direkt vor dem Haus zwei Parkplätze nebeneinander zu finden, was in dieser Straße eine absolute Seltenheit ist.Was haltet Ihr davon, heute Abend noch mal ´ne Pizza bei Alfredo zu verdrücken“? schlägt Max gerade vor.

Unsinn, das kommt überhaupt nicht in Frage, an unserem letzten gemeinsamen Abend werde ich doch wohl noch mal kochen dürfen. Ich habe scharfen, ungarischen Gulasch mit Knödeln vorbereitet, den Ihr so gern mögt!“ Frau Herzig ist fast beleidigt und duldet keinen Widerspruch. Giorgio unterstützt sie „Heute Abend essen wir zu Hause, wir sind doch jetzt lange genug unterwegs und Pizza könnt Ihr noch oft genug essen, aber Henriettes Kochkünste nur noch heute genießen.“Kaum hat er das jedoch gesagt, ist es mit Frau Herzig´s Fassung wieder vorbei. Sie schluchzt: „Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne Euch alle aushalten soll. Was soll ich denn bloß den ganzen Tag machen?“ Sie sieht Pia verzweifelt an. Ach Henriette, wenn Dir zu langweilig ist, besuchst Du uns zwischendurch einfach mal, fährst ein Stück mit uns und kannst dann von einem anderen Hafen wieder zurückfliegen. Ist doch heute kein Problem mehr.“ „Ich bin doch noch nie geflogen,“ heult sie weiter.

Giorgio schlägt vor, dass Frau Herzig auf die Kanarischen Inseln fliegen soll, wenn sie La Palma anlaufen und mit ihnen einige schöne Tage dort verbringen kann. Den Flug würde er bezahlen. Die Aussicht, ihre Familie doch in absehbarer Zeit wieder zu sehen, lies den Tränenstrom versiegen. Sie meinte glücklich lächelnd:„Na gut, dann werde ich meinen Mut zusammen nehmen und mich mal in so´n Flugzeug setzten und jetzt kommt endlich essen!“

Für Montagmorgen um zehn Uhr ist die Abfahrt angesetzt. Alle sind schon kurz vor sieben auf den Beinen und können vor Aufregung und Reisefieber kaum einen Bissen des leckeren Frühstücks von Frau Herzig runter bringen. Also schlürfen sie nur etwas Kaffee. Henriette packt ihnen Brote, Obst, Joghurt und Kuchen für die Fahrt ein und legt auch noch eine große Thermoskanne Milchkaffee dazu. Giorgio, Theresa und Max stapeln zigmal den Fahrstuhl mit Gepäck voll und beladen die Autos, während Flo und Pia die letzten Küchen-utensilien, Wasch und Kosmetiksachen einpacken. Kurz vor zehn Uhr sind beide Autos randvoll bepackt, was man durch die dunkel getönten Scheiben jedoch von außen zum Glück nicht sehen kann. Sie verabschieden sich in der Wohnung gerade von Henriette, als es an der Tür Sturm klingelt. Es ist jedoch niemand zu sehen, auch an der Gegensprechanlage antwortet keiner. „Bestimmt nur ein Klingelstreich“, vermutet Frau Herzig und schiebt die ganze Familie langsam zur Tür.

Kolumbus bellt und tänzelt die ganze Zeit um Flo und Pia herum. Pia und Giorgio gehen noch ein letztes Mal durch alle Räume und fragen sich leicht wehmütig, wann sie ihre schöne Wohnung wohl wieder sehen werden.Als sie endlich die Straße betreten, staunen sie nicht schlecht. Fast alle Freunde, die auch auf der Abschiedsparty waren, haben sich zum Abschied vor dem Haus versammelt und begrüßen sie mit lautem Hallo. Laurin, Alexandra und Naina haben sogar weiße, extra große Bettlacken zum Winken mitgebracht, wobei sie sich jetzt aber nicht ganz sicher sind, ob sie die Laken wirklich zum Winken oder lieber als Taschentuch benutzen sollen. Hubertus hat noch eine Magnum Flasche Champagner dabei und überreicht sie jetzt Giorgio feierlich: „Die Flasche köpft Ihr auf mein Wohl, wenn Ihr Eure Äquatortaufe habt und denkt dabei hoffentlich an die armen, zurückgebliebenen Werktätigen im kalten Deutschland, die Euch heute hier verabschieden!“ Dann drückt er Giorgio, die Kinder und Theresa an sein breites Kreuz und spürt nun doch ein Paar Tränen im Augenwinkel. Alle anderen umarmen und küssen sich immer wieder. Es fällt allen sichtlich schwer, Abschied zu nehmen.Zum Schluss drückt Elisabeth Emden, Pia ganz verstohlen ein etwas abgegriffenes Stoffhäschen in die Hand und flüstert: „Dieser kleine Hase hat mir immer Glück gebracht, jetzt soll er Euch auf Eurer Reise beschützen.“ Pia ist gerührt und bedankt sich artig. „Danke Frau Emden, der Hase bekommt auf unserem Schiff einen Ehrenplatz und wenn wir wieder zurück sind, bekommen sie ihn wieder!“

Um halb elf drängt Giorgio entschieden zum Aufbruch. Sie starten und die Zurückbleibenden schwenken mit lautem Hallo ihre Betttücher und Fähnchen. Sie winken, bis die Rücklichter nicht mehr erkennbar sind. Manch einer hat mit den Tränen zu kämpfen. Wieder ist es Hubertus, der die Trauergemeinde auflockert, in dem er ruft: „Lasst uns auf unsere Freunde drüben in der Kneipe noch einen trinken, auf das sie gesund und munter wiederkommen mögen!“ Er zieht Naina und Alexandra bereits mit sich.

Quer durch Deutschland geht ihre Route auf der Autobahn immer nur geradeaus, Richtung Basel, am Vierwaldstädter See entlang, durch den Gotthard Tunnel, anschließend am Ostufer des Lago Maggiore, auf die Autobahn Richtung Genua und dann an der Riviera entlang bis Porto Maurizio. So können sie die Staus um Mailand umgehen und die schönsten Landschaften genießen. Wegen Kolumbus machen sie öfter Pausen und übernachten auf halber Strecke, im südlichen Schwarzwald in einem urigen Landgasthof.

 

08  –  Tschüss, ihr Landratten

Wie Giorgio voraussagte, können sie am nächsten Tag gegen halb sechs die Autostrada bei Imperia verlassen und kämpfen sich langsam im dichten italienischen Feierabendverkehr den Berg herunter, Richtung Porto Maurizio. Als sie in den Hafen einbiegen, sehen sie schon von weitem die Catalina in den letzten Sonnenstrahlen blitzen und sind erneut von der Schönheit dieses ehrwürdigen Seglers überwältigt. Vor allem Theresa, die das Schiff ja noch nicht gesehen hat, ist tief beeindruckt und ruft beim aussteigen begeistert: „Max, ich würde mir ewig in den Hintern beißen, wenn ich diese Reise nicht mitgemacht hätte!“ Bloß nicht, Dein Hintern gefällt mir so, wie er ist,“ grinst er.

Kaum haben sie die Autos längsseits gebracht, taucht schon Luigi auf und begrüßt die Lindners überschwänglich. „Ich schon warten zwei Stunden und haben alles fertig mit die Schiff. Die Werft in Genua hat schon fertig das Schiff am Freitag und alles für die große Fahrt vorbereitet. Ich habe mit eine Amigo zusammen die Catalina am Sonntag hierher gebracht. Gestern, ich alles aufgeklart und verstaut und nun sie können los segeln auf große Fahrt“, strahlt er wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. „Langsam Luigi“, grinst Giorgio. „Zuerst machen wir noch mal einen gemeinsamen Rundgang durch das Schiff. Theresa hat ja noch nichts weiter gesehen. Dann werden wir in Ruhe die Autos auspacken und anschließend gemütlich mit Dir essen gehen. Du bist eingeladen.

Morgen müssen wir noch Proviant, Wasser und Diesel bunkern, die Autos wegbringen, in Ruhe alles verstauen und Übermorgen früh gegen acht werden wir in See stechen, Richtung Korsika.“ Giorgio ist bester Laune und freut sich, dass auf Luigi wirklich Verlass ist und er alles so toll vorbereitet hat. Beim anschließenden Rundgang durch das Schiff kommt Theresa aus dem Staunen nicht heraus und stößt immer wieder Begeisterungs-rufe aus. Auch Flo und Pia waren aufs Neue schwer angetan und entdecken Dinge, die ihnen bei ihrem ersten Besuch gar nicht aufgefallen waren.

Dann legen sie fest, wer welche Kabine bekommen soll. Flo will unbedingt die Rote

Vergleichsweise zwei Kabinen de Sea Cloud

haben, Theresa und Max entscheiden sich für die Gelbe, Pia für die Grüne und für Giorgio bleibt noch die Blaue übrig. Aber damit ist er durchaus einverstanden. Und wo soll Kolumbus schlafen?“ fragt Pia „Wo ist der überhaupt?“ Sie schaut sich suchend um, kann aber keinen Hund entdecken. Plötzlich rufen alle aufgeregt nach Kolumbus, bekommen aber keine Antwort. Das gibt’s doch nicht, der war doch eben noch da,“ wundert sich Max Auf Deck, ich habe ihn nicht gesehen,“ bemerkt Luigi. „Ist der etwa noch an Land?“ Flo hat leichte Panik in der Stimme, rennt den Niedergang hoch, um auf Deck Ausschau zu halten. Max und Pia laufen hinterher und spähen über den Kai.

Der ist voll mit etlichen leeren Fischkisten, jeder Menge Netze und ein Paar Containern.

Tatsächlich, ungefähr Fünfzig Meter von der Catalina entfernt, wühlt Kolumbus mitten in einem Stapel Fischkisten und lässt sich durch nichts stören. Flo und Pia sind erleichtert und ärgerlich zugleich, weil sie vor lauter Begeisterung über die Catalina, Kolumbus ganz vergessen haben. Sie nehmen sich vor, einen „Hundebewachungsplan“ aufzustellen, zumindest so lange, bis sich Kolumbus an sein Leben als Schiffsmaskottchen und Aufpasser gewöhnt hat. Kolumbus kann anfangs bei mir schlafen,“ bietet Flo an: „Später, wenn er sich an das Schiffsleben gewöhnt hat, kann er sich selbst einen Schlafplatz suchen.“

Das Ausladen der Autos dauert über eine Stunde. Sie stapeln zunächst alles im Salon und in den nicht genutzten Heck Kabinen, um von dort in Ruhe zu verteilen. Flo hat etliches an Küchenutensilien mitgenommen und freut sich schon darauf, ihre Küche, äh Pantry, nach ihren Wünschen einzurichten. Um acht Uhr kommt Luigi zurück und holt sie zum Essen ab. Er hat ein gemütliches Ristorante etwas außerhalb vorgeschlagen, was für seine gute regionale Küche berühmt ist. Sie verbringen dort noch einen fröhlichen Abend. Luigi erzählt von seiner Zeit in Deutschland und gibt etliche Geschichten zum Besten, als er noch zur See fuhr. Giorgio wird aber den Verdacht nicht los, dass ein großer Teil seiner Geschichten gut gesponnenes Seemannsgarn sind und meldet das eine oder andere Mal lachend Zweifel an. Bei Ehre von meine sizilianische Großmutter, ich sagen nur die Wahrheit!“ trumpft Luigi auf. Giorgio kann sich nicht daran erinnern, dass Luigi jemals eine sizilianische Großmutter erwähnt hat und erinnert ihn daran. Stimmt, Giorgio, ich nur vergessen, meine Großmutter sein aus Genova.“ Alle lachen, bis ihnen die Tränen laufen. Die Stimmungskanone Luigi ist zufrieden mit seinem Erfolg.

Am nächsten Morgen rumort Flo bereits um sieben Uhr in der Kombüse herum und versucht sich zurecht zu finden. Sie will ihre Utensilien unterbringen und gleichzeitig ein erstes Frühstück zaubern. Sie staunt nicht schlecht, wie komplett der Kombüsen Bereich bereits war und wie viel Platz für Vorräte vorhanden ist. Nachdem sie ihre Familie aus den Kojen geworfen hat und alle zusammen um den großen Tisch im Salon beim Frühstück sitzen, holt sie Papier und fordert den Rest der Mannschaft auf, mit ihr eine Proviantliste zu erstellen. Mit frischen Sachen wie Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Käse und Brot sollten wir uns immer nur so viel eindecken, das wir gut in den nächsten Hafen kommen und dann wieder frisch einkaufen. Alles andere, länger haltbare, können wir hier bunkern und von Zeit zu Zeit nachkaufen. Wir fahren dann in den Supermercado und besorgen alles, bevor wir die Autos zurückbringen.“ macht sich Giorgio bereits Gedanken.

Schon in Hamburg haben die fünf festgelegt, wer für welche Aufgaben zuständig und somit auch verantwortlich ist. Giorgio ist zweifelsfrei der Kapitän und Zahlmeister. Er hat die Gesamtverantwortung und ist für Kursberechnungen, die Zahlungsmittel und den ganzen Papierkrieg zuständig. Theresa wird zur Proviant Meisterin ernannt. Sie ist für den Einkauf ausreichender Vorräte, aber auch aller technischer Artikel und Schiffszubehör verantwortlich. Auch das Bunkern von Trinkwasser und Diesel gehört zu ihren Aufgaben. Pia soll sie unterstützen und ist für Ordnung, Sauberkeit und Pflege auf dem Schiff, sowohl über, wie auch unter Deck, zuständig. Giorgio traut Pia mit ihrer ruhigen und ausgleichenden Art am ehesten zu, auf den Rest der Mannschaft positiv einwirken zu können, ihre Kabinen und sonstige Räume sauber und in Ordnung zu halten. Außerdem ist Pia für das Logbuch verantwortlich. Flo hat sich selbst zum Smutje ernannt und erklärt sich für das leibliche Wohl der ganzen Crew zuständig. Max ist für die gesamte Technik und die Wartung der Motoren, Pumpen, des Generators und sonstiger technischer Geräte zuständig. Da er durch die Bundeswehr über eine umfangreiche Sanitätsausbildung verfügt, wird er von Giorgio kurzerhand auch noch zum Medizinmann an Bord erklärt. Kolumbus schließlich übernimmt den Wachdienst an Bord, da sein Gebell durchaus abschreckend wirken kann.

Alle zusammen sind sie unter der Oberleitung von Käpt´n Giorgio auch für die Pflege und Instandhaltung der Takelage, der Segel, Anker, des Beiboots, der Rettungsmittel und des Decks verantwortlich.

Da nun alle, außer Theresa, über seemännische Kenntnisse verfügen, hat man verabredet, reihum die Deckswache und das Steuern des Schiffes zu übernehmen. Die Dauer der Wache wollen sie den Notwendigkeiten auf See anpassen, wobei Giorgio nicht mehr als maximal vier Stunden zulassen will.

Foto Martina Kleinsorg

Die Einkaufsliste ist zwischen-zeitlich, trotz vieler gestrichener Wünsche, auf zweieinhalb Seiten angewachsen. Giorgio drängt zum Aufbruch und sie fahren, außer Flo und Kolumbus, mit beiden Autos nach Imperia zum Supermercado. Nach über einer Stunde haben sie vier große Einkaufswagen gefüllt und streben zur Kasse.

Nur gut, das ich eben noch bei der Bank war und Geld geholt habe“, seufzt Giorgio. Seht mal, da drüben gibt’s Anhänger für Fahrräder, gar nicht so teuer, wollen wir nicht einen kaufen? Dann wäre das Problem Proviant Transport gelöst. Wir wissen ja schließlich nicht, wie weit die Geschäfte von den Häfen weg sind!“ Erklärt Max, Giorgio stimmt spontan zu. Also kommen sie nach drei Stunden voll bepackt zum Schiff zurück und erwischen Flo bei einem ersten Sonnenbad auf Deck.

Sie laden zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden die Autos aus und verstauen alles auf dem Schiff. So, jetzt glaube ich, haben wir alles und können die Autos wegbringen.“ Giorgio hievt mit Max zum Schluss noch den soeben gekauften Fahrradanhänger an Bord. „Wenn wir zurückkommen, richten wir uns häuslich äh, ich meine schiffsmäßig ein.“

Sie sind in das verstauen und aufklaren des Schiffes vertieft, als plötzlich eine dunkle Stimme vom Kai aus ruft: „Ich bitte kommen zu dürfen an Bord!“ Es ist der ehrenwerte Notar Palmiotta, der es sich nicht nehmen lässt, Vittorios Familie höchstpersönlich zu verabschieden. Giorgio freut sich, ihn zu sehen, kommt die Gangway runter geklettert um ihn an Bord zu begleiten. Dottore, ich freue mich, sie zu sehen. Ich habe gehofft, das sie noch vorbeikommen und vorsichtshalber schon mal ne Flasche Wein kaltgestellt.“ Palmiotta strahlt und hüpft leichtfüßig die Gangway hoch. Im Salon gibt es ein großes Hallo. Giorgio stellt Theresa und selbstverständlich auch Kolumbus vor. Schon sitzen alle zusammen um den Tisch. Flo hat schnell Wein und Gläser herbeigezaubert. Palmiotta prostet allen zu. „Ich wünsche eine glückliche Reise Ihnen und das sie alle gesund kommen zurück. Vor allem, das Vittorio nicht muss bereuen, seine verrückte Testamente!“ Er blickt leicht wehmütig zu Vittorios Portrait.

Plötzlich macht er ein nachdenkliches Gesicht und fragt: „Wenn sie kommen zurück, wohin sie dann fahren mit die Schiff. Wieder hierher, nach Porto Maurizio oder nach Germania?“ „Lieber Dottore. Wir haben das schöne Ligurien schätzen gelernt und in Luigi und Ihnen wirkliche Freunde gefunden. Wenn Luigi bereit wäre, das Schiff auch nach unserer Rückkehr zu warten und zu betreuen, können wir in ganz Europa keinen besseren Liegeplatz für unser Schiff finden. Wir haben dann immer einen Grund, hierher zu kommen und ich hoffe, das auch wir beide noch so manchen Segeltörn miteinander machen können.“ Über diese Worte freut Palmiotta sich wie ein Kind und drückt Giorgio ergriffen und sprachlos die Hand. Was haltet Ihr davon, wenn wir alle miteinander zum Abschied noch leckere Pasta essen gehen?“ fragte Giorgio und erntet laute Zustimmung. Sie quetschen sich zu sechst in den Range Rover des Notars und fahren zu dem Ristorante, welches Pia schon beim ersten Besuch von einem Touri empfohlen bekam.

Kaum haben sie Platz genommen, kommt Luigi auf ihren Tisch zugesteuert. Max hat ihn angerufen und dazu geladen. Als der Wein auf dem Tisch stand, erhebt sich Palmiotta und verkündet feierlich: Meine Freunde, ich hoffe, ich darf so nennen? Wir haben bereits einige schöne Tage gebracht miteinander und ganze Familia sein mir sympathisch. Ich bin nun der älteste hier an diese Tisch und ich machen Angebot, zu sagen Du miteinander, wenn wollen, ich heißen Alessandro!“ Er setzt sich wieder und Giorgio steht jetzt etwas verlegen auf und erwiderte: „Lieber Alessandro, es ist uns allen eine Ehre, einen solchen Freund wie Dich zu haben und wir nehmen Dein Angebot gern an. Unsere Namen kennst Du ja bereits, also dann lass uns darauf trinken!“ Er erhebt sein Glas, ruft Salute und strahlt ihn an. Auch die restliche Crew freut sich über die Ehre und das entgegengebrachte Vertrauen. Dann stürzen sie sich auf das Essen und verbringen noch einen fröhlichen, letzten Abend miteinander.

Die Sonne steht bereits im Osten eine Handbreit über der Wasseroberfläche. Die gesamte Mannschaft ist schon auf und erledigt die letzten Vorbereitungen vor dem Auslaufen. Giorgio ist beim Hafenmeister um den restlichen Papierkrieg zu erledigen und versucht ihm auf englisch klarzumachen, das die Catalina erst in zwei bis drei Jahren hier wieder einen Liegeplatz benötigen wird. Er ist sich nicht ganz klar, ob der das verstanden hat, zumal er auch keinen ganz nüchternen Eindruck macht, aber er will zu gegebener Zeit einfach Luigi an morsen. Der würde dann schon für einen Liegeplatz sorgen.

Pia verstaut gerade die umfangreiche Bordapotheke, Flo ist dabei den großen Tiefkühlschrank umzupacken, während Theresa ihre Bestandsliste vervollständigt. Max klart bereits die Takelage auf und bereitet das Auslaufen vor. Als Giorgio zurückkommt und die Gangway hochklettert, ruft er laut: „Alle Mann an Deck!“

Tatsächlich erschienen alle brav an Deck und Giorgio fragt: „Schiff klar zum Auslaufen?“ Die Mannschaft nimmt Haltung an und wie aus der Pistole geschossen kommt die Antwort: „Ay Ay Sir, Schiff klar zum Auslaufen!“ Sie grinsen wegen der ungewohnten Kommandos, aber akzeptieren voll die Autorität von Käpt´n Giorgio. Bei ihrer Seefahrtausbildung wurde ihnen eindringlich eingetrichtert, das nur der Kapitän das sagen haben kann und vom bedingungslosen Befolgen seiner Anordnungen, unter Umständen, ihrer aller Leben abhängt.

Na, dann wolln wir mal den kleinen Törn hinter uns bringen. Denkt bitte immer an alle Sicherheitsmaßnahmen, habt gegenseitig ein Auge auf Euch und achtet immer auf Kolumbus. Wir leben jetzt lange Zeit auf engstem Raum zusammen, auch wenn unser Schiff nicht ganz klein ist, aber sich aus dem Weg gehen, kann man auch nicht gerade. Deshalb verlange ich von Euch, fair, friedlich und respektvoll miteinander umzugehen. In kritischen Situationen versucht die Nerven zu behalten und vor allem, haltet zusammen. So, das musste noch gesagt werden. Nun wünsche ich uns allen eine gute Reise und immer drei Fuß Wasser unterm Kiel. Und nun Leinen los und die Gangway hoch!“

Max will gerade die Gangway runter um die Bug- und Hecktampen zu lösen, als er Luigi auf seiner Vespa den Kai hoch flitzen sieht. Ich nicht daran gedacht!“ ruft er schon von weitem: „Das Deutsche, wenn sagen acht Uhr ablegen, auch meinen acht Uhr ablegen!“ Er hievt schnell einen großen Korb leuchtend goldgelber Apfelsinen eigener Ernte an Bord, drückt jeden Einzelnen noch einmal an seine breite Brust, wünscht allen eine gute Reise und viel Glück. Dann lief er die Gangway runter und ruft: „Leinen los machen ich schon!“ Max zieht die Gangway hoch und verzurrt sie fachmännisch. Giorgio hat den Motor angelassen und los geht´s mit langsamer Fahrt durch das Hafenbecken, Richtung offenes Meer und Korsika. Alle winken Luigi zu, der langsam immer kleiner wird und bald nur noch als Punkt sichtbar ist.

Kugelkompass

Die Weltumseglung kann beginnen. Der Käpt´n ruft „Kurs Süd, Süd Ost, Richtung Korsika.

 

 

 

 

09.   Korsika wir kommen